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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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kann ich kürzer sein. Derselbe beginnt mit der Berathung der V>"ks über die
wieder zu ergreifende Offensive (Shakespeare III. Theil, 1, 2): in dieser Scene
will ich nur anmerken, daß Dingelstedt dem Richard das aus der neueren fran¬
zösischen Geschichte bekannte Urtheil über die Herzogin von Berrh umgemodelt
zu einem Lob auf Margarethe in den Mund legt:


Der einzige Mann im Hause Lancaster.

Daran schließen sich die Scenen in der Reihenfolge wie bei Shakespeare: Rui-
lcmd wird getödtet, dann kommt Aort, es folgt die ergreifende Scene seines
Schmerzes und seiner Verhöhnung und dann sein Tod, wobei Margaretha die
Worte der Prophezeihung, wie sie sich in der Bearbeitung gestaltet haben:


Vor Thoren nehme sich der Thor in Acht!

im Hinblick auf das über dem Thor Korks aufzusteckende Haupt des Herzogs
wiederholt.

Der folgende Aufzug beginnt mit einer kurzen Rast des yorkschcn Heeres
aus dem Marsch (Shakespeare II, 1). Diese Lagerung war wieder erfreulich
arrangirt: nur dürste doch wohl das Heer auf die laut mitgetheilten Trauer¬
botschaften von Aorts Tod und Warwicks Niederlage nicht in seiner Ruhe ver¬
harren, sondern seine Theilnahme in lebhafter Bewegung an den Tag geben.
In der folgenden Scene, wo das königliche Heer mit den Aorts vor der Stadt
Nork zusammentrifft, ist mir aufgefallen, daß als endlich beide Theile zum
Kampf aufbrechen,


Louucl trampet"! let our dlooä/ dolcmrs wavo --

sie nicht, wie man von gegenüberstehenden Feinden erwarten könnte, unmittel¬
bar auf einander stürzen, sondern zunächst nach verschiedenen Seiten abgehen.
Wäre es nicht besser, den Kampf auf der Bühne beginnen und sich in die
Coulissen drängen zu lassen? Dann würde ich die Scene eine Weile offen und
leer lassen, um der Phantasie des Hörers Raum zu geben, sich bei den hinter
den Coulissen ertönender Trompeten die Schlacht vorzustellen; so folgte dann
die Niederlage, die sich jetzt, allerdings ganz nach Shakespeares Angabe selbst,
unmittelbar an die Scene des Abmarsches anschließt. Shakespeare durfte eben
der jugendlich frischen Einbildungskraft seiner Zuschauer mehr zumuthen, als
wir einem heutigen Publicum. Die folgende Scene war eine vortreffliche
(Shakespeare II, 5). 'Dingelstedt hat mit großem Geschick die Scenen mit
dem auftretenden Sohn, der seinen Vater, und dem Äater, der seinen Sohn
getödtet. als Erzählung gestaltet und dem Monolog des Königs zugefügt.
Und diesen Monolog, eine Perle shatespearescher Poesie, sprach Herr Grans
in der ganzen träumerischen Weichheit, mit zum Himmel gerichteten Augen,
mitten im Schlachtgctobe, welches über sein Geschick entscheiden soll, mit großem
Verständniß, recht brav und wirkungsvoll. Es folgt dann die Flucht der König¬
lichen und Cliffords Tod, endlich die Verleihung der Herzogthümer an Richard


kann ich kürzer sein. Derselbe beginnt mit der Berathung der V>"ks über die
wieder zu ergreifende Offensive (Shakespeare III. Theil, 1, 2): in dieser Scene
will ich nur anmerken, daß Dingelstedt dem Richard das aus der neueren fran¬
zösischen Geschichte bekannte Urtheil über die Herzogin von Berrh umgemodelt
zu einem Lob auf Margarethe in den Mund legt:


Der einzige Mann im Hause Lancaster.

Daran schließen sich die Scenen in der Reihenfolge wie bei Shakespeare: Rui-
lcmd wird getödtet, dann kommt Aort, es folgt die ergreifende Scene seines
Schmerzes und seiner Verhöhnung und dann sein Tod, wobei Margaretha die
Worte der Prophezeihung, wie sie sich in der Bearbeitung gestaltet haben:


Vor Thoren nehme sich der Thor in Acht!

im Hinblick auf das über dem Thor Korks aufzusteckende Haupt des Herzogs
wiederholt.

Der folgende Aufzug beginnt mit einer kurzen Rast des yorkschcn Heeres
aus dem Marsch (Shakespeare II, 1). Diese Lagerung war wieder erfreulich
arrangirt: nur dürste doch wohl das Heer auf die laut mitgetheilten Trauer¬
botschaften von Aorts Tod und Warwicks Niederlage nicht in seiner Ruhe ver¬
harren, sondern seine Theilnahme in lebhafter Bewegung an den Tag geben.
In der folgenden Scene, wo das königliche Heer mit den Aorts vor der Stadt
Nork zusammentrifft, ist mir aufgefallen, daß als endlich beide Theile zum
Kampf aufbrechen,


Louucl trampet«! let our dlooä/ dolcmrs wavo —

sie nicht, wie man von gegenüberstehenden Feinden erwarten könnte, unmittel¬
bar auf einander stürzen, sondern zunächst nach verschiedenen Seiten abgehen.
Wäre es nicht besser, den Kampf auf der Bühne beginnen und sich in die
Coulissen drängen zu lassen? Dann würde ich die Scene eine Weile offen und
leer lassen, um der Phantasie des Hörers Raum zu geben, sich bei den hinter
den Coulissen ertönender Trompeten die Schlacht vorzustellen; so folgte dann
die Niederlage, die sich jetzt, allerdings ganz nach Shakespeares Angabe selbst,
unmittelbar an die Scene des Abmarsches anschließt. Shakespeare durfte eben
der jugendlich frischen Einbildungskraft seiner Zuschauer mehr zumuthen, als
wir einem heutigen Publicum. Die folgende Scene war eine vortreffliche
(Shakespeare II, 5). 'Dingelstedt hat mit großem Geschick die Scenen mit
dem auftretenden Sohn, der seinen Vater, und dem Äater, der seinen Sohn
getödtet. als Erzählung gestaltet und dem Monolog des Königs zugefügt.
Und diesen Monolog, eine Perle shatespearescher Poesie, sprach Herr Grans
in der ganzen träumerischen Weichheit, mit zum Himmel gerichteten Augen,
mitten im Schlachtgctobe, welches über sein Geschick entscheiden soll, mit großem
Verständniß, recht brav und wirkungsvoll. Es folgt dann die Flucht der König¬
lichen und Cliffords Tod, endlich die Verleihung der Herzogthümer an Richard


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/271>, abgerufen am 23.07.2024.