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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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dann einig, sich "des Tantes von Nürnberg" zu erwehren. Nach Jahresfrist
kam mit stattlichem Gefolge aus Franken der Burggraf selber ins Land. Mit
guter Absicht trat er höchst mild und gelassen auf. Aber auch er erlangte zu-
nächst nur von Einzelnen die Huldigung. Die "Schloßgesessenen" zumeist
behandelten ihn ebenso geringschätzig wie seinen Gesandten. Die Puttlitz,
Quitzow, Rochow, Jagow, Bredow, Schulenburg. Alvensleben und andere,
"steuerlos Volk" -- verbanden sich eidlich, ihm zu trotzen: "und regnete es noch
ein ganzes Jahr lang Nürnberger, sie wollten ihre Schlosser schon behalten!"
Die Maxime des Burggrafen ist nachmals treffend bezeichnet worden: "der
Gegner müsse sich erst ganz ins Unrecht setzen." Nach diesem Gedanken ver¬
fuhr er und er war hier, wo es die landesherrliche Macht auszurichten galt,
ebenso weise als ersprießlich. Es kam darauf an. wer das Warten länger aus.
halten könne und am Schlüsse der Stärkere war. Um den Widerspenstigen
die Hinterthüren zu versperren, machte Friedrich mit den fürstlichen Nachbarn
seinen Frieden. So mit Magdeburg, Sachsen. Braunschweig. Mecklenburg und
Pommern-Wolgast. Aber die jungen Herren von Pommern-Stettin meinten
mit ihres Baders Regierung auch die Pfandherrlichkeit von Schlössern in der
Uckermark überkommen zu haben, und traten mit gewappneter Hand dem Burg
grasen in den Weg. Gleichzeitig wurden auch die kleinen Herren munterer.
Des aufgerichteten Fürstenfricdens ungeachtet erhoben etliche die altgewohnte
Raubfehde, sielen in benachbartes Gebiet ein.

Der Burggraf, durch anderweite gute Erfolge in seiner langmüthiger
Politik bestärkt, hatte es über sich gewonnen, zunächst nur beim königlichen
Hofgencht zu klagen. Die Vorladung von dort fruchtete nicht; die Reichsacht
stand bevor. Da, in der elften Stunde, bequemten sie sich zur Huldigung.
Friedrich verfuhr äußerst schonend; nur wenige der von den Renitenten inne<
gehaltnen Schlösser löste er wirklich ein, die andern behielten sie gegen die Ver-
pflichtung. ihre Dienste darnach zu leisten. Man weiß, daß sie betrüglich
schwuren. Bei einer der ersten Gelegenheiten, die ihre Sinnesänderung zeigen
sollte, erneuten die Hauptjunter -- die Quitzows voran -- ihr sauberes Ge¬
werbe; stracks aus dem Lager des Burggrafen ritten sie ins Magdeburgische
M Plünderung. Der Gewalthaufen bekam Zuzug; alle Aufforderungen, zu
denen sich der Burggraf auch jetzt noch verstand, blieben erfolglos. Nun war
es an der Zeit, den entscheidenden Streich gegen sie zu führen. In Gemein¬
schaft mit dem bedrohten Erzbischof von Magdeburg traf Friedrich seine An¬
stalten. Endlich brach er los. Die Burgen wurden überfallen, erstürmt, ein¬
gezogen; die Haupthelden der Anarchie ergriffen. Auf Gnade und Ungnade
waren sie in des verhöhnten Herrn Gewalt. Niemand konnte es hindern oder
strafen, wenn er ihnen die Köpfe vor die Füße gelegt hätte. Er unternahm
das Größere, diese übermüthige, entartete Kraft in den Gehorsam des Gesetzes


Grenzboten II. 1864. 3

dann einig, sich „des Tantes von Nürnberg" zu erwehren. Nach Jahresfrist
kam mit stattlichem Gefolge aus Franken der Burggraf selber ins Land. Mit
guter Absicht trat er höchst mild und gelassen auf. Aber auch er erlangte zu-
nächst nur von Einzelnen die Huldigung. Die „Schloßgesessenen" zumeist
behandelten ihn ebenso geringschätzig wie seinen Gesandten. Die Puttlitz,
Quitzow, Rochow, Jagow, Bredow, Schulenburg. Alvensleben und andere,
»steuerlos Volk" — verbanden sich eidlich, ihm zu trotzen: „und regnete es noch
ein ganzes Jahr lang Nürnberger, sie wollten ihre Schlosser schon behalten!"
Die Maxime des Burggrafen ist nachmals treffend bezeichnet worden: „der
Gegner müsse sich erst ganz ins Unrecht setzen." Nach diesem Gedanken ver¬
fuhr er und er war hier, wo es die landesherrliche Macht auszurichten galt,
ebenso weise als ersprießlich. Es kam darauf an. wer das Warten länger aus.
halten könne und am Schlüsse der Stärkere war. Um den Widerspenstigen
die Hinterthüren zu versperren, machte Friedrich mit den fürstlichen Nachbarn
seinen Frieden. So mit Magdeburg, Sachsen. Braunschweig. Mecklenburg und
Pommern-Wolgast. Aber die jungen Herren von Pommern-Stettin meinten
mit ihres Baders Regierung auch die Pfandherrlichkeit von Schlössern in der
Uckermark überkommen zu haben, und traten mit gewappneter Hand dem Burg
grasen in den Weg. Gleichzeitig wurden auch die kleinen Herren munterer.
Des aufgerichteten Fürstenfricdens ungeachtet erhoben etliche die altgewohnte
Raubfehde, sielen in benachbartes Gebiet ein.

Der Burggraf, durch anderweite gute Erfolge in seiner langmüthiger
Politik bestärkt, hatte es über sich gewonnen, zunächst nur beim königlichen
Hofgencht zu klagen. Die Vorladung von dort fruchtete nicht; die Reichsacht
stand bevor. Da, in der elften Stunde, bequemten sie sich zur Huldigung.
Friedrich verfuhr äußerst schonend; nur wenige der von den Renitenten inne<
gehaltnen Schlösser löste er wirklich ein, die andern behielten sie gegen die Ver-
pflichtung. ihre Dienste darnach zu leisten. Man weiß, daß sie betrüglich
schwuren. Bei einer der ersten Gelegenheiten, die ihre Sinnesänderung zeigen
sollte, erneuten die Hauptjunter — die Quitzows voran — ihr sauberes Ge¬
werbe; stracks aus dem Lager des Burggrafen ritten sie ins Magdeburgische
M Plünderung. Der Gewalthaufen bekam Zuzug; alle Aufforderungen, zu
denen sich der Burggraf auch jetzt noch verstand, blieben erfolglos. Nun war
es an der Zeit, den entscheidenden Streich gegen sie zu führen. In Gemein¬
schaft mit dem bedrohten Erzbischof von Magdeburg traf Friedrich seine An¬
stalten. Endlich brach er los. Die Burgen wurden überfallen, erstürmt, ein¬
gezogen; die Haupthelden der Anarchie ergriffen. Auf Gnade und Ungnade
waren sie in des verhöhnten Herrn Gewalt. Niemand konnte es hindern oder
strafen, wenn er ihnen die Köpfe vor die Füße gelegt hätte. Er unternahm
das Größere, diese übermüthige, entartete Kraft in den Gehorsam des Gesetzes


Grenzboten II. 1864. 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/25>, abgerufen am 25.08.2024.