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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Geltcndmachen der Intelligenz der Führer zu entwickeln. Dem größer" Betriebe
dieser Zweige steht der Mangel des Terrains entgegen, ein Mangel, der die
Truppen in den fruchtbaren Gegenden mir ihre" Uebungen, außer in den
wenigen Tagen der Manöver, ganz allein auf die Exercierplatze beschränkt. ---
Für die Ausbildung des gemeinen Mannes ist dieser Uebelstand weniger fühlbar,
da er vollständig in der Hand seinem vorgesetzten arbeitet, und der intelli¬
genten Leitung des letztern überall zu folgen im Stande ist, aber für die Aus¬
bildung des vorgesetzten fällt er außerordentlich ins Gewicht. Die durchaus
formelle Ausbildung der Truppen läßt auch die Offiziere mit ihren ganzen An¬
schauungen nicht über dieselbe hinweg kommen, macht die höchsten Stellen zu
lebendige" Repräsentanten der Ganiasche und entfernt das belebende Element
des kriegerischen Geistes gerade dort, von wo es ausgehen und die Armee
anregen soll. Wie jetzt im Kriege, so auch im Frieden ist der in der Blüthe
seiner Jahre stehende, durch die Erfahrung gereifte und in der Kriegskunst unter¬
richtete Hauptmann oder Rittmeister der Träger der Intelligenz und der Leistung
in der preußischen Armee. In der Einförmigkeit seines Lebens, in der mangelnden
Anerkennung aller die Paradcdrcssur überschreitenden Bestrebungen und in >der
Gewalt der von obenher auch ihn ganz unterjochenden Gamasche aber wird er
mehr oder minder abgenutzt und tritt, wenn nicht vorher verabschiedet, in dieser
Verfassung in die höhern Chargen. Eine Ergänzung dieser letztem findet
außerdem noch aus dem Generalstab und der Adjutantur statt, aus zwei Branchen,
welche in langjähriger Beschäftigung am grünen Tisch meist dem Dienst fremd
werden, und dann bei dem Rücktritt in die Armee die Gamasche entweder
nicht verstehe" und an ihrer Handhabung scheitern, oder aber sie nur in ihrer
Aeußerlichkeit auffassen und die allergrößten Kleinigkeitskrämer werden. Die
Gamasche, deren Handhabung wir als ein ausgezeichnetes Mittel zu unbedingter
Unterwerfung des Untergebenen unter den Willen des Vorgesetzten erkannt
haben, tödtet in ihrer übertriebenen Anwendung auch den Geist der Borgesetzten
und zerstört damit die Möglichkeit einer guten Leitung.

Ein General, der im vollen Sinne des Worts an der Spitze seiner
Truppen steht, kann sich leider nur sehr selten in der preußischen Armee bilden.
Das ist ein Uebelstand der laut eine Besserung des Ausbildungsmodus in der¬
selben fordert und zwar in der Art, daß neben der Ausbildung des gemeinen
Mannes auch die des Offiziers und zumal des Generals angestrebt wird, sowie
daß neben der Gamasche dem General ein Feld der Thätigkeit eröffnet und ihm
die Möglichkeit gegeben wird, seine entwickeltere" Kenntnisse und Erfahrungen
geltend zu machen. -- Das ist nur möglich durch die andauernde Concentri-
rung von Truppen in einem große" Terrain, welches frei betreten und benutzt
werden kann d. h. durch Errichtung von Lagern und dazu gehörigen Manövrir-
feld. -- Mit der Einführung der' Lager halten wir auch eine Verminderung
der Dienstzeit der Mannschaften der Infanterie. Artillerie und Pioniere für
zulässig, ohne dieselbe nicht. Warum, das soll nächstens entwickelt werden.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Her dig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Geltcndmachen der Intelligenz der Führer zu entwickeln. Dem größer» Betriebe
dieser Zweige steht der Mangel des Terrains entgegen, ein Mangel, der die
Truppen in den fruchtbaren Gegenden mir ihre» Uebungen, außer in den
wenigen Tagen der Manöver, ganz allein auf die Exercierplatze beschränkt. —-
Für die Ausbildung des gemeinen Mannes ist dieser Uebelstand weniger fühlbar,
da er vollständig in der Hand seinem vorgesetzten arbeitet, und der intelli¬
genten Leitung des letztern überall zu folgen im Stande ist, aber für die Aus¬
bildung des vorgesetzten fällt er außerordentlich ins Gewicht. Die durchaus
formelle Ausbildung der Truppen läßt auch die Offiziere mit ihren ganzen An¬
schauungen nicht über dieselbe hinweg kommen, macht die höchsten Stellen zu
lebendige» Repräsentanten der Ganiasche und entfernt das belebende Element
des kriegerischen Geistes gerade dort, von wo es ausgehen und die Armee
anregen soll. Wie jetzt im Kriege, so auch im Frieden ist der in der Blüthe
seiner Jahre stehende, durch die Erfahrung gereifte und in der Kriegskunst unter¬
richtete Hauptmann oder Rittmeister der Träger der Intelligenz und der Leistung
in der preußischen Armee. In der Einförmigkeit seines Lebens, in der mangelnden
Anerkennung aller die Paradcdrcssur überschreitenden Bestrebungen und in >der
Gewalt der von obenher auch ihn ganz unterjochenden Gamasche aber wird er
mehr oder minder abgenutzt und tritt, wenn nicht vorher verabschiedet, in dieser
Verfassung in die höhern Chargen. Eine Ergänzung dieser letztem findet
außerdem noch aus dem Generalstab und der Adjutantur statt, aus zwei Branchen,
welche in langjähriger Beschäftigung am grünen Tisch meist dem Dienst fremd
werden, und dann bei dem Rücktritt in die Armee die Gamasche entweder
nicht verstehe» und an ihrer Handhabung scheitern, oder aber sie nur in ihrer
Aeußerlichkeit auffassen und die allergrößten Kleinigkeitskrämer werden. Die
Gamasche, deren Handhabung wir als ein ausgezeichnetes Mittel zu unbedingter
Unterwerfung des Untergebenen unter den Willen des Vorgesetzten erkannt
haben, tödtet in ihrer übertriebenen Anwendung auch den Geist der Borgesetzten
und zerstört damit die Möglichkeit einer guten Leitung.

Ein General, der im vollen Sinne des Worts an der Spitze seiner
Truppen steht, kann sich leider nur sehr selten in der preußischen Armee bilden.
Das ist ein Uebelstand der laut eine Besserung des Ausbildungsmodus in der¬
selben fordert und zwar in der Art, daß neben der Ausbildung des gemeinen
Mannes auch die des Offiziers und zumal des Generals angestrebt wird, sowie
daß neben der Gamasche dem General ein Feld der Thätigkeit eröffnet und ihm
die Möglichkeit gegeben wird, seine entwickeltere» Kenntnisse und Erfahrungen
geltend zu machen. — Das ist nur möglich durch die andauernde Concentri-
rung von Truppen in einem große» Terrain, welches frei betreten und benutzt
werden kann d. h. durch Errichtung von Lagern und dazu gehörigen Manövrir-
feld. — Mit der Einführung der' Lager halten wir auch eine Verminderung
der Dienstzeit der Mannschaften der Infanterie. Artillerie und Pioniere für
zulässig, ohne dieselbe nicht. Warum, das soll nächstens entwickelt werden.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Her dig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0248] Geltcndmachen der Intelligenz der Führer zu entwickeln. Dem größer» Betriebe dieser Zweige steht der Mangel des Terrains entgegen, ein Mangel, der die Truppen in den fruchtbaren Gegenden mir ihre» Uebungen, außer in den wenigen Tagen der Manöver, ganz allein auf die Exercierplatze beschränkt. —- Für die Ausbildung des gemeinen Mannes ist dieser Uebelstand weniger fühlbar, da er vollständig in der Hand seinem vorgesetzten arbeitet, und der intelli¬ genten Leitung des letztern überall zu folgen im Stande ist, aber für die Aus¬ bildung des vorgesetzten fällt er außerordentlich ins Gewicht. Die durchaus formelle Ausbildung der Truppen läßt auch die Offiziere mit ihren ganzen An¬ schauungen nicht über dieselbe hinweg kommen, macht die höchsten Stellen zu lebendige» Repräsentanten der Ganiasche und entfernt das belebende Element des kriegerischen Geistes gerade dort, von wo es ausgehen und die Armee anregen soll. Wie jetzt im Kriege, so auch im Frieden ist der in der Blüthe seiner Jahre stehende, durch die Erfahrung gereifte und in der Kriegskunst unter¬ richtete Hauptmann oder Rittmeister der Träger der Intelligenz und der Leistung in der preußischen Armee. In der Einförmigkeit seines Lebens, in der mangelnden Anerkennung aller die Paradcdrcssur überschreitenden Bestrebungen und in >der Gewalt der von obenher auch ihn ganz unterjochenden Gamasche aber wird er mehr oder minder abgenutzt und tritt, wenn nicht vorher verabschiedet, in dieser Verfassung in die höhern Chargen. Eine Ergänzung dieser letztem findet außerdem noch aus dem Generalstab und der Adjutantur statt, aus zwei Branchen, welche in langjähriger Beschäftigung am grünen Tisch meist dem Dienst fremd werden, und dann bei dem Rücktritt in die Armee die Gamasche entweder nicht verstehe» und an ihrer Handhabung scheitern, oder aber sie nur in ihrer Aeußerlichkeit auffassen und die allergrößten Kleinigkeitskrämer werden. Die Gamasche, deren Handhabung wir als ein ausgezeichnetes Mittel zu unbedingter Unterwerfung des Untergebenen unter den Willen des Vorgesetzten erkannt haben, tödtet in ihrer übertriebenen Anwendung auch den Geist der Borgesetzten und zerstört damit die Möglichkeit einer guten Leitung. Ein General, der im vollen Sinne des Worts an der Spitze seiner Truppen steht, kann sich leider nur sehr selten in der preußischen Armee bilden. Das ist ein Uebelstand der laut eine Besserung des Ausbildungsmodus in der¬ selben fordert und zwar in der Art, daß neben der Ausbildung des gemeinen Mannes auch die des Offiziers und zumal des Generals angestrebt wird, sowie daß neben der Gamasche dem General ein Feld der Thätigkeit eröffnet und ihm die Möglichkeit gegeben wird, seine entwickeltere» Kenntnisse und Erfahrungen geltend zu machen. — Das ist nur möglich durch die andauernde Concentri- rung von Truppen in einem große» Terrain, welches frei betreten und benutzt werden kann d. h. durch Errichtung von Lagern und dazu gehörigen Manövrir- feld. — Mit der Einführung der' Lager halten wir auch eine Verminderung der Dienstzeit der Mannschaften der Infanterie. Artillerie und Pioniere für zulässig, ohne dieselbe nicht. Warum, das soll nächstens entwickelt werden. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. L. Her dig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/248>, abgerufen am 29.06.2024.