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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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ren unter großem Jubel der staunenden Volksmenge nach ihren Behausungen,
wo die Verwundeten möglichst rasch der Obsorge irgendeines -- Hausbedienter
oder auch wohl an das nächstbeste Spital übergeben wurden! Der Mohr hatte
seine Schuldigkeit gethan und konnte gehn.

Es kamen noch zwei Kanvnentransporte und mehre Abtheilungen Ver¬
wundeter. Aber die eine Sendung eiserner Kanonen wurde in Wien gar nicht
abgeladen und die andere wurde ohne altes Aufsehen und Gepränge von einer
Artillerieabtheilung übernommen und durch die Stadt in das Arsenal geführt,
ungeachtet sich dabei einige weit schönere und sehenswürdigere Stücke als bei
dem ersten Transporte befanden. Und um die neuen Verwundeten kümmerte
sich vollends gar niemand. Dieselben wurden in die Spitäler gebracht und
nur einige wirkliche Wohlthäter, welche ihre Wohlthaten ohne Aufsehen übten
und keinem patriotischen Hilfscomitö (ein Comite, welches sich schon 1839 ge¬
bildet hat, und viele nach Beachtung strebende Mitglieder hat) angehörten,
nahmen Verwundete in ihre eigene Pflege.

Noch war das Abgeschmackteste zurück. In unsern Adel ist, zumal .seit
unsere Diplomaten auf große Effecte in Deutschland bedacht sind, ein auffallen¬
des Verlangen nach prunkhaften Aufzügen und kostspieligen Festen gekommen.
Vermählungsfeste, Mvnumententhüllungen u. tgi. konnten für den Augenblick
nicht geboten werden, da es an Anlässen fehlte, Dantscste für verliehene Ver¬
fassung und Empfangsfeierlichkeiten waren unthunlich und eine Aufführung des
im vorigen Jahre zum Besten der armen Weber dreimal wiederholten Ka-
russels, wobei nebenbei bemerkt die wiener Juweliere, Friseure und Seiden¬
händler -- einige Hunderttausende und die armen Weber beinahe zehntausend
Gulden gewannen, konnte auf keinen Anklang rechnen. Und man brauchte
doch ein recht glänzendes Fest. Da hatte man, wenn man etwas für die
Verwundeten thun wollte, noch die beste Entschuldigung dafür, daß man einen
fast wahnsinnigen Luxus entfaltete und damit die immer lauter werdenden
Klagen der Bevölkerung über die zunehmende Geschästssiockung und allgemeine
Verarmung widerlegte!

Geniale Erfindung schlug zum Vortheil der Verwundeten einen gro߬
artigen Maskenball vor und diese Idee fand bei unserer Aristokratie
Anklang. Es ist allerdings eine seltsame Idee, für Verwundete zu tanzen und
so dem Wohlthätigkeitssinne durch die Bewegung der Füße Ausdruck zu geben,
aber einerseits sind derlei Vorgänge in dem vergnügungssüchtigen Wien nicht
neu und dann heiligt ja nach einer Lehre, die sich bei uns immer noch hoher Gunst
erfreut auch der Zweck die Mittel. -- Aber die Ausführung dieser Idee über¬
schritt leider das Maß des Erlaubten.

Es wurde nur eine bestimmte Zahl von Karten (et 8 si.) ausgegeben und
da fabelhafte Gerüchte über den Luxus und das Schöne, das man bei dieser


Grelizboten II- 1864. 30

ren unter großem Jubel der staunenden Volksmenge nach ihren Behausungen,
wo die Verwundeten möglichst rasch der Obsorge irgendeines — Hausbedienter
oder auch wohl an das nächstbeste Spital übergeben wurden! Der Mohr hatte
seine Schuldigkeit gethan und konnte gehn.

Es kamen noch zwei Kanvnentransporte und mehre Abtheilungen Ver¬
wundeter. Aber die eine Sendung eiserner Kanonen wurde in Wien gar nicht
abgeladen und die andere wurde ohne altes Aufsehen und Gepränge von einer
Artillerieabtheilung übernommen und durch die Stadt in das Arsenal geführt,
ungeachtet sich dabei einige weit schönere und sehenswürdigere Stücke als bei
dem ersten Transporte befanden. Und um die neuen Verwundeten kümmerte
sich vollends gar niemand. Dieselben wurden in die Spitäler gebracht und
nur einige wirkliche Wohlthäter, welche ihre Wohlthaten ohne Aufsehen übten
und keinem patriotischen Hilfscomitö (ein Comite, welches sich schon 1839 ge¬
bildet hat, und viele nach Beachtung strebende Mitglieder hat) angehörten,
nahmen Verwundete in ihre eigene Pflege.

Noch war das Abgeschmackteste zurück. In unsern Adel ist, zumal .seit
unsere Diplomaten auf große Effecte in Deutschland bedacht sind, ein auffallen¬
des Verlangen nach prunkhaften Aufzügen und kostspieligen Festen gekommen.
Vermählungsfeste, Mvnumententhüllungen u. tgi. konnten für den Augenblick
nicht geboten werden, da es an Anlässen fehlte, Dantscste für verliehene Ver¬
fassung und Empfangsfeierlichkeiten waren unthunlich und eine Aufführung des
im vorigen Jahre zum Besten der armen Weber dreimal wiederholten Ka-
russels, wobei nebenbei bemerkt die wiener Juweliere, Friseure und Seiden¬
händler — einige Hunderttausende und die armen Weber beinahe zehntausend
Gulden gewannen, konnte auf keinen Anklang rechnen. Und man brauchte
doch ein recht glänzendes Fest. Da hatte man, wenn man etwas für die
Verwundeten thun wollte, noch die beste Entschuldigung dafür, daß man einen
fast wahnsinnigen Luxus entfaltete und damit die immer lauter werdenden
Klagen der Bevölkerung über die zunehmende Geschästssiockung und allgemeine
Verarmung widerlegte!

Geniale Erfindung schlug zum Vortheil der Verwundeten einen gro߬
artigen Maskenball vor und diese Idee fand bei unserer Aristokratie
Anklang. Es ist allerdings eine seltsame Idee, für Verwundete zu tanzen und
so dem Wohlthätigkeitssinne durch die Bewegung der Füße Ausdruck zu geben,
aber einerseits sind derlei Vorgänge in dem vergnügungssüchtigen Wien nicht
neu und dann heiligt ja nach einer Lehre, die sich bei uns immer noch hoher Gunst
erfreut auch der Zweck die Mittel. — Aber die Ausführung dieser Idee über¬
schritt leider das Maß des Erlaubten.

Es wurde nur eine bestimmte Zahl von Karten (et 8 si.) ausgegeben und
da fabelhafte Gerüchte über den Luxus und das Schöne, das man bei dieser


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[0241] ren unter großem Jubel der staunenden Volksmenge nach ihren Behausungen, wo die Verwundeten möglichst rasch der Obsorge irgendeines — Hausbedienter oder auch wohl an das nächstbeste Spital übergeben wurden! Der Mohr hatte seine Schuldigkeit gethan und konnte gehn. Es kamen noch zwei Kanvnentransporte und mehre Abtheilungen Ver¬ wundeter. Aber die eine Sendung eiserner Kanonen wurde in Wien gar nicht abgeladen und die andere wurde ohne altes Aufsehen und Gepränge von einer Artillerieabtheilung übernommen und durch die Stadt in das Arsenal geführt, ungeachtet sich dabei einige weit schönere und sehenswürdigere Stücke als bei dem ersten Transporte befanden. Und um die neuen Verwundeten kümmerte sich vollends gar niemand. Dieselben wurden in die Spitäler gebracht und nur einige wirkliche Wohlthäter, welche ihre Wohlthaten ohne Aufsehen übten und keinem patriotischen Hilfscomitö (ein Comite, welches sich schon 1839 ge¬ bildet hat, und viele nach Beachtung strebende Mitglieder hat) angehörten, nahmen Verwundete in ihre eigene Pflege. Noch war das Abgeschmackteste zurück. In unsern Adel ist, zumal .seit unsere Diplomaten auf große Effecte in Deutschland bedacht sind, ein auffallen¬ des Verlangen nach prunkhaften Aufzügen und kostspieligen Festen gekommen. Vermählungsfeste, Mvnumententhüllungen u. tgi. konnten für den Augenblick nicht geboten werden, da es an Anlässen fehlte, Dantscste für verliehene Ver¬ fassung und Empfangsfeierlichkeiten waren unthunlich und eine Aufführung des im vorigen Jahre zum Besten der armen Weber dreimal wiederholten Ka- russels, wobei nebenbei bemerkt die wiener Juweliere, Friseure und Seiden¬ händler — einige Hunderttausende und die armen Weber beinahe zehntausend Gulden gewannen, konnte auf keinen Anklang rechnen. Und man brauchte doch ein recht glänzendes Fest. Da hatte man, wenn man etwas für die Verwundeten thun wollte, noch die beste Entschuldigung dafür, daß man einen fast wahnsinnigen Luxus entfaltete und damit die immer lauter werdenden Klagen der Bevölkerung über die zunehmende Geschästssiockung und allgemeine Verarmung widerlegte! Geniale Erfindung schlug zum Vortheil der Verwundeten einen gro߬ artigen Maskenball vor und diese Idee fand bei unserer Aristokratie Anklang. Es ist allerdings eine seltsame Idee, für Verwundete zu tanzen und so dem Wohlthätigkeitssinne durch die Bewegung der Füße Ausdruck zu geben, aber einerseits sind derlei Vorgänge in dem vergnügungssüchtigen Wien nicht neu und dann heiligt ja nach einer Lehre, die sich bei uns immer noch hoher Gunst erfreut auch der Zweck die Mittel. — Aber die Ausführung dieser Idee über¬ schritt leider das Maß des Erlaubten. Es wurde nur eine bestimmte Zahl von Karten (et 8 si.) ausgegeben und da fabelhafte Gerüchte über den Luxus und das Schöne, das man bei dieser Grelizboten II- 1864. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/241>, abgerufen am 23.07.2024.