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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Wochen angefangen, zu glauben, daß Preußen Gutes mit uns Vor hat, man
beginnt jetzt mehr wie je zu glauben, daß es auch die Macht besitzt, Gutes
für uns -- und das heißt immer auch, Gutes für sich -- durchzusetzen. Ob
alles, ist noch immer die Frage, aber die Hoffnung ist doch in den letzten
Tagen ungemein gesteigert worden, daß die Mühen und die Tapferkeit der
Kämpfer von Düppel nicht blos dem Ruhme des preußischen Heeres ein neues
Blatt in seinen Lorbeerkranz geflochten haben, sondern auch uns zum Heile
gereichen werden. Das Selbstgefühl der Armee ist durch Aufpflanzung des
Hohenzollernbanncrs aus den Schanzen vor Sondcrburg bedeutend gesteigert,
und diese Armee ist kein Heer von Landsknechten, mit dem man wie mit Schach¬
figuren spielt, kein Heer von Polaken und Magyaren, welches sich rauft, um
zu raufen und nebenbei ein paar hundert Orden und Medaillen zu verdienen,
fo gern eine gewisse Partei sie auf auch diesen Standpunkt herabgedrückt sehen
mag. Das preußische Volk hat für uns gekämpft, es wird weiter für uns
kämpfen und -- so hoffen wir zu Gott -- nicht gestatten, daß sein Blut für
nichts oder für Halbheiten, die so viel wie nichts sein würden, geopfert wird.

In solcher Stimmung flaggten und illuminirten, als am 19. die stolze
Siegesbotschaft eintraf, die Bürger unsrer Stadt, und in solcher Erwartung
grüßte Rendsburg vorgestern den zum Heere reisenden König. Die Worte, die
er dort gesprochen, lauteten ermuthigend. Möge er sie wahr machen, ganz
Schleswig-Holstein wird ihn dafür segnen. Jedes Patriotenhcrz wird ihm dafür
angehören für die Zukunft, angehören, wie wenn er der eigne Fürst wäre,
und ich meine Wilhelm der Befreier wäre ein schönerer Beiname für das Buch
der Geschichte als Wilhelm der Eroberer.

Einen sehr guten Eindruck hat es gemacht, daß der König den taktlosen
Dünkel des Eiscnbahndirector Louth in Rendsburg, der sich anschickte ihn mit
einer englischen Rede zu begrüßen, den Rücken zudrehte. Der Haß und die
Verachtung vor englischer Unverschämtheit ist hier wie im ganzen Lande un¬
beschreiblich. Man interpretirte die Geberde des Königs allgemein als gegen
Palmerston und Kollegen gerichtet, und man sah darin zugleich die kategorische
Edeklärung: auf deutschem Boden, Herr, wird deutsch gesprochen -- verstanden?




Wochen angefangen, zu glauben, daß Preußen Gutes mit uns Vor hat, man
beginnt jetzt mehr wie je zu glauben, daß es auch die Macht besitzt, Gutes
für uns — und das heißt immer auch, Gutes für sich — durchzusetzen. Ob
alles, ist noch immer die Frage, aber die Hoffnung ist doch in den letzten
Tagen ungemein gesteigert worden, daß die Mühen und die Tapferkeit der
Kämpfer von Düppel nicht blos dem Ruhme des preußischen Heeres ein neues
Blatt in seinen Lorbeerkranz geflochten haben, sondern auch uns zum Heile
gereichen werden. Das Selbstgefühl der Armee ist durch Aufpflanzung des
Hohenzollernbanncrs aus den Schanzen vor Sondcrburg bedeutend gesteigert,
und diese Armee ist kein Heer von Landsknechten, mit dem man wie mit Schach¬
figuren spielt, kein Heer von Polaken und Magyaren, welches sich rauft, um
zu raufen und nebenbei ein paar hundert Orden und Medaillen zu verdienen,
fo gern eine gewisse Partei sie auf auch diesen Standpunkt herabgedrückt sehen
mag. Das preußische Volk hat für uns gekämpft, es wird weiter für uns
kämpfen und — so hoffen wir zu Gott — nicht gestatten, daß sein Blut für
nichts oder für Halbheiten, die so viel wie nichts sein würden, geopfert wird.

In solcher Stimmung flaggten und illuminirten, als am 19. die stolze
Siegesbotschaft eintraf, die Bürger unsrer Stadt, und in solcher Erwartung
grüßte Rendsburg vorgestern den zum Heere reisenden König. Die Worte, die
er dort gesprochen, lauteten ermuthigend. Möge er sie wahr machen, ganz
Schleswig-Holstein wird ihn dafür segnen. Jedes Patriotenhcrz wird ihm dafür
angehören für die Zukunft, angehören, wie wenn er der eigne Fürst wäre,
und ich meine Wilhelm der Befreier wäre ein schönerer Beiname für das Buch
der Geschichte als Wilhelm der Eroberer.

Einen sehr guten Eindruck hat es gemacht, daß der König den taktlosen
Dünkel des Eiscnbahndirector Louth in Rendsburg, der sich anschickte ihn mit
einer englischen Rede zu begrüßen, den Rücken zudrehte. Der Haß und die
Verachtung vor englischer Unverschämtheit ist hier wie im ganzen Lande un¬
beschreiblich. Man interpretirte die Geberde des Königs allgemein als gegen
Palmerston und Kollegen gerichtet, und man sah darin zugleich die kategorische
Edeklärung: auf deutschem Boden, Herr, wird deutsch gesprochen — verstanden?




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[0204] Wochen angefangen, zu glauben, daß Preußen Gutes mit uns Vor hat, man beginnt jetzt mehr wie je zu glauben, daß es auch die Macht besitzt, Gutes für uns — und das heißt immer auch, Gutes für sich — durchzusetzen. Ob alles, ist noch immer die Frage, aber die Hoffnung ist doch in den letzten Tagen ungemein gesteigert worden, daß die Mühen und die Tapferkeit der Kämpfer von Düppel nicht blos dem Ruhme des preußischen Heeres ein neues Blatt in seinen Lorbeerkranz geflochten haben, sondern auch uns zum Heile gereichen werden. Das Selbstgefühl der Armee ist durch Aufpflanzung des Hohenzollernbanncrs aus den Schanzen vor Sondcrburg bedeutend gesteigert, und diese Armee ist kein Heer von Landsknechten, mit dem man wie mit Schach¬ figuren spielt, kein Heer von Polaken und Magyaren, welches sich rauft, um zu raufen und nebenbei ein paar hundert Orden und Medaillen zu verdienen, fo gern eine gewisse Partei sie auf auch diesen Standpunkt herabgedrückt sehen mag. Das preußische Volk hat für uns gekämpft, es wird weiter für uns kämpfen und — so hoffen wir zu Gott — nicht gestatten, daß sein Blut für nichts oder für Halbheiten, die so viel wie nichts sein würden, geopfert wird. In solcher Stimmung flaggten und illuminirten, als am 19. die stolze Siegesbotschaft eintraf, die Bürger unsrer Stadt, und in solcher Erwartung grüßte Rendsburg vorgestern den zum Heere reisenden König. Die Worte, die er dort gesprochen, lauteten ermuthigend. Möge er sie wahr machen, ganz Schleswig-Holstein wird ihn dafür segnen. Jedes Patriotenhcrz wird ihm dafür angehören für die Zukunft, angehören, wie wenn er der eigne Fürst wäre, und ich meine Wilhelm der Befreier wäre ein schönerer Beiname für das Buch der Geschichte als Wilhelm der Eroberer. Einen sehr guten Eindruck hat es gemacht, daß der König den taktlosen Dünkel des Eiscnbahndirector Louth in Rendsburg, der sich anschickte ihn mit einer englischen Rede zu begrüßen, den Rücken zudrehte. Der Haß und die Verachtung vor englischer Unverschämtheit ist hier wie im ganzen Lande un¬ beschreiblich. Man interpretirte die Geberde des Königs allgemein als gegen Palmerston und Kollegen gerichtet, und man sah darin zugleich die kategorische Edeklärung: auf deutschem Boden, Herr, wird deutsch gesprochen — verstanden?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/204>, abgerufen am 23.07.2024.