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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Tag vom Montage bis zum nächsten Sonntage, obgleich er eben gesagt hatte,
mit welcher Freude die Seelen diesen Tag nicht nur ein Jahr, sondern hundert
Jahre erwarten. Diese Predigt blieb mir in gutem Gedächtniß bis zu der
von dem Herrn Gott bestimmten Zeit.

Darnach kam 1751 eine kaiserliche Verordnung, daß es nicht ferner gestattet
sei. die Fahnen der verschiedenen Handwerksinnungen bei Processionen zu
gebrauchen, namentlich bei dem römischen Frohnleichnamsfeste. Ich kam den
2. Juni am Sonntage früh vor Pfingsten zum Josef Czlubek in dessen Wohnung;
er saß an der Werkstätte bei seiner Arbeit. Ich -- Jatubetz -- sprach diese
Worte zum Czlubek: "Herr Vater! Alle Pflanzen, die der himmlische Vater
nicht gepflanzet, die werden ausgereutet." Czlubek fragte, warum ich das sage?
Weil die alleinige ewige Wahrheit Herr Jesus sagt Matth. 15. 9. Aber ver¬
geblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschen-
gebote sind. So ist auch dieser Feiertag von dem Papst Urban dem Vierten
im Jqhre 1264 der Klosterjungfrau Juliana zu Lieb angeordnet, wie die
"Königin-Kirche" (KralovnÄ eirkev) davon schriebt. Czlubek. Wie lange ist es
bereits? Jakubetz. 517 Jahre.

Im selben Jahre 1781 ließ man in unserm Markte den Weg zum Kreuz
malen, und am selbe" Pfingstsamstage wurde derselbe in die Pfarrkirche ge¬
bracht, und die Fahnen der Innungen wurden aus'der Kirche herausgetragen.
Zu der Zeit war hier als Kaplan Pater Johannes Stanpavß aus Bistritz.
Er schuldete dem Josef Czlubek für zehn Maß Bier 2 Fi. 20 Kr. und schickte
am selben Tage die Hälfte dieses Geldes durch den Kirchendiener Matthäus
Schulak. Als dieser in Czlubeks Haus kam, sagte er: Herr Nachbar, ich bringe
euch von dem Herrn Kaplan die Schuld für das Bier, jedoch nur die Hälfte,
denn um das Geld ist es jetzt eine Noth, immer nimmt es um etwas ab.
Czlubek. Was geht euch ab? Schulak. Wir dürfen am Frohnleichnamsfeste
keine Maienbäume aufstellen und nicht mehr mit den Fahnen herumgehen.
Czlubek. Alle Pflanzen, die der himmlische Vater nicht gepflanzt, werden aus-
gereutet, dieses ist eine Pflanzung der Menschen so muß es vergehen. Schulak
aber sagte: Heute thun wir die Bilder des Kreuzwegs in die Kirche, und die
Zechfahnen tragen wir zur Kirche heraus -- dieser Weg wird besser dahin
passen, als jene Fahnen. Czlubek. Er wird gerade eine Kraft besitzen als wie
jene Fahnen. Schulak. Was redet ihr? Czlubek. Warum sollte ich nicht reden,
denn das ist gegen das zweite Gebot Gottes, worin es Gott streng verboten hat.
Schulak. Was ist das verboten? Czlubek. In der heiligen Bibel -- du hast
sie ja, lies darin im 2. Buch Mosis, das 20. Capitel, so wirst du es begreifen.
Schulak. Ich habe keine Augengläser. Czlubek. Neulich hast du diese selbst
zu dem kleinen Bündel Alterthümer des Kvristek nicht bedurft und auf die heilige
Schrift siehst du nicht? Da ist es leicht zu ersehen, daß bei euch der Papst in


Grcnzbote" 11. 18V4. 24

Tag vom Montage bis zum nächsten Sonntage, obgleich er eben gesagt hatte,
mit welcher Freude die Seelen diesen Tag nicht nur ein Jahr, sondern hundert
Jahre erwarten. Diese Predigt blieb mir in gutem Gedächtniß bis zu der
von dem Herrn Gott bestimmten Zeit.

Darnach kam 1751 eine kaiserliche Verordnung, daß es nicht ferner gestattet
sei. die Fahnen der verschiedenen Handwerksinnungen bei Processionen zu
gebrauchen, namentlich bei dem römischen Frohnleichnamsfeste. Ich kam den
2. Juni am Sonntage früh vor Pfingsten zum Josef Czlubek in dessen Wohnung;
er saß an der Werkstätte bei seiner Arbeit. Ich — Jatubetz — sprach diese
Worte zum Czlubek: „Herr Vater! Alle Pflanzen, die der himmlische Vater
nicht gepflanzet, die werden ausgereutet." Czlubek fragte, warum ich das sage?
Weil die alleinige ewige Wahrheit Herr Jesus sagt Matth. 15. 9. Aber ver¬
geblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschen-
gebote sind. So ist auch dieser Feiertag von dem Papst Urban dem Vierten
im Jqhre 1264 der Klosterjungfrau Juliana zu Lieb angeordnet, wie die
„Königin-Kirche" (KralovnÄ eirkev) davon schriebt. Czlubek. Wie lange ist es
bereits? Jakubetz. 517 Jahre.

Im selben Jahre 1781 ließ man in unserm Markte den Weg zum Kreuz
malen, und am selbe» Pfingstsamstage wurde derselbe in die Pfarrkirche ge¬
bracht, und die Fahnen der Innungen wurden aus'der Kirche herausgetragen.
Zu der Zeit war hier als Kaplan Pater Johannes Stanpavß aus Bistritz.
Er schuldete dem Josef Czlubek für zehn Maß Bier 2 Fi. 20 Kr. und schickte
am selben Tage die Hälfte dieses Geldes durch den Kirchendiener Matthäus
Schulak. Als dieser in Czlubeks Haus kam, sagte er: Herr Nachbar, ich bringe
euch von dem Herrn Kaplan die Schuld für das Bier, jedoch nur die Hälfte,
denn um das Geld ist es jetzt eine Noth, immer nimmt es um etwas ab.
Czlubek. Was geht euch ab? Schulak. Wir dürfen am Frohnleichnamsfeste
keine Maienbäume aufstellen und nicht mehr mit den Fahnen herumgehen.
Czlubek. Alle Pflanzen, die der himmlische Vater nicht gepflanzt, werden aus-
gereutet, dieses ist eine Pflanzung der Menschen so muß es vergehen. Schulak
aber sagte: Heute thun wir die Bilder des Kreuzwegs in die Kirche, und die
Zechfahnen tragen wir zur Kirche heraus — dieser Weg wird besser dahin
passen, als jene Fahnen. Czlubek. Er wird gerade eine Kraft besitzen als wie
jene Fahnen. Schulak. Was redet ihr? Czlubek. Warum sollte ich nicht reden,
denn das ist gegen das zweite Gebot Gottes, worin es Gott streng verboten hat.
Schulak. Was ist das verboten? Czlubek. In der heiligen Bibel — du hast
sie ja, lies darin im 2. Buch Mosis, das 20. Capitel, so wirst du es begreifen.
Schulak. Ich habe keine Augengläser. Czlubek. Neulich hast du diese selbst
zu dem kleinen Bündel Alterthümer des Kvristek nicht bedurft und auf die heilige
Schrift siehst du nicht? Da ist es leicht zu ersehen, daß bei euch der Papst in


Grcnzbote» 11. 18V4. 24
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[0193] Tag vom Montage bis zum nächsten Sonntage, obgleich er eben gesagt hatte, mit welcher Freude die Seelen diesen Tag nicht nur ein Jahr, sondern hundert Jahre erwarten. Diese Predigt blieb mir in gutem Gedächtniß bis zu der von dem Herrn Gott bestimmten Zeit. Darnach kam 1751 eine kaiserliche Verordnung, daß es nicht ferner gestattet sei. die Fahnen der verschiedenen Handwerksinnungen bei Processionen zu gebrauchen, namentlich bei dem römischen Frohnleichnamsfeste. Ich kam den 2. Juni am Sonntage früh vor Pfingsten zum Josef Czlubek in dessen Wohnung; er saß an der Werkstätte bei seiner Arbeit. Ich — Jatubetz — sprach diese Worte zum Czlubek: „Herr Vater! Alle Pflanzen, die der himmlische Vater nicht gepflanzet, die werden ausgereutet." Czlubek fragte, warum ich das sage? Weil die alleinige ewige Wahrheit Herr Jesus sagt Matth. 15. 9. Aber ver¬ geblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschen- gebote sind. So ist auch dieser Feiertag von dem Papst Urban dem Vierten im Jqhre 1264 der Klosterjungfrau Juliana zu Lieb angeordnet, wie die „Königin-Kirche" (KralovnÄ eirkev) davon schriebt. Czlubek. Wie lange ist es bereits? Jakubetz. 517 Jahre. Im selben Jahre 1781 ließ man in unserm Markte den Weg zum Kreuz malen, und am selbe» Pfingstsamstage wurde derselbe in die Pfarrkirche ge¬ bracht, und die Fahnen der Innungen wurden aus'der Kirche herausgetragen. Zu der Zeit war hier als Kaplan Pater Johannes Stanpavß aus Bistritz. Er schuldete dem Josef Czlubek für zehn Maß Bier 2 Fi. 20 Kr. und schickte am selben Tage die Hälfte dieses Geldes durch den Kirchendiener Matthäus Schulak. Als dieser in Czlubeks Haus kam, sagte er: Herr Nachbar, ich bringe euch von dem Herrn Kaplan die Schuld für das Bier, jedoch nur die Hälfte, denn um das Geld ist es jetzt eine Noth, immer nimmt es um etwas ab. Czlubek. Was geht euch ab? Schulak. Wir dürfen am Frohnleichnamsfeste keine Maienbäume aufstellen und nicht mehr mit den Fahnen herumgehen. Czlubek. Alle Pflanzen, die der himmlische Vater nicht gepflanzt, werden aus- gereutet, dieses ist eine Pflanzung der Menschen so muß es vergehen. Schulak aber sagte: Heute thun wir die Bilder des Kreuzwegs in die Kirche, und die Zechfahnen tragen wir zur Kirche heraus — dieser Weg wird besser dahin passen, als jene Fahnen. Czlubek. Er wird gerade eine Kraft besitzen als wie jene Fahnen. Schulak. Was redet ihr? Czlubek. Warum sollte ich nicht reden, denn das ist gegen das zweite Gebot Gottes, worin es Gott streng verboten hat. Schulak. Was ist das verboten? Czlubek. In der heiligen Bibel — du hast sie ja, lies darin im 2. Buch Mosis, das 20. Capitel, so wirst du es begreifen. Schulak. Ich habe keine Augengläser. Czlubek. Neulich hast du diese selbst zu dem kleinen Bündel Alterthümer des Kvristek nicht bedurft und auf die heilige Schrift siehst du nicht? Da ist es leicht zu ersehen, daß bei euch der Papst in Grcnzbote» 11. 18V4. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/193>, abgerufen am 23.07.2024.