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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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damals noch von einer zahlreichen und wohlhabenden Bürgerschaft besetzt. Wahr¬
scheinlich erschien dort, oder in der Nähe, einige Jahrzehnte nach dem .Kriege
die folgende Flugschrift: Schnfftmäßiges Gespräche. Von einem Buchbinder,
so in der Stadt Schweidnitz wohnhafftig gewesen, den man sonst den kleinen
Pommer genannt, weil er derselben Nation gebürtig gewest, so er Sprachweise
gehalten mit einem Jesuiten. -- Zu dienender Nachricht von neuen hervorgesucht.
Gedruckt rü diesem Jahr (etwa 1680) 8. (1 Bogen). -

Wie der kleine Pommer gesprochen, wird hier wortgetreu mit einigen Ver¬
kürzungen und mit schonender Annäherung an die Sprache des neunzehnten
Jahrhunderts berichtet.

Als der Stadt Schweidnitz ihre Kirche genommen worden, war auf dem
Lande draußen ein Dorf, Schwenkfeld genannt, allwo ein Theil der Schweid-
nitzer noch eine Weile in die Kirche gehen konnte. Dort hals ein Buchbinder,
der kleine Pommer genannt, cantoriren und singen. Nun wurden in der Stadt
alle Zünfte auf das Rathhaus gefordert und ihnen anbefohlen, wer in der
Stadt bleiben wollte, der müßte zu dem Jesuiten gehen und sich bei demselben
informiren lassen. Wie das nun oben gemeldeten Buchbinder angesagt wird,
so spricht er: "Was soll ich die Stadt meiden? das thue ich nicht; ich habe
einmal der Stadt geschworen, dabei will ich meine Ehre, Gut und Leben zu¬
setzen und soll mich niemand heraustreiben." -- AIs er nun wegen seines
Ungehorsames verklagt wird, so schicken die Herren des Raths zu ihm und
lassen ihn holen; sie reden ihm scharf zu und befehlen ihm: Wenn er in der
Stadt bleiben wollte, so sollte er zu dem Jesuiten gehen und sich informiren
lassen. Er aber spricht: "Wenn ich also gehen muß, er wird mich nicht anders
machen als ich bin. Kann er mich bekehren, so soll er es thun, oder ich will
ihn bekehren. Doch dieweil es meine Herren so haben wollen, so will ich hin¬
gehen und hören, was er sagen wird."

Indem er aus der Rathsstube geht, ist ein abgefallener Seiler mit im
Rathe, der steht auf vom Tische und geht mit ihm heraus und redet mit ihm
auss Vertraulichste, er sollte doch nur dem folgen, was man ihm Gutes rathe,
er, Seiler, hätte vorhin auch gemeint, er wäre auf dem rechten Wege, nunmehro
finde er aber ein ganz andcrMcht, das ihm den Himmel bringen werde. Der Buch¬
binder sagte: "Schweig stille, mein lieber Bruder, du verstehst dich viel besser
darauf ein gut Brunnenscil zu machen, als auf die Religion," und geht fort.

Als er rinn in das Jesuitenhaus kommt, steht ein Junge vor der Stuben¬
thüre, zu dem spricht der Buchbinder: "Ist der Herr Pater zu Hause?" Der
Junge antwortet: "Ja, er ruhet ein wenig." Denn es war im heißen Sommer,
Buchbinder. Sage mich bei ihm an, Junges! Junge. El wartet nur ein
wenig, seine Ruhestunde wird bald aus sein. Buchbinder. Was warten,


damals noch von einer zahlreichen und wohlhabenden Bürgerschaft besetzt. Wahr¬
scheinlich erschien dort, oder in der Nähe, einige Jahrzehnte nach dem .Kriege
die folgende Flugschrift: Schnfftmäßiges Gespräche. Von einem Buchbinder,
so in der Stadt Schweidnitz wohnhafftig gewesen, den man sonst den kleinen
Pommer genannt, weil er derselben Nation gebürtig gewest, so er Sprachweise
gehalten mit einem Jesuiten. — Zu dienender Nachricht von neuen hervorgesucht.
Gedruckt rü diesem Jahr (etwa 1680) 8. (1 Bogen). -

Wie der kleine Pommer gesprochen, wird hier wortgetreu mit einigen Ver¬
kürzungen und mit schonender Annäherung an die Sprache des neunzehnten
Jahrhunderts berichtet.

Als der Stadt Schweidnitz ihre Kirche genommen worden, war auf dem
Lande draußen ein Dorf, Schwenkfeld genannt, allwo ein Theil der Schweid-
nitzer noch eine Weile in die Kirche gehen konnte. Dort hals ein Buchbinder,
der kleine Pommer genannt, cantoriren und singen. Nun wurden in der Stadt
alle Zünfte auf das Rathhaus gefordert und ihnen anbefohlen, wer in der
Stadt bleiben wollte, der müßte zu dem Jesuiten gehen und sich bei demselben
informiren lassen. Wie das nun oben gemeldeten Buchbinder angesagt wird,
so spricht er: „Was soll ich die Stadt meiden? das thue ich nicht; ich habe
einmal der Stadt geschworen, dabei will ich meine Ehre, Gut und Leben zu¬
setzen und soll mich niemand heraustreiben." — AIs er nun wegen seines
Ungehorsames verklagt wird, so schicken die Herren des Raths zu ihm und
lassen ihn holen; sie reden ihm scharf zu und befehlen ihm: Wenn er in der
Stadt bleiben wollte, so sollte er zu dem Jesuiten gehen und sich informiren
lassen. Er aber spricht: „Wenn ich also gehen muß, er wird mich nicht anders
machen als ich bin. Kann er mich bekehren, so soll er es thun, oder ich will
ihn bekehren. Doch dieweil es meine Herren so haben wollen, so will ich hin¬
gehen und hören, was er sagen wird."

Indem er aus der Rathsstube geht, ist ein abgefallener Seiler mit im
Rathe, der steht auf vom Tische und geht mit ihm heraus und redet mit ihm
auss Vertraulichste, er sollte doch nur dem folgen, was man ihm Gutes rathe,
er, Seiler, hätte vorhin auch gemeint, er wäre auf dem rechten Wege, nunmehro
finde er aber ein ganz andcrMcht, das ihm den Himmel bringen werde. Der Buch¬
binder sagte: „Schweig stille, mein lieber Bruder, du verstehst dich viel besser
darauf ein gut Brunnenscil zu machen, als auf die Religion," und geht fort.

Als er rinn in das Jesuitenhaus kommt, steht ein Junge vor der Stuben¬
thüre, zu dem spricht der Buchbinder: „Ist der Herr Pater zu Hause?" Der
Junge antwortet: „Ja, er ruhet ein wenig." Denn es war im heißen Sommer,
Buchbinder. Sage mich bei ihm an, Junges! Junge. El wartet nur ein
wenig, seine Ruhestunde wird bald aus sein. Buchbinder. Was warten,


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[0186] damals noch von einer zahlreichen und wohlhabenden Bürgerschaft besetzt. Wahr¬ scheinlich erschien dort, oder in der Nähe, einige Jahrzehnte nach dem .Kriege die folgende Flugschrift: Schnfftmäßiges Gespräche. Von einem Buchbinder, so in der Stadt Schweidnitz wohnhafftig gewesen, den man sonst den kleinen Pommer genannt, weil er derselben Nation gebürtig gewest, so er Sprachweise gehalten mit einem Jesuiten. — Zu dienender Nachricht von neuen hervorgesucht. Gedruckt rü diesem Jahr (etwa 1680) 8. (1 Bogen). - Wie der kleine Pommer gesprochen, wird hier wortgetreu mit einigen Ver¬ kürzungen und mit schonender Annäherung an die Sprache des neunzehnten Jahrhunderts berichtet. Als der Stadt Schweidnitz ihre Kirche genommen worden, war auf dem Lande draußen ein Dorf, Schwenkfeld genannt, allwo ein Theil der Schweid- nitzer noch eine Weile in die Kirche gehen konnte. Dort hals ein Buchbinder, der kleine Pommer genannt, cantoriren und singen. Nun wurden in der Stadt alle Zünfte auf das Rathhaus gefordert und ihnen anbefohlen, wer in der Stadt bleiben wollte, der müßte zu dem Jesuiten gehen und sich bei demselben informiren lassen. Wie das nun oben gemeldeten Buchbinder angesagt wird, so spricht er: „Was soll ich die Stadt meiden? das thue ich nicht; ich habe einmal der Stadt geschworen, dabei will ich meine Ehre, Gut und Leben zu¬ setzen und soll mich niemand heraustreiben." — AIs er nun wegen seines Ungehorsames verklagt wird, so schicken die Herren des Raths zu ihm und lassen ihn holen; sie reden ihm scharf zu und befehlen ihm: Wenn er in der Stadt bleiben wollte, so sollte er zu dem Jesuiten gehen und sich informiren lassen. Er aber spricht: „Wenn ich also gehen muß, er wird mich nicht anders machen als ich bin. Kann er mich bekehren, so soll er es thun, oder ich will ihn bekehren. Doch dieweil es meine Herren so haben wollen, so will ich hin¬ gehen und hören, was er sagen wird." Indem er aus der Rathsstube geht, ist ein abgefallener Seiler mit im Rathe, der steht auf vom Tische und geht mit ihm heraus und redet mit ihm auss Vertraulichste, er sollte doch nur dem folgen, was man ihm Gutes rathe, er, Seiler, hätte vorhin auch gemeint, er wäre auf dem rechten Wege, nunmehro finde er aber ein ganz andcrMcht, das ihm den Himmel bringen werde. Der Buch¬ binder sagte: „Schweig stille, mein lieber Bruder, du verstehst dich viel besser darauf ein gut Brunnenscil zu machen, als auf die Religion," und geht fort. Als er rinn in das Jesuitenhaus kommt, steht ein Junge vor der Stuben¬ thüre, zu dem spricht der Buchbinder: „Ist der Herr Pater zu Hause?" Der Junge antwortet: „Ja, er ruhet ein wenig." Denn es war im heißen Sommer, Buchbinder. Sage mich bei ihm an, Junges! Junge. El wartet nur ein wenig, seine Ruhestunde wird bald aus sein. Buchbinder. Was warten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/186>, abgerufen am 23.07.2024.