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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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daß seine technische Ausführung im Jahr 1445 selbst die Bilder der Niederländer
weit übertraf, und daß, als er sich später in Venedig niederließ, er der Kunst
der Vivarini und Bellini einen neuen Impuls verlieh. Sie entnahmen ihm
den Gebrauch des Oel-Bindemittel,'er aber lernte von ihnen einiges von der
deutschen kleinlichen Sorgfalt und Trockenheit abstreifen, die er sich ange¬
eignet hatte.

So trugen die van Eyck und Memling durch Antonello von Messina zu
jener Vollkommenheit der Technik bei, welche dem Pinsel eines Titian und
Giorgione unsterbliche Schönheit verlieh.

Aber wie entstand die Oelmalerei der Florentiner? wurde auch in Toscana
der große Umschwung der Malerei durch die Niederländer vermittelt? Ein neuer
Geist in Religion wie in Kunst und Wissenschaft erhob das fünfzehnte Jahr¬
hundert. Katharma von Siena stand fast allein mit dem zärtlich gepflegten Wahn,
sie sei zum Werkzeug erkoren, das Papstthum auf seinen Höhepunkt zu führen,
damit es von Neuem die Böller der Erde leite. Die fromme Begeisterung der
vergangenen Jahre, die Dante und Giotto unvergeßlich machten, war erstorben.
Literatur und Kunst suchten im fünfzehnten Jahrhundert ihre Ideale in den
Tempeln und Marktplätzen des alten Roms und Griechenlands.

In dem Anschauen der Antike verloren, fragte sich wohl der Künstler nach
den Lebensverhältnissen, unter denen solche Schönheit entstanden und Dona-
tello ging so weit, Gestalten und Situationen der hellenischen Zeit nachzubilden.
Die religiös-e Schule Giottos und Duccios erlosch oder flüchtete sich in die
Klöster; und während Angelico feine weiche" und lieblichen Bilder entwarf, trat
neben ihm ein Geschlecht anderer Künstler mit neuen Eigenschaften auf, das
sich zum Ziel setzte, die Natur von ihrer realistischen Seite aufzufassen.
Biblische Gegenstände, die noch immer die Hauptquelle künstlicher Produktionen
bildeten, wurden von diesen Talenten genreartig behandelt und die Anbetung
der Weisen oder der Zug zum Calvarienberg diente ihnen zur Abspiegelung
des tägliche" Lebens von Toscana.

Aber das dazumal herrschende System der teiurM-u Malerei war für eine
leichte Darstellung des Details nicht günstig und infolge dessen entstand wohl
bei Naturalisten und Realisten der florentinischen Schule das Bestreben, ein
Medium ausfindig zu machen, das ihrer Kunstrichtung besser entsprach.

Vasari behauptet freilich, daß diese Versuche erfolglos geblieben seien, er
speist uns mit einer Erzählung ab. nach welcher Domenico Veniziano mit Anto¬
nello Von Messina in Venedig bekannt geworden sei, nachdem dieser aus den
Niederlanden zurückgekehrt war. Dieselben Mittel d. h. Zuvorkommenheit und
Höflichkeit, von denen man glaubt, daß der Sicilianer sie van Eyck gegenüber
gebraucht habe, sollen auch von Domenico angewendet worden sein, um seinem
Freund das Geheimniß des Oelmalens zu entlocken. Unglücklicherweise wird


daß seine technische Ausführung im Jahr 1445 selbst die Bilder der Niederländer
weit übertraf, und daß, als er sich später in Venedig niederließ, er der Kunst
der Vivarini und Bellini einen neuen Impuls verlieh. Sie entnahmen ihm
den Gebrauch des Oel-Bindemittel,'er aber lernte von ihnen einiges von der
deutschen kleinlichen Sorgfalt und Trockenheit abstreifen, die er sich ange¬
eignet hatte.

So trugen die van Eyck und Memling durch Antonello von Messina zu
jener Vollkommenheit der Technik bei, welche dem Pinsel eines Titian und
Giorgione unsterbliche Schönheit verlieh.

Aber wie entstand die Oelmalerei der Florentiner? wurde auch in Toscana
der große Umschwung der Malerei durch die Niederländer vermittelt? Ein neuer
Geist in Religion wie in Kunst und Wissenschaft erhob das fünfzehnte Jahr¬
hundert. Katharma von Siena stand fast allein mit dem zärtlich gepflegten Wahn,
sie sei zum Werkzeug erkoren, das Papstthum auf seinen Höhepunkt zu führen,
damit es von Neuem die Böller der Erde leite. Die fromme Begeisterung der
vergangenen Jahre, die Dante und Giotto unvergeßlich machten, war erstorben.
Literatur und Kunst suchten im fünfzehnten Jahrhundert ihre Ideale in den
Tempeln und Marktplätzen des alten Roms und Griechenlands.

In dem Anschauen der Antike verloren, fragte sich wohl der Künstler nach
den Lebensverhältnissen, unter denen solche Schönheit entstanden und Dona-
tello ging so weit, Gestalten und Situationen der hellenischen Zeit nachzubilden.
Die religiös-e Schule Giottos und Duccios erlosch oder flüchtete sich in die
Klöster; und während Angelico feine weiche» und lieblichen Bilder entwarf, trat
neben ihm ein Geschlecht anderer Künstler mit neuen Eigenschaften auf, das
sich zum Ziel setzte, die Natur von ihrer realistischen Seite aufzufassen.
Biblische Gegenstände, die noch immer die Hauptquelle künstlicher Produktionen
bildeten, wurden von diesen Talenten genreartig behandelt und die Anbetung
der Weisen oder der Zug zum Calvarienberg diente ihnen zur Abspiegelung
des tägliche» Lebens von Toscana.

Aber das dazumal herrschende System der teiurM-u Malerei war für eine
leichte Darstellung des Details nicht günstig und infolge dessen entstand wohl
bei Naturalisten und Realisten der florentinischen Schule das Bestreben, ein
Medium ausfindig zu machen, das ihrer Kunstrichtung besser entsprach.

Vasari behauptet freilich, daß diese Versuche erfolglos geblieben seien, er
speist uns mit einer Erzählung ab. nach welcher Domenico Veniziano mit Anto¬
nello Von Messina in Venedig bekannt geworden sei, nachdem dieser aus den
Niederlanden zurückgekehrt war. Dieselben Mittel d. h. Zuvorkommenheit und
Höflichkeit, von denen man glaubt, daß der Sicilianer sie van Eyck gegenüber
gebraucht habe, sollen auch von Domenico angewendet worden sein, um seinem
Freund das Geheimniß des Oelmalens zu entlocken. Unglücklicherweise wird


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[0174] daß seine technische Ausführung im Jahr 1445 selbst die Bilder der Niederländer weit übertraf, und daß, als er sich später in Venedig niederließ, er der Kunst der Vivarini und Bellini einen neuen Impuls verlieh. Sie entnahmen ihm den Gebrauch des Oel-Bindemittel,'er aber lernte von ihnen einiges von der deutschen kleinlichen Sorgfalt und Trockenheit abstreifen, die er sich ange¬ eignet hatte. So trugen die van Eyck und Memling durch Antonello von Messina zu jener Vollkommenheit der Technik bei, welche dem Pinsel eines Titian und Giorgione unsterbliche Schönheit verlieh. Aber wie entstand die Oelmalerei der Florentiner? wurde auch in Toscana der große Umschwung der Malerei durch die Niederländer vermittelt? Ein neuer Geist in Religion wie in Kunst und Wissenschaft erhob das fünfzehnte Jahr¬ hundert. Katharma von Siena stand fast allein mit dem zärtlich gepflegten Wahn, sie sei zum Werkzeug erkoren, das Papstthum auf seinen Höhepunkt zu führen, damit es von Neuem die Böller der Erde leite. Die fromme Begeisterung der vergangenen Jahre, die Dante und Giotto unvergeßlich machten, war erstorben. Literatur und Kunst suchten im fünfzehnten Jahrhundert ihre Ideale in den Tempeln und Marktplätzen des alten Roms und Griechenlands. In dem Anschauen der Antike verloren, fragte sich wohl der Künstler nach den Lebensverhältnissen, unter denen solche Schönheit entstanden und Dona- tello ging so weit, Gestalten und Situationen der hellenischen Zeit nachzubilden. Die religiös-e Schule Giottos und Duccios erlosch oder flüchtete sich in die Klöster; und während Angelico feine weiche» und lieblichen Bilder entwarf, trat neben ihm ein Geschlecht anderer Künstler mit neuen Eigenschaften auf, das sich zum Ziel setzte, die Natur von ihrer realistischen Seite aufzufassen. Biblische Gegenstände, die noch immer die Hauptquelle künstlicher Produktionen bildeten, wurden von diesen Talenten genreartig behandelt und die Anbetung der Weisen oder der Zug zum Calvarienberg diente ihnen zur Abspiegelung des tägliche» Lebens von Toscana. Aber das dazumal herrschende System der teiurM-u Malerei war für eine leichte Darstellung des Details nicht günstig und infolge dessen entstand wohl bei Naturalisten und Realisten der florentinischen Schule das Bestreben, ein Medium ausfindig zu machen, das ihrer Kunstrichtung besser entsprach. Vasari behauptet freilich, daß diese Versuche erfolglos geblieben seien, er speist uns mit einer Erzählung ab. nach welcher Domenico Veniziano mit Anto¬ nello Von Messina in Venedig bekannt geworden sei, nachdem dieser aus den Niederlanden zurückgekehrt war. Dieselben Mittel d. h. Zuvorkommenheit und Höflichkeit, von denen man glaubt, daß der Sicilianer sie van Eyck gegenüber gebraucht habe, sollen auch von Domenico angewendet worden sein, um seinem Freund das Geheimniß des Oelmalens zu entlocken. Unglücklicherweise wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/174>, abgerufen am 23.07.2024.