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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Hier soll zuerst erörtert werden, was die neuesten Untersuchungen über
das Leben der italienischen Maler ermittelt haben, denen die Neuerungen
größtentheils zu verdanken sind. Dann werden die Veränderungen in der
Technik selbst dargestellt.

Es ist allgemein zugestanden, daß sich die van Eycks durch allmälige Ver¬
besserungen folgende Fertigkeiten aneigneten. "Sie mischten die Substanz, die
man sonst nur als künstlichen Firniß zu tsmpei-g, Bildern benutzte, unter die
Farben selbst, milderten die Zähigkeit jenes Firnisses durch bis dahin unbekannte
Mittel und verwandelten ihn aus einem braunen, dunklen und klebrigen in
ein verhältnißmäßig blasses und farbloses Bindemittel."

Diese Annahme ist nicht neu, das Leben der van Eyck ist ausführlich und
erfolgreich beschrieben worden. Von den technischen Mitteln des Antonello da
Messina hingegen kann nicht dasselbe gesagt werden, auch von seinem Leben
liegt noch vieles im Dunkel. Deshalb erbitten wir die Geduld der Leser bei
Erörterung einiger Punkte, die mit der Ausbildung seines Talents und seiner
Künstlerlaufbahn in enger Verbindung stehen. Antonello ist nach übereinstim¬
menden Zeugnissen in den ersten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts zu
Messina geboren, er stammte aus einer Familie, welche sich durch mehre Ge¬
nerationen mit Malerei beschäftigt hatte. Dies ist in Italien durchaus nichts
Ungewöhnliches und es ist uns z. B. bekannt, daß Cosimo Rossellis Vater,
Onkel und Großonkel demselben Beruf gefolgt waren. Aber über die Kunst
der Vorfahren Antonellos wissen wir allerdings nichts Näheres.

Vasari behauptet, Antonello habe in Rom studirt. Dies ist wahrscheinlich
ein Irrthum. Theilt man aber den Jugendjahren des Malers irgendeines jener
tempera Bilder zu. die man noch jetzt im Innern von Sicilien antrifft, so muß
man allerdings auch annehmen, daß er den Vorbildern, die ihm in Mittelitalien
zugänglich waren, nicht fremd geblieben ist. Daß ihn späterhin der Reiz der
niederländischen Methode angezogen hat, wäre natürlich genug, wenn wir be¬
weisen könnten, daß er mit eignen Augen die Pracht schaute, womit Alfonso von
Arragonien sein Hoflager in Palermo umgab; denn Alfonso beschützte Kunst
und Wissenschaft und zeigte seine Vorliebe nicht nur für die Meisterwerke der
großen Florentiner, sondern auch für die besten Erzeugnisse der Niederländer.
Mehr als einmal ward ihm Gelegenheit, die Bilder Fra Filippo Lippis zu
bewundern, die ihm durch die schmeichelhafte, wenn auch nicht immer uneigen¬
nützige Zuvorkommenheit der Medici übersandt wurden, und oft fand er Ver¬
gnügen in dem Ankauf der Tafeln, die von der sorgfältigen Hand van Eycks
oder van der Weytens herstammten. Es ist ferner möglich, daß Antonello mit
dem Hof in Neapel in Verbindung stand, der noch höhere Ansprüche auf Kunst¬
geschmack machte, als der Hof in Palermo. Denn der bedeutendste Fürst dieses
Hauses, Robert der Weise, .trat als Freund und Schutzherr von Cavallini und


21*

Hier soll zuerst erörtert werden, was die neuesten Untersuchungen über
das Leben der italienischen Maler ermittelt haben, denen die Neuerungen
größtentheils zu verdanken sind. Dann werden die Veränderungen in der
Technik selbst dargestellt.

Es ist allgemein zugestanden, daß sich die van Eycks durch allmälige Ver¬
besserungen folgende Fertigkeiten aneigneten. „Sie mischten die Substanz, die
man sonst nur als künstlichen Firniß zu tsmpei-g, Bildern benutzte, unter die
Farben selbst, milderten die Zähigkeit jenes Firnisses durch bis dahin unbekannte
Mittel und verwandelten ihn aus einem braunen, dunklen und klebrigen in
ein verhältnißmäßig blasses und farbloses Bindemittel."

Diese Annahme ist nicht neu, das Leben der van Eyck ist ausführlich und
erfolgreich beschrieben worden. Von den technischen Mitteln des Antonello da
Messina hingegen kann nicht dasselbe gesagt werden, auch von seinem Leben
liegt noch vieles im Dunkel. Deshalb erbitten wir die Geduld der Leser bei
Erörterung einiger Punkte, die mit der Ausbildung seines Talents und seiner
Künstlerlaufbahn in enger Verbindung stehen. Antonello ist nach übereinstim¬
menden Zeugnissen in den ersten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts zu
Messina geboren, er stammte aus einer Familie, welche sich durch mehre Ge¬
nerationen mit Malerei beschäftigt hatte. Dies ist in Italien durchaus nichts
Ungewöhnliches und es ist uns z. B. bekannt, daß Cosimo Rossellis Vater,
Onkel und Großonkel demselben Beruf gefolgt waren. Aber über die Kunst
der Vorfahren Antonellos wissen wir allerdings nichts Näheres.

Vasari behauptet, Antonello habe in Rom studirt. Dies ist wahrscheinlich
ein Irrthum. Theilt man aber den Jugendjahren des Malers irgendeines jener
tempera Bilder zu. die man noch jetzt im Innern von Sicilien antrifft, so muß
man allerdings auch annehmen, daß er den Vorbildern, die ihm in Mittelitalien
zugänglich waren, nicht fremd geblieben ist. Daß ihn späterhin der Reiz der
niederländischen Methode angezogen hat, wäre natürlich genug, wenn wir be¬
weisen könnten, daß er mit eignen Augen die Pracht schaute, womit Alfonso von
Arragonien sein Hoflager in Palermo umgab; denn Alfonso beschützte Kunst
und Wissenschaft und zeigte seine Vorliebe nicht nur für die Meisterwerke der
großen Florentiner, sondern auch für die besten Erzeugnisse der Niederländer.
Mehr als einmal ward ihm Gelegenheit, die Bilder Fra Filippo Lippis zu
bewundern, die ihm durch die schmeichelhafte, wenn auch nicht immer uneigen¬
nützige Zuvorkommenheit der Medici übersandt wurden, und oft fand er Ver¬
gnügen in dem Ankauf der Tafeln, die von der sorgfältigen Hand van Eycks
oder van der Weytens herstammten. Es ist ferner möglich, daß Antonello mit
dem Hof in Neapel in Verbindung stand, der noch höhere Ansprüche auf Kunst¬
geschmack machte, als der Hof in Palermo. Denn der bedeutendste Fürst dieses
Hauses, Robert der Weise, .trat als Freund und Schutzherr von Cavallini und


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[0171] Hier soll zuerst erörtert werden, was die neuesten Untersuchungen über das Leben der italienischen Maler ermittelt haben, denen die Neuerungen größtentheils zu verdanken sind. Dann werden die Veränderungen in der Technik selbst dargestellt. Es ist allgemein zugestanden, daß sich die van Eycks durch allmälige Ver¬ besserungen folgende Fertigkeiten aneigneten. „Sie mischten die Substanz, die man sonst nur als künstlichen Firniß zu tsmpei-g, Bildern benutzte, unter die Farben selbst, milderten die Zähigkeit jenes Firnisses durch bis dahin unbekannte Mittel und verwandelten ihn aus einem braunen, dunklen und klebrigen in ein verhältnißmäßig blasses und farbloses Bindemittel." Diese Annahme ist nicht neu, das Leben der van Eyck ist ausführlich und erfolgreich beschrieben worden. Von den technischen Mitteln des Antonello da Messina hingegen kann nicht dasselbe gesagt werden, auch von seinem Leben liegt noch vieles im Dunkel. Deshalb erbitten wir die Geduld der Leser bei Erörterung einiger Punkte, die mit der Ausbildung seines Talents und seiner Künstlerlaufbahn in enger Verbindung stehen. Antonello ist nach übereinstim¬ menden Zeugnissen in den ersten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts zu Messina geboren, er stammte aus einer Familie, welche sich durch mehre Ge¬ nerationen mit Malerei beschäftigt hatte. Dies ist in Italien durchaus nichts Ungewöhnliches und es ist uns z. B. bekannt, daß Cosimo Rossellis Vater, Onkel und Großonkel demselben Beruf gefolgt waren. Aber über die Kunst der Vorfahren Antonellos wissen wir allerdings nichts Näheres. Vasari behauptet, Antonello habe in Rom studirt. Dies ist wahrscheinlich ein Irrthum. Theilt man aber den Jugendjahren des Malers irgendeines jener tempera Bilder zu. die man noch jetzt im Innern von Sicilien antrifft, so muß man allerdings auch annehmen, daß er den Vorbildern, die ihm in Mittelitalien zugänglich waren, nicht fremd geblieben ist. Daß ihn späterhin der Reiz der niederländischen Methode angezogen hat, wäre natürlich genug, wenn wir be¬ weisen könnten, daß er mit eignen Augen die Pracht schaute, womit Alfonso von Arragonien sein Hoflager in Palermo umgab; denn Alfonso beschützte Kunst und Wissenschaft und zeigte seine Vorliebe nicht nur für die Meisterwerke der großen Florentiner, sondern auch für die besten Erzeugnisse der Niederländer. Mehr als einmal ward ihm Gelegenheit, die Bilder Fra Filippo Lippis zu bewundern, die ihm durch die schmeichelhafte, wenn auch nicht immer uneigen¬ nützige Zuvorkommenheit der Medici übersandt wurden, und oft fand er Ver¬ gnügen in dem Ankauf der Tafeln, die von der sorgfältigen Hand van Eycks oder van der Weytens herstammten. Es ist ferner möglich, daß Antonello mit dem Hof in Neapel in Verbindung stand, der noch höhere Ansprüche auf Kunst¬ geschmack machte, als der Hof in Palermo. Denn der bedeutendste Fürst dieses Hauses, Robert der Weise, .trat als Freund und Schutzherr von Cavallini und 21*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/171>, abgerufen am 23.07.2024.