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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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deren vermuthlich noch einige mehr gegeben haben, wenn Kiel einen eigentlichen
Pöbel hätte. Wie die Sachen stehen, genügte die Warnung der Polizei, die
an den Ecken zu lesen ist, und die weißen Binden der Bürger, die sich zu frei¬
willigen Constablern constituirten, um die Ordnung herzustellen.

Wir begreifen die Entrüstung, die sich auf diese Weise Luft machte, voll¬
ständig, und wir würden es selbst begreifen, wenn größerer Schade geschehen
wäre, als dieser, den der Glaser zu heilen im Stande ist. Indeß werfen solche
Ausbrüche immer einen gewissen Makel auf unsere Sache, und da die Gegner
dergleichen zu benutzen Pflegen, um von Einschüchterung zu reden, so ist es gut,
wenn dem Lynchen ein Riegel vorgeschoben wird. Zudem sind die Dänenfreunde
in Kiel so wenig zahlreich, daß man sie auf ein Lindenblatt schreiben könnte,
und für etwaige Aeußerungen ihrer Gesinnung straft sie die allgemeine Ver¬
achtung vorläufig in vollkommen hinreichendem Maße.

Dies gilt auch von Baron BIvme, der, wegen seiner Erklärung gegen die
Stände von allen Seiten und am besten von einem einfachen bäuerlichen Ab¬
geordneten zurecht gewiesen, in einer zweiten Aeußerung sein landesfeindliches
Betragen zu rechtfertigen und als echten unverfälschten Patriotismus darzustellen
versuchte. Nach dieser neuen Expectoration hätte der Baron lediglich das Wohl
des Landes vor Augen, und dies wäre für ihn bedingt durch die Fortdauer
der engen Verbindung Schleswigs mit Holstein. "Es giebt keinen Winkel aus
der Erde," fährt der Patriot von Heiligenstctten emphatisch fort, "der dunkel
genug sein würde, meine Scham zu verbergen, wenn ich je vergessen könnte,
daß Schleswig und Holstein immer dasselbe Schicksal theilen sollen." Und da
er nun fürchtet, daß Schleswig durch die Bestrebungen des "Prätendenten",
dessen Berechtigung ihm übrigens durchaus nicht erwiesen zu sein scheint, von
Holstein abgerissen werden könnte, so würde er "es für eine elende Schwachheit
halten"....

Genug der heuchlerischen Phrasen. Ich gebe mir nicht die Mühe, der¬
gleichen Redensarten zu widerlegen. Es genüge, zu constatiren, daß sie nie¬
mand, als bestenfalls der Baron selbst und sein Anhang.unter den Feudalen
glaubt, und daß auch die Mittheilung über das Primogeniturstatut in der
"Kreuzzeitung". welche das zarte staatsrechtliche Gewissen Blomes in Brillant¬
feuerwerk zu zeigen bestimmt war, kläglich verpuffte, nachdem man entdeckt, daß
der Beweis, der damit gefühlt werden sollte, sich aus eine Auslassung gerade
des wichtigsten Satzes des Statuts gründete.

Wie Juristen eine solche Auslassung nennen, lassen wir hier dahingestellt.
Daß ein solches Manöver unter anständigen Leuten üblich sei, können nur die
Leser des würdigen Blattes behaupten wollen. Hier ist nur eine Stimme
darüber, und die lautet nicht ermuthigend für weitere Versuche, den Schleswig-
Holsteinern Staatsrecht zu lehren,


deren vermuthlich noch einige mehr gegeben haben, wenn Kiel einen eigentlichen
Pöbel hätte. Wie die Sachen stehen, genügte die Warnung der Polizei, die
an den Ecken zu lesen ist, und die weißen Binden der Bürger, die sich zu frei¬
willigen Constablern constituirten, um die Ordnung herzustellen.

Wir begreifen die Entrüstung, die sich auf diese Weise Luft machte, voll¬
ständig, und wir würden es selbst begreifen, wenn größerer Schade geschehen
wäre, als dieser, den der Glaser zu heilen im Stande ist. Indeß werfen solche
Ausbrüche immer einen gewissen Makel auf unsere Sache, und da die Gegner
dergleichen zu benutzen Pflegen, um von Einschüchterung zu reden, so ist es gut,
wenn dem Lynchen ein Riegel vorgeschoben wird. Zudem sind die Dänenfreunde
in Kiel so wenig zahlreich, daß man sie auf ein Lindenblatt schreiben könnte,
und für etwaige Aeußerungen ihrer Gesinnung straft sie die allgemeine Ver¬
achtung vorläufig in vollkommen hinreichendem Maße.

Dies gilt auch von Baron BIvme, der, wegen seiner Erklärung gegen die
Stände von allen Seiten und am besten von einem einfachen bäuerlichen Ab¬
geordneten zurecht gewiesen, in einer zweiten Aeußerung sein landesfeindliches
Betragen zu rechtfertigen und als echten unverfälschten Patriotismus darzustellen
versuchte. Nach dieser neuen Expectoration hätte der Baron lediglich das Wohl
des Landes vor Augen, und dies wäre für ihn bedingt durch die Fortdauer
der engen Verbindung Schleswigs mit Holstein. „Es giebt keinen Winkel aus
der Erde," fährt der Patriot von Heiligenstctten emphatisch fort, „der dunkel
genug sein würde, meine Scham zu verbergen, wenn ich je vergessen könnte,
daß Schleswig und Holstein immer dasselbe Schicksal theilen sollen." Und da
er nun fürchtet, daß Schleswig durch die Bestrebungen des „Prätendenten",
dessen Berechtigung ihm übrigens durchaus nicht erwiesen zu sein scheint, von
Holstein abgerissen werden könnte, so würde er „es für eine elende Schwachheit
halten"....

Genug der heuchlerischen Phrasen. Ich gebe mir nicht die Mühe, der¬
gleichen Redensarten zu widerlegen. Es genüge, zu constatiren, daß sie nie¬
mand, als bestenfalls der Baron selbst und sein Anhang.unter den Feudalen
glaubt, und daß auch die Mittheilung über das Primogeniturstatut in der
„Kreuzzeitung". welche das zarte staatsrechtliche Gewissen Blomes in Brillant¬
feuerwerk zu zeigen bestimmt war, kläglich verpuffte, nachdem man entdeckt, daß
der Beweis, der damit gefühlt werden sollte, sich aus eine Auslassung gerade
des wichtigsten Satzes des Statuts gründete.

Wie Juristen eine solche Auslassung nennen, lassen wir hier dahingestellt.
Daß ein solches Manöver unter anständigen Leuten üblich sei, können nur die
Leser des würdigen Blattes behaupten wollen. Hier ist nur eine Stimme
darüber, und die lautet nicht ermuthigend für weitere Versuche, den Schleswig-
Holsteinern Staatsrecht zu lehren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/166>, abgerufen am 23.07.2024.