Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sie sonnen besser sein als die flüchtig angelegten; aber nicht die Fortificationen,
sondern der Geist, der sie belebt, bildet die Kraft der Festungen.

Die Armee freilich muß den Ansprüchen genügen, welche Güte und Festig¬
keit der eventuell feindlichen Armeen fordern, damit die Entscheidung in der
Schlacht gesichert sei. In Preußen z. B. ein sogenanntes Vvlkshccr einführen
zu wollen. -- worunter wir allerdings nicht ein Heer verstehen, dessen Infan¬
terie zweijährige Dienstzeit hat -- würde Selbstmord sein, so lange Rußland und
Frankreich noch in ihrer jetzigen Verfassung leben und die Armee als die
alleinigen Stützen ihrer Macht ansehen. Einer in fester Disciplin erzogenen
Armee sind nur ebenso geschulte Feinde ebenbürtig, an ihrer stählernen Kraft
bricht sich jede Begeisterung, die nicht durch Zucht gebändigt ist. Doch davon
ein ander Mal.

Mittelst anzulegender Verschanzungen soll man jede durch die Umstände
geforderte Stellung zu einer festen Position machen, soll man die schwachen
Punkte einer Linie in starke verwandeln und alle Vortheile der Fortification
überall zur Anwendung bringen können. So soll also der Tirailleur in einer
Gefechtslinie sich den Punkt auswählen, welcher ihm den besten Schuß gewährt
und sich dort fortisicatorisch, also z. B. mittelst eines Schützengrabens eingraben,
oder sich durch einen Erdhaufen decken, oder mittelst eines Baumstammes, einer
Laubwand einen gedeckten " Stand verschaffen u. s. w. - - Ist ihm das nicht
gelehrt, so macht er es umgekehrt, er sucht sich den besten Schutz für seine
Person und läßt es darauf ankommen, was ihm in den Schuß kommt. -- Ent¬
sprechend ist es im Großen, wenn die Armee die Schanzen nicht gewöhnt ist;
dann sucht man nicht beherrschende, sondern schützende Stellungen, man giebt
mehr auf ein Hinderniß vor der Front als auf ein gutes Schußfeld, man sucht
Positionen statt den Feind. Man sucht seine Basis auf den vorhandenen
Festungen, statt die Orte, welche für den gerade vorliegenden Gefe/Htszweck die
wichtigsten sind, schnell zu befestigen und diese zu vertheidigen. -- Man legt
Festungen an, statt jeden Ort nur im Nothfall so weit zu befestigen, als der
Krieg eben fordert.

Die Verschanzungskunst macht die Truppe freier vom Terrain und gestattet
um so viel mehr Berücksichtigung des Feindes, der doch das Object aller Kriegs¬
handlungen sein soll. Dieser Vortheil wird noch dadurch unterstützt, daß die
geübte Schanzkunst dem Soldaten auch die Anleitung giebt sich jede Lage be¬
quemer zu machen, nicht nur durch die größere Sicherstellung, sondern auch
durch eine Art häuslicher Anlagen. Spaten und Axt stoppeln überall eine
Hütte zusammen, schaffen Brennmaterial und Wasser. Je wohnlicher sich der
Soldat einrichten kann, je besser erhält er seine Gesundheit, je länger verträgt
er die Strapatzen ^es Krieges.

Also der Soldat müßte schon zu seiner eignen Erhaltung ebensogut wie


sie sonnen besser sein als die flüchtig angelegten; aber nicht die Fortificationen,
sondern der Geist, der sie belebt, bildet die Kraft der Festungen.

Die Armee freilich muß den Ansprüchen genügen, welche Güte und Festig¬
keit der eventuell feindlichen Armeen fordern, damit die Entscheidung in der
Schlacht gesichert sei. In Preußen z. B. ein sogenanntes Vvlkshccr einführen
zu wollen. — worunter wir allerdings nicht ein Heer verstehen, dessen Infan¬
terie zweijährige Dienstzeit hat — würde Selbstmord sein, so lange Rußland und
Frankreich noch in ihrer jetzigen Verfassung leben und die Armee als die
alleinigen Stützen ihrer Macht ansehen. Einer in fester Disciplin erzogenen
Armee sind nur ebenso geschulte Feinde ebenbürtig, an ihrer stählernen Kraft
bricht sich jede Begeisterung, die nicht durch Zucht gebändigt ist. Doch davon
ein ander Mal.

Mittelst anzulegender Verschanzungen soll man jede durch die Umstände
geforderte Stellung zu einer festen Position machen, soll man die schwachen
Punkte einer Linie in starke verwandeln und alle Vortheile der Fortification
überall zur Anwendung bringen können. So soll also der Tirailleur in einer
Gefechtslinie sich den Punkt auswählen, welcher ihm den besten Schuß gewährt
und sich dort fortisicatorisch, also z. B. mittelst eines Schützengrabens eingraben,
oder sich durch einen Erdhaufen decken, oder mittelst eines Baumstammes, einer
Laubwand einen gedeckten " Stand verschaffen u. s. w. - - Ist ihm das nicht
gelehrt, so macht er es umgekehrt, er sucht sich den besten Schutz für seine
Person und läßt es darauf ankommen, was ihm in den Schuß kommt. — Ent¬
sprechend ist es im Großen, wenn die Armee die Schanzen nicht gewöhnt ist;
dann sucht man nicht beherrschende, sondern schützende Stellungen, man giebt
mehr auf ein Hinderniß vor der Front als auf ein gutes Schußfeld, man sucht
Positionen statt den Feind. Man sucht seine Basis auf den vorhandenen
Festungen, statt die Orte, welche für den gerade vorliegenden Gefe/Htszweck die
wichtigsten sind, schnell zu befestigen und diese zu vertheidigen. — Man legt
Festungen an, statt jeden Ort nur im Nothfall so weit zu befestigen, als der
Krieg eben fordert.

Die Verschanzungskunst macht die Truppe freier vom Terrain und gestattet
um so viel mehr Berücksichtigung des Feindes, der doch das Object aller Kriegs¬
handlungen sein soll. Dieser Vortheil wird noch dadurch unterstützt, daß die
geübte Schanzkunst dem Soldaten auch die Anleitung giebt sich jede Lage be¬
quemer zu machen, nicht nur durch die größere Sicherstellung, sondern auch
durch eine Art häuslicher Anlagen. Spaten und Axt stoppeln überall eine
Hütte zusammen, schaffen Brennmaterial und Wasser. Je wohnlicher sich der
Soldat einrichten kann, je besser erhält er seine Gesundheit, je länger verträgt
er die Strapatzen ^es Krieges.

Also der Soldat müßte schon zu seiner eignen Erhaltung ebensogut wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188721"/>
          <p xml:id="ID_528" prev="#ID_527"> sie sonnen besser sein als die flüchtig angelegten; aber nicht die Fortificationen,<lb/>
sondern der Geist, der sie belebt, bildet die Kraft der Festungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_529"> Die Armee freilich muß den Ansprüchen genügen, welche Güte und Festig¬<lb/>
keit der eventuell feindlichen Armeen fordern, damit die Entscheidung in der<lb/>
Schlacht gesichert sei. In Preußen z. B. ein sogenanntes Vvlkshccr einführen<lb/>
zu wollen. &#x2014; worunter wir allerdings nicht ein Heer verstehen, dessen Infan¬<lb/>
terie zweijährige Dienstzeit hat &#x2014; würde Selbstmord sein, so lange Rußland und<lb/>
Frankreich noch in ihrer jetzigen Verfassung leben und die Armee als die<lb/>
alleinigen Stützen ihrer Macht ansehen. Einer in fester Disciplin erzogenen<lb/>
Armee sind nur ebenso geschulte Feinde ebenbürtig, an ihrer stählernen Kraft<lb/>
bricht sich jede Begeisterung, die nicht durch Zucht gebändigt ist. Doch davon<lb/>
ein ander Mal.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_530"> Mittelst anzulegender Verschanzungen soll man jede durch die Umstände<lb/>
geforderte Stellung zu einer festen Position machen, soll man die schwachen<lb/>
Punkte einer Linie in starke verwandeln und alle Vortheile der Fortification<lb/>
überall zur Anwendung bringen können. So soll also der Tirailleur in einer<lb/>
Gefechtslinie sich den Punkt auswählen, welcher ihm den besten Schuß gewährt<lb/>
und sich dort fortisicatorisch, also z. B. mittelst eines Schützengrabens eingraben,<lb/>
oder sich durch einen Erdhaufen decken, oder mittelst eines Baumstammes, einer<lb/>
Laubwand einen gedeckten " Stand verschaffen u. s. w. - - Ist ihm das nicht<lb/>
gelehrt, so macht er es umgekehrt, er sucht sich den besten Schutz für seine<lb/>
Person und läßt es darauf ankommen, was ihm in den Schuß kommt. &#x2014; Ent¬<lb/>
sprechend ist es im Großen, wenn die Armee die Schanzen nicht gewöhnt ist;<lb/>
dann sucht man nicht beherrschende, sondern schützende Stellungen, man giebt<lb/>
mehr auf ein Hinderniß vor der Front als auf ein gutes Schußfeld, man sucht<lb/>
Positionen statt den Feind. Man sucht seine Basis auf den vorhandenen<lb/>
Festungen, statt die Orte, welche für den gerade vorliegenden Gefe/Htszweck die<lb/>
wichtigsten sind, schnell zu befestigen und diese zu vertheidigen. &#x2014; Man legt<lb/>
Festungen an, statt jeden Ort nur im Nothfall so weit zu befestigen, als der<lb/>
Krieg eben fordert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_531"> Die Verschanzungskunst macht die Truppe freier vom Terrain und gestattet<lb/>
um so viel mehr Berücksichtigung des Feindes, der doch das Object aller Kriegs¬<lb/>
handlungen sein soll. Dieser Vortheil wird noch dadurch unterstützt, daß die<lb/>
geübte Schanzkunst dem Soldaten auch die Anleitung giebt sich jede Lage be¬<lb/>
quemer zu machen, nicht nur durch die größere Sicherstellung, sondern auch<lb/>
durch eine Art häuslicher Anlagen. Spaten und Axt stoppeln überall eine<lb/>
Hütte zusammen, schaffen Brennmaterial und Wasser. Je wohnlicher sich der<lb/>
Soldat einrichten kann, je besser erhält er seine Gesundheit, je länger verträgt<lb/>
er die Strapatzen ^es Krieges.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> Also der Soldat müßte schon zu seiner eignen Erhaltung ebensogut wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] sie sonnen besser sein als die flüchtig angelegten; aber nicht die Fortificationen, sondern der Geist, der sie belebt, bildet die Kraft der Festungen. Die Armee freilich muß den Ansprüchen genügen, welche Güte und Festig¬ keit der eventuell feindlichen Armeen fordern, damit die Entscheidung in der Schlacht gesichert sei. In Preußen z. B. ein sogenanntes Vvlkshccr einführen zu wollen. — worunter wir allerdings nicht ein Heer verstehen, dessen Infan¬ terie zweijährige Dienstzeit hat — würde Selbstmord sein, so lange Rußland und Frankreich noch in ihrer jetzigen Verfassung leben und die Armee als die alleinigen Stützen ihrer Macht ansehen. Einer in fester Disciplin erzogenen Armee sind nur ebenso geschulte Feinde ebenbürtig, an ihrer stählernen Kraft bricht sich jede Begeisterung, die nicht durch Zucht gebändigt ist. Doch davon ein ander Mal. Mittelst anzulegender Verschanzungen soll man jede durch die Umstände geforderte Stellung zu einer festen Position machen, soll man die schwachen Punkte einer Linie in starke verwandeln und alle Vortheile der Fortification überall zur Anwendung bringen können. So soll also der Tirailleur in einer Gefechtslinie sich den Punkt auswählen, welcher ihm den besten Schuß gewährt und sich dort fortisicatorisch, also z. B. mittelst eines Schützengrabens eingraben, oder sich durch einen Erdhaufen decken, oder mittelst eines Baumstammes, einer Laubwand einen gedeckten " Stand verschaffen u. s. w. - - Ist ihm das nicht gelehrt, so macht er es umgekehrt, er sucht sich den besten Schutz für seine Person und läßt es darauf ankommen, was ihm in den Schuß kommt. — Ent¬ sprechend ist es im Großen, wenn die Armee die Schanzen nicht gewöhnt ist; dann sucht man nicht beherrschende, sondern schützende Stellungen, man giebt mehr auf ein Hinderniß vor der Front als auf ein gutes Schußfeld, man sucht Positionen statt den Feind. Man sucht seine Basis auf den vorhandenen Festungen, statt die Orte, welche für den gerade vorliegenden Gefe/Htszweck die wichtigsten sind, schnell zu befestigen und diese zu vertheidigen. — Man legt Festungen an, statt jeden Ort nur im Nothfall so weit zu befestigen, als der Krieg eben fordert. Die Verschanzungskunst macht die Truppe freier vom Terrain und gestattet um so viel mehr Berücksichtigung des Feindes, der doch das Object aller Kriegs¬ handlungen sein soll. Dieser Vortheil wird noch dadurch unterstützt, daß die geübte Schanzkunst dem Soldaten auch die Anleitung giebt sich jede Lage be¬ quemer zu machen, nicht nur durch die größere Sicherstellung, sondern auch durch eine Art häuslicher Anlagen. Spaten und Axt stoppeln überall eine Hütte zusammen, schaffen Brennmaterial und Wasser. Je wohnlicher sich der Soldat einrichten kann, je besser erhält er seine Gesundheit, je länger verträgt er die Strapatzen ^es Krieges. Also der Soldat müßte schon zu seiner eignen Erhaltung ebensogut wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/160>, abgerufen am 23.07.2024.