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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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versagen, daß er ein Herz für Deutschland gehabt hat. daß er sich nicht, wie
mancher andere von denen, die sich deutsche Fürsten nennen, den Ideen und
Forderungen des nationalen Lebens völlig verschloß, daß, wenn auch die Kraft
zur Ausführung mangelte und vielleicht die Einsicht, die zur Wahl besserer
Mittel erforderlich war, der König doch von einem höheren, edleren Streben
beseelt gewesen ist. Sicherlich wäre es nicht ganz gerecht, von ihm das Wort
Steins über Ludwig den Ersten zu wiederholen, "daß seine deutsche Gesinnung
an den blauweißen Grenzpfählen auch ihre Grenze gefunden habe."

Uebrigens dürfen wir auch das nicht vergessen, daß die Anschauungen,
welche die deutsche Politik des Königs Max bestimmten, durchweg mit den
Gesinnungen eines sehr großen, wohl des größten Theils der Bevölkerung
Bayerns im vollsten Einklange standen. Denn es giebt kein Land unter den
Staaten des deutschen Bundes, dessen Bewohner eifriger und zäher festhalten
an ihrer staatlichen Selbständigkeit, als Bayern. Es wird großer, erschütternder
Ereignisse bedürfen, bis dieses Land an der Durchführung der deutschen Ein¬
heitsidee einen thätigen Antheil nimmt.

Wenn König Max in dieser politischen Anschauung an der Spitze seines
Volkes stand, so hat er sich doch nie dazu verstanden, als ein Mittel, die staat¬
liche Selbständigkeit Bayerns aufrecht zu erhalten, auch jene Abschließung gegen
alle die belebenden Einwirkungen des übrigen Deutschlands und seiner geistigen
Bewegungen zu betrachten, welche, zumal in den alten Provinzen Bayerns, so
viele Anhänger und Vertheidiger zählt.

Als die Hauptaufgabe seines Lebens, welche er, wenn auch durch den
Tod frühzeitig abgerufen, doch im Wesentlichen gelöst hat, sah er das Ziel
vor sich, den Strömungen des geistigen Lebens Deutschlands in Bayern
Eingang zu eröffnen, der deutschen Wissenschaft in seinem Lande eine glän¬
zende Stätte zu bereiten. Wie kein jetzt lebender deutscher Fürst mehr als
König Ludwig die Kunst, so hat keiner mehr als sein Sohn die Wissenschaft
gefördert. Aber wie weit verschieden von einander sind die Bestrebungen der
beiden Könige! Bei Ludwig dem Ersten war es die Liebhaberei des reichen
und hochgebildeten Dilettanten, die eine stattliche Reihe bedeutender Kunstwerke,
großentheils zur Zierde der Hauptstadt, alle im Zusammenhange mit der poli'
dischen, kirchlichen, ästhetischen Richtung des Erbauers und Förderers hervorrief.
Von Maximilian dem Zweiten hingegen durfte Döllinger mit Recht sagen: er
habe die Wissenschaft nicht mit dem Auge des Gelehrten und nicht mit dem
des Dilettanten, sondern mit dem Auge des Königs betrachtet. Keine specielle
Liebhaberei fand Begünstigung, sondern die Gesammtheit der Wissenschaften
galt dem Könige als ein untrennbares, unauflöslich zusammengehörendes Ganze
und so erkannte er daß die Förderung der Wissenschaft in dem Sinne, in
dem er sie sich vorgesetzt hatte, nur eine Pflege des ganzen Baumes mersch-


versagen, daß er ein Herz für Deutschland gehabt hat. daß er sich nicht, wie
mancher andere von denen, die sich deutsche Fürsten nennen, den Ideen und
Forderungen des nationalen Lebens völlig verschloß, daß, wenn auch die Kraft
zur Ausführung mangelte und vielleicht die Einsicht, die zur Wahl besserer
Mittel erforderlich war, der König doch von einem höheren, edleren Streben
beseelt gewesen ist. Sicherlich wäre es nicht ganz gerecht, von ihm das Wort
Steins über Ludwig den Ersten zu wiederholen, „daß seine deutsche Gesinnung
an den blauweißen Grenzpfählen auch ihre Grenze gefunden habe."

Uebrigens dürfen wir auch das nicht vergessen, daß die Anschauungen,
welche die deutsche Politik des Königs Max bestimmten, durchweg mit den
Gesinnungen eines sehr großen, wohl des größten Theils der Bevölkerung
Bayerns im vollsten Einklange standen. Denn es giebt kein Land unter den
Staaten des deutschen Bundes, dessen Bewohner eifriger und zäher festhalten
an ihrer staatlichen Selbständigkeit, als Bayern. Es wird großer, erschütternder
Ereignisse bedürfen, bis dieses Land an der Durchführung der deutschen Ein¬
heitsidee einen thätigen Antheil nimmt.

Wenn König Max in dieser politischen Anschauung an der Spitze seines
Volkes stand, so hat er sich doch nie dazu verstanden, als ein Mittel, die staat¬
liche Selbständigkeit Bayerns aufrecht zu erhalten, auch jene Abschließung gegen
alle die belebenden Einwirkungen des übrigen Deutschlands und seiner geistigen
Bewegungen zu betrachten, welche, zumal in den alten Provinzen Bayerns, so
viele Anhänger und Vertheidiger zählt.

Als die Hauptaufgabe seines Lebens, welche er, wenn auch durch den
Tod frühzeitig abgerufen, doch im Wesentlichen gelöst hat, sah er das Ziel
vor sich, den Strömungen des geistigen Lebens Deutschlands in Bayern
Eingang zu eröffnen, der deutschen Wissenschaft in seinem Lande eine glän¬
zende Stätte zu bereiten. Wie kein jetzt lebender deutscher Fürst mehr als
König Ludwig die Kunst, so hat keiner mehr als sein Sohn die Wissenschaft
gefördert. Aber wie weit verschieden von einander sind die Bestrebungen der
beiden Könige! Bei Ludwig dem Ersten war es die Liebhaberei des reichen
und hochgebildeten Dilettanten, die eine stattliche Reihe bedeutender Kunstwerke,
großentheils zur Zierde der Hauptstadt, alle im Zusammenhange mit der poli'
dischen, kirchlichen, ästhetischen Richtung des Erbauers und Förderers hervorrief.
Von Maximilian dem Zweiten hingegen durfte Döllinger mit Recht sagen: er
habe die Wissenschaft nicht mit dem Auge des Gelehrten und nicht mit dem
des Dilettanten, sondern mit dem Auge des Königs betrachtet. Keine specielle
Liebhaberei fand Begünstigung, sondern die Gesammtheit der Wissenschaften
galt dem Könige als ein untrennbares, unauflöslich zusammengehörendes Ganze
und so erkannte er daß die Förderung der Wissenschaft in dem Sinne, in
dem er sie sich vorgesetzt hatte, nur eine Pflege des ganzen Baumes mersch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/154>, abgerufen am 23.07.2024.