Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

an Hannover gerichtet war, vom Grafen Platen auf den Weg alles Fleisches,
d. h. an den Bund verwiesen wurde, belehrte Howard Se. Excellenz folgender
Maßen: "der Bund sei nichts als eine Versammlung deutscher Gesandten, welche
nach den Specialinstructionen der einzelnen Mächte zu handeln hätten, und es
sei herkömmliche Praxis aller Regierungen, ihre Vorschläge für den Bund an
diese einzelnen Cabinete zu richten, um ihre Zustimmung zu erlangen. Und
wenn eine Regierung wie die Großbritanniens an die Hannovers eine in aller
Form der Courtoisie gehaltene Mittheilung solcher Art richte, deren Annahme
die Vermeidung eines europäischen Krieges herbeizuführen geeignet sei, so sei
man zu der Erwartung berechtigt, daß dieselbe nicht durch eine bloße Ver¬
weisung an den Bund zur Seite geschoben, sondern vielmehr zum Gegenstande
ernster Erwägung gemacht werden werde!" In solcher Weise machte der englische
Gesandte dem Minister einer deutschen "Macht" den Standpunkt klar. Graf
Platen machte nicht sofort Gebrauch von dieser Unterweisung. Er ließ sogar ab¬
gerissene Worte fallen, die den Abgrund der Ketzerei, in welch" er gerathen
war, noch deutlicher offenbarten. Er sprach von Nützlichkeit eines Bundeslrieges.
von Revision des londoner Vertrags und dergleichen mehr. Als Howard ihm
härter zusetzte und namentlich auf die Chancen des Verhaltens hinwies, welches
der Bund in Holstein gegen Dänemark beobachten müsse, falls die Anerkennung
Herzog Friedrichs für dieses Herzogthum erfolgte, blieb der Rückfall in die alte
"Correctheit" nicht aus und Platen gab zu, daß Russells Vorschläge "logisch"
seien. Allein die durch die jüngste französische Depesche gestärkte Schlußfolgerung,
daß Hannover diesem Vorschlage zustimmen solle, siel wieder auf steinigen Boden*).

Mit der Majvristrung des Bundes vom 14. Januar durch Oestreich und
Preußen in der schleswigschen Frage und mit dem, was darauf folgte, endigt
die Hauptbedeutung Hannovers in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit. Zu
bemerken ist nur, daß obwohl Hannover gegen den preußisch-östreichischen An¬
trag gestimmt hatte, es den preußischen Truppentransporten durchs Königreich kein
Hinderniß in den Weg legte und daß Graf Platen sich beeilte, dem englischen
Gesandten mitzutheilen, daß die damals landläufige entgegengesetze Behauptung
auf Unwahrheit beruhte. Denn es ist nicht blos gut, gerecht zu sein, sondern
auch es zu scheinen. Diese Maxime lag wahrscheinlich auch der Thatsache zu
Grunde, daß Graf Platen von den damals an die hannöversche Regierung
gerichteten Kundgebungen seitens Herzog Friedrichs "keine Notiz nahm".



') Interessant für die Beurtheilung des Machtgefühls am Bunde ist, daß Graf Platen
in Betreff der Frage wegen Besetzung des rendsburgcr Kronwerks und der Dörfer jenseits
der Eider dem englischen Gesandten die Versicherung gab- "die Sache sei den Buudes-
commissärcn anheimgestellt". Zur Ehre des deutschen Namens wollen wir indeß hoffen, daß
der Herr Graf hier aus "Correctheit" des Guten zu viel gethan hat.

an Hannover gerichtet war, vom Grafen Platen auf den Weg alles Fleisches,
d. h. an den Bund verwiesen wurde, belehrte Howard Se. Excellenz folgender
Maßen: „der Bund sei nichts als eine Versammlung deutscher Gesandten, welche
nach den Specialinstructionen der einzelnen Mächte zu handeln hätten, und es
sei herkömmliche Praxis aller Regierungen, ihre Vorschläge für den Bund an
diese einzelnen Cabinete zu richten, um ihre Zustimmung zu erlangen. Und
wenn eine Regierung wie die Großbritanniens an die Hannovers eine in aller
Form der Courtoisie gehaltene Mittheilung solcher Art richte, deren Annahme
die Vermeidung eines europäischen Krieges herbeizuführen geeignet sei, so sei
man zu der Erwartung berechtigt, daß dieselbe nicht durch eine bloße Ver¬
weisung an den Bund zur Seite geschoben, sondern vielmehr zum Gegenstande
ernster Erwägung gemacht werden werde!" In solcher Weise machte der englische
Gesandte dem Minister einer deutschen „Macht" den Standpunkt klar. Graf
Platen machte nicht sofort Gebrauch von dieser Unterweisung. Er ließ sogar ab¬
gerissene Worte fallen, die den Abgrund der Ketzerei, in welch« er gerathen
war, noch deutlicher offenbarten. Er sprach von Nützlichkeit eines Bundeslrieges.
von Revision des londoner Vertrags und dergleichen mehr. Als Howard ihm
härter zusetzte und namentlich auf die Chancen des Verhaltens hinwies, welches
der Bund in Holstein gegen Dänemark beobachten müsse, falls die Anerkennung
Herzog Friedrichs für dieses Herzogthum erfolgte, blieb der Rückfall in die alte
„Correctheit" nicht aus und Platen gab zu, daß Russells Vorschläge „logisch"
seien. Allein die durch die jüngste französische Depesche gestärkte Schlußfolgerung,
daß Hannover diesem Vorschlage zustimmen solle, siel wieder auf steinigen Boden*).

Mit der Majvristrung des Bundes vom 14. Januar durch Oestreich und
Preußen in der schleswigschen Frage und mit dem, was darauf folgte, endigt
die Hauptbedeutung Hannovers in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit. Zu
bemerken ist nur, daß obwohl Hannover gegen den preußisch-östreichischen An¬
trag gestimmt hatte, es den preußischen Truppentransporten durchs Königreich kein
Hinderniß in den Weg legte und daß Graf Platen sich beeilte, dem englischen
Gesandten mitzutheilen, daß die damals landläufige entgegengesetze Behauptung
auf Unwahrheit beruhte. Denn es ist nicht blos gut, gerecht zu sein, sondern
auch es zu scheinen. Diese Maxime lag wahrscheinlich auch der Thatsache zu
Grunde, daß Graf Platen von den damals an die hannöversche Regierung
gerichteten Kundgebungen seitens Herzog Friedrichs „keine Notiz nahm".



') Interessant für die Beurtheilung des Machtgefühls am Bunde ist, daß Graf Platen
in Betreff der Frage wegen Besetzung des rendsburgcr Kronwerks und der Dörfer jenseits
der Eider dem englischen Gesandten die Versicherung gab- „die Sache sei den Buudes-
commissärcn anheimgestellt". Zur Ehre des deutschen Namens wollen wir indeß hoffen, daß
der Herr Graf hier aus „Correctheit" des Guten zu viel gethan hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188701"/>
          <p xml:id="ID_471" prev="#ID_470"> an Hannover gerichtet war, vom Grafen Platen auf den Weg alles Fleisches,<lb/>
d. h. an den Bund verwiesen wurde, belehrte Howard Se. Excellenz folgender<lb/>
Maßen: &#x201E;der Bund sei nichts als eine Versammlung deutscher Gesandten, welche<lb/>
nach den Specialinstructionen der einzelnen Mächte zu handeln hätten, und es<lb/>
sei herkömmliche Praxis aller Regierungen, ihre Vorschläge für den Bund an<lb/>
diese einzelnen Cabinete zu richten, um ihre Zustimmung zu erlangen. Und<lb/>
wenn eine Regierung wie die Großbritanniens an die Hannovers eine in aller<lb/>
Form der Courtoisie gehaltene Mittheilung solcher Art richte, deren Annahme<lb/>
die Vermeidung eines europäischen Krieges herbeizuführen geeignet sei, so sei<lb/>
man zu der Erwartung berechtigt, daß dieselbe nicht durch eine bloße Ver¬<lb/>
weisung an den Bund zur Seite geschoben, sondern vielmehr zum Gegenstande<lb/>
ernster Erwägung gemacht werden werde!" In solcher Weise machte der englische<lb/>
Gesandte dem Minister einer deutschen &#x201E;Macht" den Standpunkt klar. Graf<lb/>
Platen machte nicht sofort Gebrauch von dieser Unterweisung. Er ließ sogar ab¬<lb/>
gerissene Worte fallen, die den Abgrund der Ketzerei, in welch« er gerathen<lb/>
war, noch deutlicher offenbarten. Er sprach von Nützlichkeit eines Bundeslrieges.<lb/>
von Revision des londoner Vertrags und dergleichen mehr. Als Howard ihm<lb/>
härter zusetzte und namentlich auf die Chancen des Verhaltens hinwies, welches<lb/>
der Bund in Holstein gegen Dänemark beobachten müsse, falls die Anerkennung<lb/>
Herzog Friedrichs für dieses Herzogthum erfolgte, blieb der Rückfall in die alte<lb/>
&#x201E;Correctheit" nicht aus und Platen gab zu, daß Russells Vorschläge &#x201E;logisch"<lb/>
seien. Allein die durch die jüngste französische Depesche gestärkte Schlußfolgerung,<lb/>
daß Hannover diesem Vorschlage zustimmen solle, siel wieder auf steinigen Boden*).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_472"> Mit der Majvristrung des Bundes vom 14. Januar durch Oestreich und<lb/>
Preußen in der schleswigschen Frage und mit dem, was darauf folgte, endigt<lb/>
die Hauptbedeutung Hannovers in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit. Zu<lb/>
bemerken ist nur, daß obwohl Hannover gegen den preußisch-östreichischen An¬<lb/>
trag gestimmt hatte, es den preußischen Truppentransporten durchs Königreich kein<lb/>
Hinderniß in den Weg legte und daß Graf Platen sich beeilte, dem englischen<lb/>
Gesandten mitzutheilen, daß die damals landläufige entgegengesetze Behauptung<lb/>
auf Unwahrheit beruhte. Denn es ist nicht blos gut, gerecht zu sein, sondern<lb/>
auch es zu scheinen. Diese Maxime lag wahrscheinlich auch der Thatsache zu<lb/>
Grunde, daß Graf Platen von den damals an die hannöversche Regierung<lb/>
gerichteten Kundgebungen seitens Herzog Friedrichs &#x201E;keine Notiz nahm".</p><lb/>
          <note xml:id="FID_5" place="foot"> ') Interessant für die Beurtheilung des Machtgefühls am Bunde ist, daß Graf Platen<lb/>
in Betreff der Frage wegen Besetzung des rendsburgcr Kronwerks und der Dörfer jenseits<lb/>
der Eider dem englischen Gesandten die Versicherung gab- &#x201E;die Sache sei den Buudes-<lb/>
commissärcn anheimgestellt". Zur Ehre des deutschen Namens wollen wir indeß hoffen, daß<lb/>
der Herr Graf hier aus &#x201E;Correctheit" des Guten zu viel gethan hat.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0140] an Hannover gerichtet war, vom Grafen Platen auf den Weg alles Fleisches, d. h. an den Bund verwiesen wurde, belehrte Howard Se. Excellenz folgender Maßen: „der Bund sei nichts als eine Versammlung deutscher Gesandten, welche nach den Specialinstructionen der einzelnen Mächte zu handeln hätten, und es sei herkömmliche Praxis aller Regierungen, ihre Vorschläge für den Bund an diese einzelnen Cabinete zu richten, um ihre Zustimmung zu erlangen. Und wenn eine Regierung wie die Großbritanniens an die Hannovers eine in aller Form der Courtoisie gehaltene Mittheilung solcher Art richte, deren Annahme die Vermeidung eines europäischen Krieges herbeizuführen geeignet sei, so sei man zu der Erwartung berechtigt, daß dieselbe nicht durch eine bloße Ver¬ weisung an den Bund zur Seite geschoben, sondern vielmehr zum Gegenstande ernster Erwägung gemacht werden werde!" In solcher Weise machte der englische Gesandte dem Minister einer deutschen „Macht" den Standpunkt klar. Graf Platen machte nicht sofort Gebrauch von dieser Unterweisung. Er ließ sogar ab¬ gerissene Worte fallen, die den Abgrund der Ketzerei, in welch« er gerathen war, noch deutlicher offenbarten. Er sprach von Nützlichkeit eines Bundeslrieges. von Revision des londoner Vertrags und dergleichen mehr. Als Howard ihm härter zusetzte und namentlich auf die Chancen des Verhaltens hinwies, welches der Bund in Holstein gegen Dänemark beobachten müsse, falls die Anerkennung Herzog Friedrichs für dieses Herzogthum erfolgte, blieb der Rückfall in die alte „Correctheit" nicht aus und Platen gab zu, daß Russells Vorschläge „logisch" seien. Allein die durch die jüngste französische Depesche gestärkte Schlußfolgerung, daß Hannover diesem Vorschlage zustimmen solle, siel wieder auf steinigen Boden*). Mit der Majvristrung des Bundes vom 14. Januar durch Oestreich und Preußen in der schleswigschen Frage und mit dem, was darauf folgte, endigt die Hauptbedeutung Hannovers in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit. Zu bemerken ist nur, daß obwohl Hannover gegen den preußisch-östreichischen An¬ trag gestimmt hatte, es den preußischen Truppentransporten durchs Königreich kein Hinderniß in den Weg legte und daß Graf Platen sich beeilte, dem englischen Gesandten mitzutheilen, daß die damals landläufige entgegengesetze Behauptung auf Unwahrheit beruhte. Denn es ist nicht blos gut, gerecht zu sein, sondern auch es zu scheinen. Diese Maxime lag wahrscheinlich auch der Thatsache zu Grunde, daß Graf Platen von den damals an die hannöversche Regierung gerichteten Kundgebungen seitens Herzog Friedrichs „keine Notiz nahm". ') Interessant für die Beurtheilung des Machtgefühls am Bunde ist, daß Graf Platen in Betreff der Frage wegen Besetzung des rendsburgcr Kronwerks und der Dörfer jenseits der Eider dem englischen Gesandten die Versicherung gab- „die Sache sei den Buudes- commissärcn anheimgestellt". Zur Ehre des deutschen Namens wollen wir indeß hoffen, daß der Herr Graf hier aus „Correctheit" des Guten zu viel gethan hat.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/140
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/140>, abgerufen am 23.07.2024.