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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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den hannöverschen Minister. Und nun sah er sich vollends noch verkannt unter
seinen Collegen. Denn die Mehrzahl der Minister konnte nicht umhin, wider
den Stachel zu locken, als Lord Russell die hannöversche Regierung im Schul¬
meistertone daran erinnerte, daß jeder Abfall vom londoner Tractat als Treu¬
bruch angesehen werden würde, und Howard dem Grafen Platen seine unbedachten
Zusicherungen hierüber vors Gesicht hielt. Der Herr Minister entschuldigte sich
in der Folge auch bei allen Examinationen Howards mit der Vollständigkeit
eines Knaben. Von diesem ihm eingeräumten Rechte machte denn auch Howard
ausgedehnten Gebrauch und verstieg sich zu den unverschämtesten Rathschlägen,
Vorwürfen und Zurechtweisungen, ja er ließ bei Gelegenheit der Nachrichten,
die über den Empfang der deutschen Truppen und ihr Benehmen in Holstein,
sowie über die Proclamationen des Herzogs eintrafen, sogar Drohungen hören.

Nicht diese Anmaßungen noch auch die inneren Bedenken, sondern der Druck
der öffentlichen Meinung und des Widerstandes seiner Collegen im Ministerium
gab dem Grafen den Muth, dem gestrengen englischen Freunde in einer großen
Stunde zu gestehn: "Ultra posse newo odliMwi'." So eifrig auch Platen
hinzufügte, er hoffe es wenigstens noch zu einer mittleren Richtung zu bringen,
die Gespräche mit Hammerstein und Windhorst konnten Howard überzeugen, daß
die Schwenkung nicht zu vermeiden sein würde. Die weitere Sondirung Platens
brachte ihm das fernere Resultat, daß man möglicherweise sogar daran denke,
das Schicksal des südlichen Schleswigs mit dem Holsteins in Verbindung zu
bringen. Howard sah sich genöthigt, jetzt im Kleinen möglichst wieder einzu¬
bringen, was im Großen verloren zu gehen drohte. Er ertheilte dem Betragen
Scheel-Plessens und Blomes die Versicherung seiner Hochachtung und be¬
richtete bei Erwähnung einer absichtsgleichen Beschwerde Russells an den Bund,
daß er bisher jedem, der im Gespräche mit ihm den Ausdruck "Londoner Pro¬
tokoll" und "Protokollkönig" gebraucht habe, tadelnd ins Wort gefallen sei.

Die nächsten Verhöre, die Howard mit dem Grafen Platen anstellte, bezogen
sich auf das Gerücht, daß einige deutsche Staaten gesonnen seien, den Herzog
Friedrich für Holstein anzuerkennen und einzusetzen. Howard schritt bis zu
"gemessnen Rathschlägen" in der Absicht, Platen solle den hannöverschen Bundes-
tagsgesandter aufs bestimmteste mit Instruktionen gegen die sächsisch-bayrischen
Zumuthungen ausrüsten. Allein er mußte erkennen, daß sein Herr Client auf
fremden Füßen fester stand als auf seinen eigenen. Denn Graf Platen wich
diesem Ansinnen aus. Seinem Heldenmuthe kam der Umstand zu Hilfe, daß
die hannöversche Execution und Civilverwaltung nicht in seinem, sondern in
des Bundes Befehl stände. Mit diesem Schilde konnte auch die Forderung
Howards abgelehnt werden, den Herzog Friedrich aus Holstein auszuweisen. Als
auch Russells Depesche vom 31. December, welche den Vorschlag einer Conferenz
der Vertragsmächte unter Beisitz eines Bundesgesandten vorschlug, und welche


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den hannöverschen Minister. Und nun sah er sich vollends noch verkannt unter
seinen Collegen. Denn die Mehrzahl der Minister konnte nicht umhin, wider
den Stachel zu locken, als Lord Russell die hannöversche Regierung im Schul¬
meistertone daran erinnerte, daß jeder Abfall vom londoner Tractat als Treu¬
bruch angesehen werden würde, und Howard dem Grafen Platen seine unbedachten
Zusicherungen hierüber vors Gesicht hielt. Der Herr Minister entschuldigte sich
in der Folge auch bei allen Examinationen Howards mit der Vollständigkeit
eines Knaben. Von diesem ihm eingeräumten Rechte machte denn auch Howard
ausgedehnten Gebrauch und verstieg sich zu den unverschämtesten Rathschlägen,
Vorwürfen und Zurechtweisungen, ja er ließ bei Gelegenheit der Nachrichten,
die über den Empfang der deutschen Truppen und ihr Benehmen in Holstein,
sowie über die Proclamationen des Herzogs eintrafen, sogar Drohungen hören.

Nicht diese Anmaßungen noch auch die inneren Bedenken, sondern der Druck
der öffentlichen Meinung und des Widerstandes seiner Collegen im Ministerium
gab dem Grafen den Muth, dem gestrengen englischen Freunde in einer großen
Stunde zu gestehn: „Ultra posse newo odliMwi'." So eifrig auch Platen
hinzufügte, er hoffe es wenigstens noch zu einer mittleren Richtung zu bringen,
die Gespräche mit Hammerstein und Windhorst konnten Howard überzeugen, daß
die Schwenkung nicht zu vermeiden sein würde. Die weitere Sondirung Platens
brachte ihm das fernere Resultat, daß man möglicherweise sogar daran denke,
das Schicksal des südlichen Schleswigs mit dem Holsteins in Verbindung zu
bringen. Howard sah sich genöthigt, jetzt im Kleinen möglichst wieder einzu¬
bringen, was im Großen verloren zu gehen drohte. Er ertheilte dem Betragen
Scheel-Plessens und Blomes die Versicherung seiner Hochachtung und be¬
richtete bei Erwähnung einer absichtsgleichen Beschwerde Russells an den Bund,
daß er bisher jedem, der im Gespräche mit ihm den Ausdruck „Londoner Pro¬
tokoll" und „Protokollkönig" gebraucht habe, tadelnd ins Wort gefallen sei.

Die nächsten Verhöre, die Howard mit dem Grafen Platen anstellte, bezogen
sich auf das Gerücht, daß einige deutsche Staaten gesonnen seien, den Herzog
Friedrich für Holstein anzuerkennen und einzusetzen. Howard schritt bis zu
„gemessnen Rathschlägen" in der Absicht, Platen solle den hannöverschen Bundes-
tagsgesandter aufs bestimmteste mit Instruktionen gegen die sächsisch-bayrischen
Zumuthungen ausrüsten. Allein er mußte erkennen, daß sein Herr Client auf
fremden Füßen fester stand als auf seinen eigenen. Denn Graf Platen wich
diesem Ansinnen aus. Seinem Heldenmuthe kam der Umstand zu Hilfe, daß
die hannöversche Execution und Civilverwaltung nicht in seinem, sondern in
des Bundes Befehl stände. Mit diesem Schilde konnte auch die Forderung
Howards abgelehnt werden, den Herzog Friedrich aus Holstein auszuweisen. Als
auch Russells Depesche vom 31. December, welche den Vorschlag einer Conferenz
der Vertragsmächte unter Beisitz eines Bundesgesandten vorschlug, und welche


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[0139] den hannöverschen Minister. Und nun sah er sich vollends noch verkannt unter seinen Collegen. Denn die Mehrzahl der Minister konnte nicht umhin, wider den Stachel zu locken, als Lord Russell die hannöversche Regierung im Schul¬ meistertone daran erinnerte, daß jeder Abfall vom londoner Tractat als Treu¬ bruch angesehen werden würde, und Howard dem Grafen Platen seine unbedachten Zusicherungen hierüber vors Gesicht hielt. Der Herr Minister entschuldigte sich in der Folge auch bei allen Examinationen Howards mit der Vollständigkeit eines Knaben. Von diesem ihm eingeräumten Rechte machte denn auch Howard ausgedehnten Gebrauch und verstieg sich zu den unverschämtesten Rathschlägen, Vorwürfen und Zurechtweisungen, ja er ließ bei Gelegenheit der Nachrichten, die über den Empfang der deutschen Truppen und ihr Benehmen in Holstein, sowie über die Proclamationen des Herzogs eintrafen, sogar Drohungen hören. Nicht diese Anmaßungen noch auch die inneren Bedenken, sondern der Druck der öffentlichen Meinung und des Widerstandes seiner Collegen im Ministerium gab dem Grafen den Muth, dem gestrengen englischen Freunde in einer großen Stunde zu gestehn: „Ultra posse newo odliMwi'." So eifrig auch Platen hinzufügte, er hoffe es wenigstens noch zu einer mittleren Richtung zu bringen, die Gespräche mit Hammerstein und Windhorst konnten Howard überzeugen, daß die Schwenkung nicht zu vermeiden sein würde. Die weitere Sondirung Platens brachte ihm das fernere Resultat, daß man möglicherweise sogar daran denke, das Schicksal des südlichen Schleswigs mit dem Holsteins in Verbindung zu bringen. Howard sah sich genöthigt, jetzt im Kleinen möglichst wieder einzu¬ bringen, was im Großen verloren zu gehen drohte. Er ertheilte dem Betragen Scheel-Plessens und Blomes die Versicherung seiner Hochachtung und be¬ richtete bei Erwähnung einer absichtsgleichen Beschwerde Russells an den Bund, daß er bisher jedem, der im Gespräche mit ihm den Ausdruck „Londoner Pro¬ tokoll" und „Protokollkönig" gebraucht habe, tadelnd ins Wort gefallen sei. Die nächsten Verhöre, die Howard mit dem Grafen Platen anstellte, bezogen sich auf das Gerücht, daß einige deutsche Staaten gesonnen seien, den Herzog Friedrich für Holstein anzuerkennen und einzusetzen. Howard schritt bis zu „gemessnen Rathschlägen" in der Absicht, Platen solle den hannöverschen Bundes- tagsgesandter aufs bestimmteste mit Instruktionen gegen die sächsisch-bayrischen Zumuthungen ausrüsten. Allein er mußte erkennen, daß sein Herr Client auf fremden Füßen fester stand als auf seinen eigenen. Denn Graf Platen wich diesem Ansinnen aus. Seinem Heldenmuthe kam der Umstand zu Hilfe, daß die hannöversche Execution und Civilverwaltung nicht in seinem, sondern in des Bundes Befehl stände. Mit diesem Schilde konnte auch die Forderung Howards abgelehnt werden, den Herzog Friedrich aus Holstein auszuweisen. Als auch Russells Depesche vom 31. December, welche den Vorschlag einer Conferenz der Vertragsmächte unter Beisitz eines Bundesgesandten vorschlug, und welche 17"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/139>, abgerufen am 23.07.2024.