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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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einlassen zu wollen, er wollte sich selbst Ruhm schaffen, dazu war die Unter¬
stützung Italiens und die Nuhmescrhöhung seines Landes und seiner Armee
nothwendig. Die raschen und glänzenden Siege bei Magcnta und Solferino
genügten diesem Zweck. Deshalb und nicht aus Sorge vor dem vielverschriee-
nen Festuugsviereckc machte Napoleon der Dritte am Mincio Halt. Oestreich
konnte er ohne die Einnahme der Festungen zum Frieden zwingen, wenn er,
wie sein großer Dnkel bewiesen, seine Siege nach Deutschland hineintrug, vor
den Festungen aber die sardinische Armee und die verschiedenen italienischen
Neuformationen zurückließ. Ein Krieg nach Deutschland hinein hatte aber zu
viele Consequenzen und forderte sehr viel mehr eigne Anstrengungen als der
französische Kaiser an die Sache wenden wollte. --

Der jetzige Krieg in Schleswig ist ebenfalls nicht unternommen, um
Dänemark niederzuwerfen oder selbst zu schwächen, er sollte nur einen Druck
auf seine Politik ausüben. Daran leidet der ganze Krieg. Anfangs hatte
man erwartet, daß Dänemark einfach Schleswig wie Holstein räumen würde.
Das wäre seinerseits auch entschieden das Klügere gewesen. Als die Dänen zum
"Staunen" des Prinzen Friedrich Karl Stand hielten, wie er von Missuude meldet,
entzog man sich dem großen Gefecht und drückte mit der Uebermacht durch eine
weite Umgehung aus den Gegner. Die Dänen zogen ab, die Verbündeten folgten
und sandten nach einigen Tagen Patrouillen gegen Düppel, ob der Feind nun nicht
Schleswig geräumt hätte. Er hielt wieder Stand. Die Umgehung war hier schwie¬
riger und wollte man ein Resultat, mußte man den Feind hinter, seinen Schan¬
zen aufsuchen. Man entschloß sich zu einer Belagerung und begann jetzt erst
diejenigen Mittel zu sammeln, und zu beschaffen, welche hierzu nothwendig
sind; so entstand eine Unterbrechung des Krieges, welche an sich nicht noth¬
wendig war. -- Noch viel mehr, wie bei der Landarmee tritt die Kleinheit der
politischen Motive, welche zum jetzigen Kriege führte", bei der Marine hervor,
von der man Anfangs ganz abgesehen hatte und deren vollste Bereitschaft bei
einem wirklichen Kriege gegen ni"e Seemacht und ein Jnselvolk natürlich eine
erste Bedingung gewesen wäre.

In Schleswig tritt das politische Element aber noch in anderer Weise
hervor. Wenn auch die Oestreicher in ihren Gefechten eine große Entschieden¬
heit entwickelten, so zeigen sie doch für die großen Schritte des Krieges keinerlei
drängendes Element, hier tritt Preußen in den Vordergrund, in der Umgehung
des Danncwerts, im Einrücken in Fiensburg, im Vorgehen gegen Düppel,
im Einmarsch in Jütland und schließlich im Berennen von Fridericia; und
zwar deshalb, weil Preußen überhaupt mehr inneres Interesse am Kriege hat
als Oestreich.

So verwebt sich Politik und Kriegführung unaufhörlich ineinander und
Clausewitz sagt mit Recht, der Krieg ist nur eine Fortsetzung der Politik mit


einlassen zu wollen, er wollte sich selbst Ruhm schaffen, dazu war die Unter¬
stützung Italiens und die Nuhmescrhöhung seines Landes und seiner Armee
nothwendig. Die raschen und glänzenden Siege bei Magcnta und Solferino
genügten diesem Zweck. Deshalb und nicht aus Sorge vor dem vielverschriee-
nen Festuugsviereckc machte Napoleon der Dritte am Mincio Halt. Oestreich
konnte er ohne die Einnahme der Festungen zum Frieden zwingen, wenn er,
wie sein großer Dnkel bewiesen, seine Siege nach Deutschland hineintrug, vor
den Festungen aber die sardinische Armee und die verschiedenen italienischen
Neuformationen zurückließ. Ein Krieg nach Deutschland hinein hatte aber zu
viele Consequenzen und forderte sehr viel mehr eigne Anstrengungen als der
französische Kaiser an die Sache wenden wollte. —

Der jetzige Krieg in Schleswig ist ebenfalls nicht unternommen, um
Dänemark niederzuwerfen oder selbst zu schwächen, er sollte nur einen Druck
auf seine Politik ausüben. Daran leidet der ganze Krieg. Anfangs hatte
man erwartet, daß Dänemark einfach Schleswig wie Holstein räumen würde.
Das wäre seinerseits auch entschieden das Klügere gewesen. Als die Dänen zum
„Staunen" des Prinzen Friedrich Karl Stand hielten, wie er von Missuude meldet,
entzog man sich dem großen Gefecht und drückte mit der Uebermacht durch eine
weite Umgehung aus den Gegner. Die Dänen zogen ab, die Verbündeten folgten
und sandten nach einigen Tagen Patrouillen gegen Düppel, ob der Feind nun nicht
Schleswig geräumt hätte. Er hielt wieder Stand. Die Umgehung war hier schwie¬
riger und wollte man ein Resultat, mußte man den Feind hinter, seinen Schan¬
zen aufsuchen. Man entschloß sich zu einer Belagerung und begann jetzt erst
diejenigen Mittel zu sammeln, und zu beschaffen, welche hierzu nothwendig
sind; so entstand eine Unterbrechung des Krieges, welche an sich nicht noth¬
wendig war. — Noch viel mehr, wie bei der Landarmee tritt die Kleinheit der
politischen Motive, welche zum jetzigen Kriege führte», bei der Marine hervor,
von der man Anfangs ganz abgesehen hatte und deren vollste Bereitschaft bei
einem wirklichen Kriege gegen ni«e Seemacht und ein Jnselvolk natürlich eine
erste Bedingung gewesen wäre.

In Schleswig tritt das politische Element aber noch in anderer Weise
hervor. Wenn auch die Oestreicher in ihren Gefechten eine große Entschieden¬
heit entwickelten, so zeigen sie doch für die großen Schritte des Krieges keinerlei
drängendes Element, hier tritt Preußen in den Vordergrund, in der Umgehung
des Danncwerts, im Einrücken in Fiensburg, im Vorgehen gegen Düppel,
im Einmarsch in Jütland und schließlich im Berennen von Fridericia; und
zwar deshalb, weil Preußen überhaupt mehr inneres Interesse am Kriege hat
als Oestreich.

So verwebt sich Politik und Kriegführung unaufhörlich ineinander und
Clausewitz sagt mit Recht, der Krieg ist nur eine Fortsetzung der Politik mit


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[0126] einlassen zu wollen, er wollte sich selbst Ruhm schaffen, dazu war die Unter¬ stützung Italiens und die Nuhmescrhöhung seines Landes und seiner Armee nothwendig. Die raschen und glänzenden Siege bei Magcnta und Solferino genügten diesem Zweck. Deshalb und nicht aus Sorge vor dem vielverschriee- nen Festuugsviereckc machte Napoleon der Dritte am Mincio Halt. Oestreich konnte er ohne die Einnahme der Festungen zum Frieden zwingen, wenn er, wie sein großer Dnkel bewiesen, seine Siege nach Deutschland hineintrug, vor den Festungen aber die sardinische Armee und die verschiedenen italienischen Neuformationen zurückließ. Ein Krieg nach Deutschland hinein hatte aber zu viele Consequenzen und forderte sehr viel mehr eigne Anstrengungen als der französische Kaiser an die Sache wenden wollte. — Der jetzige Krieg in Schleswig ist ebenfalls nicht unternommen, um Dänemark niederzuwerfen oder selbst zu schwächen, er sollte nur einen Druck auf seine Politik ausüben. Daran leidet der ganze Krieg. Anfangs hatte man erwartet, daß Dänemark einfach Schleswig wie Holstein räumen würde. Das wäre seinerseits auch entschieden das Klügere gewesen. Als die Dänen zum „Staunen" des Prinzen Friedrich Karl Stand hielten, wie er von Missuude meldet, entzog man sich dem großen Gefecht und drückte mit der Uebermacht durch eine weite Umgehung aus den Gegner. Die Dänen zogen ab, die Verbündeten folgten und sandten nach einigen Tagen Patrouillen gegen Düppel, ob der Feind nun nicht Schleswig geräumt hätte. Er hielt wieder Stand. Die Umgehung war hier schwie¬ riger und wollte man ein Resultat, mußte man den Feind hinter, seinen Schan¬ zen aufsuchen. Man entschloß sich zu einer Belagerung und begann jetzt erst diejenigen Mittel zu sammeln, und zu beschaffen, welche hierzu nothwendig sind; so entstand eine Unterbrechung des Krieges, welche an sich nicht noth¬ wendig war. — Noch viel mehr, wie bei der Landarmee tritt die Kleinheit der politischen Motive, welche zum jetzigen Kriege führte», bei der Marine hervor, von der man Anfangs ganz abgesehen hatte und deren vollste Bereitschaft bei einem wirklichen Kriege gegen ni«e Seemacht und ein Jnselvolk natürlich eine erste Bedingung gewesen wäre. In Schleswig tritt das politische Element aber noch in anderer Weise hervor. Wenn auch die Oestreicher in ihren Gefechten eine große Entschieden¬ heit entwickelten, so zeigen sie doch für die großen Schritte des Krieges keinerlei drängendes Element, hier tritt Preußen in den Vordergrund, in der Umgehung des Danncwerts, im Einrücken in Fiensburg, im Vorgehen gegen Düppel, im Einmarsch in Jütland und schließlich im Berennen von Fridericia; und zwar deshalb, weil Preußen überhaupt mehr inneres Interesse am Kriege hat als Oestreich. So verwebt sich Politik und Kriegführung unaufhörlich ineinander und Clausewitz sagt mit Recht, der Krieg ist nur eine Fortsetzung der Politik mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/126>, abgerufen am 25.08.2024.