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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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zu den Reliefbildungen, den Ucbcrgangsgattungcn. endlich zu der schwierigen
Betrachtung der Statuen in ihrer Einzelerscheinung wie in ihrer möglichen oder
wahrscheinlichen Gesannntgruppirung," und die gelehrte Ueberschau fördert einen
Reichthum zu Tage, welchem keine Gattung der antiken Kunstübung und kein
Poetisches Moment des Mythos fremd geblieben ist. Eine besonders vielfältige
Behandlung ist dem Nivbemythus in der Gefäß' und Wandmalerei zu Theil
geworden. Das Jugcndbündniß der Leto und Niobe,- die, wie Sappho sang,
"gar liebe Freundinnen waren/' Niobes stolzes Zürnen über die göttliche Ver¬
herrlichung der Gefährtin, die Nivbiden von der Rache der Letokinder getroffen,
Niobe über den. Leichen trauernd, oder auf dem Grabhügel sitzend, sind Ge¬
genstände der verschiedenartigsten Darstellungen geworden. Die erhaltenen Ne°
liefbildungen zeigen sich ihrer Mehrzahl nach als Neste von Grabdenkmalen und
es waren Niobidendarstcllungcn ein häusiger Schmuck aus Sarkophagen, wie
denn die Münchner Glypthothek einen solchen, hier zum ersten Mal veröffentlichten
Schatz zu bewahren hat. , Ein größeres in Abbildung beigegebenes Relief (wahr¬
scheinlich Tempelrelicf) im Jahre 1848 zuerst in der Sammlung des Ritter
Campana ausgestellt, jetzt im kaiserlichen Museum zu Petersburg befindlich,
fesselt durch wunderbare Schönheit und ergreifende Wahrheit der Komposition
und Ausführung. Die Bekanntschaft Mit diesem ausgezeichneten Kunstwerke ver¬
dankt man gleichfalls dem vorliegenden Buche, in welchem es zum erste" Male
zur öffentlichen Kenntniß gebracht ist. Ein anderes Relief, der Villa Albani
zugehörig, stellt sich als frei behandelte Copie dem campanascben zur Seite.
Auch in der Steinschneidekunst wurden einzelne Motive aus größere" Kompo¬
sitionen' mit Vorliebe behandelt; für den Archäologen einer der feinsten und,
interessantesten Gegenstände zur Vergleichung. Als Uebergang von dem Relief
zu den statuarischen Bildungen haben sich merkwürdige Bildwerke des Niobe-
kreiscs in den alten Gräbern bei Kertsch und in Apulien gefunden. Tcrracotten-
statuen, für die Aufstellung an einer Wand, d. h. nur für die Vorderansicht
berechnet, deren eine auf Tafel 5 abgebildet ist. welche sich durch ihre Aehnlich-
kett mit einer christlichen Pieta fast seltsam auszeichnet.

Nach diesem Ueberblick eines Bilderkreises, welcher die ganze Stufenleiter
von dem leidenschaftlichst bewegten Leben bis zur starren Ruhe des Todes vor
unsern Augen entrollt, wendet sich der Verfasser schließlich zu der im Jahre
1L83 zu Rom aufgefundenen Marmorgruppe der Niobidcn, die sich jetzt im
Ufficienpalast zu Florenz befindet.

Wir können uns nicht versagen, hier einen in dem Buche mitgetheilten
Brief des florentinischen Bildhauers Valerio Civil an Antonio Serguidi, den
Gehcimsecrctär des Großherzogs Francesco des Ersten, vom 8. April 1583 an¬
zuführen, welcher sich aus die Auffindung der Statuen in einem Weinberg v,or
dem Thore Se. Giovanni zu Rom und auf den Ankauf derselben durch den


zu den Reliefbildungen, den Ucbcrgangsgattungcn. endlich zu der schwierigen
Betrachtung der Statuen in ihrer Einzelerscheinung wie in ihrer möglichen oder
wahrscheinlichen Gesannntgruppirung," und die gelehrte Ueberschau fördert einen
Reichthum zu Tage, welchem keine Gattung der antiken Kunstübung und kein
Poetisches Moment des Mythos fremd geblieben ist. Eine besonders vielfältige
Behandlung ist dem Nivbemythus in der Gefäß' und Wandmalerei zu Theil
geworden. Das Jugcndbündniß der Leto und Niobe,- die, wie Sappho sang,
„gar liebe Freundinnen waren/' Niobes stolzes Zürnen über die göttliche Ver¬
herrlichung der Gefährtin, die Nivbiden von der Rache der Letokinder getroffen,
Niobe über den. Leichen trauernd, oder auf dem Grabhügel sitzend, sind Ge¬
genstände der verschiedenartigsten Darstellungen geworden. Die erhaltenen Ne°
liefbildungen zeigen sich ihrer Mehrzahl nach als Neste von Grabdenkmalen und
es waren Niobidendarstcllungcn ein häusiger Schmuck aus Sarkophagen, wie
denn die Münchner Glypthothek einen solchen, hier zum ersten Mal veröffentlichten
Schatz zu bewahren hat. , Ein größeres in Abbildung beigegebenes Relief (wahr¬
scheinlich Tempelrelicf) im Jahre 1848 zuerst in der Sammlung des Ritter
Campana ausgestellt, jetzt im kaiserlichen Museum zu Petersburg befindlich,
fesselt durch wunderbare Schönheit und ergreifende Wahrheit der Komposition
und Ausführung. Die Bekanntschaft Mit diesem ausgezeichneten Kunstwerke ver¬
dankt man gleichfalls dem vorliegenden Buche, in welchem es zum erste» Male
zur öffentlichen Kenntniß gebracht ist. Ein anderes Relief, der Villa Albani
zugehörig, stellt sich als frei behandelte Copie dem campanascben zur Seite.
Auch in der Steinschneidekunst wurden einzelne Motive aus größere» Kompo¬
sitionen' mit Vorliebe behandelt; für den Archäologen einer der feinsten und,
interessantesten Gegenstände zur Vergleichung. Als Uebergang von dem Relief
zu den statuarischen Bildungen haben sich merkwürdige Bildwerke des Niobe-
kreiscs in den alten Gräbern bei Kertsch und in Apulien gefunden. Tcrracotten-
statuen, für die Aufstellung an einer Wand, d. h. nur für die Vorderansicht
berechnet, deren eine auf Tafel 5 abgebildet ist. welche sich durch ihre Aehnlich-
kett mit einer christlichen Pieta fast seltsam auszeichnet.

Nach diesem Ueberblick eines Bilderkreises, welcher die ganze Stufenleiter
von dem leidenschaftlichst bewegten Leben bis zur starren Ruhe des Todes vor
unsern Augen entrollt, wendet sich der Verfasser schließlich zu der im Jahre
1L83 zu Rom aufgefundenen Marmorgruppe der Niobidcn, die sich jetzt im
Ufficienpalast zu Florenz befindet.

Wir können uns nicht versagen, hier einen in dem Buche mitgetheilten
Brief des florentinischen Bildhauers Valerio Civil an Antonio Serguidi, den
Gehcimsecrctär des Großherzogs Francesco des Ersten, vom 8. April 1583 an¬
zuführen, welcher sich aus die Auffindung der Statuen in einem Weinberg v,or
dem Thore Se. Giovanni zu Rom und auf den Ankauf derselben durch den


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[0109] zu den Reliefbildungen, den Ucbcrgangsgattungcn. endlich zu der schwierigen Betrachtung der Statuen in ihrer Einzelerscheinung wie in ihrer möglichen oder wahrscheinlichen Gesannntgruppirung," und die gelehrte Ueberschau fördert einen Reichthum zu Tage, welchem keine Gattung der antiken Kunstübung und kein Poetisches Moment des Mythos fremd geblieben ist. Eine besonders vielfältige Behandlung ist dem Nivbemythus in der Gefäß' und Wandmalerei zu Theil geworden. Das Jugcndbündniß der Leto und Niobe,- die, wie Sappho sang, „gar liebe Freundinnen waren/' Niobes stolzes Zürnen über die göttliche Ver¬ herrlichung der Gefährtin, die Nivbiden von der Rache der Letokinder getroffen, Niobe über den. Leichen trauernd, oder auf dem Grabhügel sitzend, sind Ge¬ genstände der verschiedenartigsten Darstellungen geworden. Die erhaltenen Ne° liefbildungen zeigen sich ihrer Mehrzahl nach als Neste von Grabdenkmalen und es waren Niobidendarstcllungcn ein häusiger Schmuck aus Sarkophagen, wie denn die Münchner Glypthothek einen solchen, hier zum ersten Mal veröffentlichten Schatz zu bewahren hat. , Ein größeres in Abbildung beigegebenes Relief (wahr¬ scheinlich Tempelrelicf) im Jahre 1848 zuerst in der Sammlung des Ritter Campana ausgestellt, jetzt im kaiserlichen Museum zu Petersburg befindlich, fesselt durch wunderbare Schönheit und ergreifende Wahrheit der Komposition und Ausführung. Die Bekanntschaft Mit diesem ausgezeichneten Kunstwerke ver¬ dankt man gleichfalls dem vorliegenden Buche, in welchem es zum erste» Male zur öffentlichen Kenntniß gebracht ist. Ein anderes Relief, der Villa Albani zugehörig, stellt sich als frei behandelte Copie dem campanascben zur Seite. Auch in der Steinschneidekunst wurden einzelne Motive aus größere» Kompo¬ sitionen' mit Vorliebe behandelt; für den Archäologen einer der feinsten und, interessantesten Gegenstände zur Vergleichung. Als Uebergang von dem Relief zu den statuarischen Bildungen haben sich merkwürdige Bildwerke des Niobe- kreiscs in den alten Gräbern bei Kertsch und in Apulien gefunden. Tcrracotten- statuen, für die Aufstellung an einer Wand, d. h. nur für die Vorderansicht berechnet, deren eine auf Tafel 5 abgebildet ist. welche sich durch ihre Aehnlich- kett mit einer christlichen Pieta fast seltsam auszeichnet. Nach diesem Ueberblick eines Bilderkreises, welcher die ganze Stufenleiter von dem leidenschaftlichst bewegten Leben bis zur starren Ruhe des Todes vor unsern Augen entrollt, wendet sich der Verfasser schließlich zu der im Jahre 1L83 zu Rom aufgefundenen Marmorgruppe der Niobidcn, die sich jetzt im Ufficienpalast zu Florenz befindet. Wir können uns nicht versagen, hier einen in dem Buche mitgetheilten Brief des florentinischen Bildhauers Valerio Civil an Antonio Serguidi, den Gehcimsecrctär des Großherzogs Francesco des Ersten, vom 8. April 1583 an¬ zuführen, welcher sich aus die Auffindung der Statuen in einem Weinberg v,or dem Thore Se. Giovanni zu Rom und auf den Ankauf derselben durch den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/109>, abgerufen am 23.07.2024.