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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Diese für ein Land, welches nicht viel mehr Einwohner als das König¬
reich Sachsen hat, auffallend starke Armee ist aber nur bei oberflächlicher
Betrachtung so bedeutend, als sie ihrer Zahl nach zu sein scheint. Jene sehr
respectable Stärke des dänischen Heeres ist nur dadurch erreicht, daß die Jn-
fanterie eine beträchtliche Entwickelung in ihrer Organisation zuläßt, d. h.
indem jedes der Friedensbataillone für den Krieg zwei Kriegsbataillone bil¬
det, für welchen Zweck es zum gewöhnlichen Dienste mit 2 Stabsoffizieren,
29 Subalternofsizieren und 54 Unteroffizieren versehen ist. Diese Zahlen von
Führern reichen allerdings nicht zur vollständigen Besetzung der Befehlshaver-
stcllen in zwei Bataillonen aus, aber nach dieser Einrichtung sind für dieselben
wenigstens die höhern Führer mit Einschluß der Hauptleute vorhanden, und die
noch fehlenden Lieutenants werden aus dem Institute der Reserveoffiziere ent¬
nommen, welches aus jungen Leuten besteht, die einen Cursus von acht
Monaten an der kopenkagner Kriegsschule durchgemacht haben und im Kriegs¬
fall aus dem Privatleben sofort in das Offizierscorps eintreten. Die dann noch
mangelnden Unteroffiziere entnimmt man den anstelligsten Gemeinen und übt
sie sorgfältiger als die Uebrigen.

Die Cavallerie mobilisirt sich nur durch Einberufung von Beurlaubten,
wobei indeß die Zahl der taktischen Körper nicht vermehrt wird. Die Artillerie
dagegen verstärkt sich bei einem drohenden Kriege von 12 auf 15 Batterien,
das Geniecorps von 3 auf 6 Compagnien.

Das dänische Wehrsystem ist sonach ein Cadressystem oder richtiger ein
Milizsystcm mit festen Rahmen. Die Tüchtigkeit und der innere Zusammen¬
hang der Armee ruht lediglich in der Tüchtigkeit dieser Rahmen und der ver¬
hältnißmäßig wenig zahlreichen Führer; denn es leidet keinen Zweifel, daß die
geringe Friedensdienstzeit der großen Mehrzahl des Heeres und die Masse der
bei einer Mobilisirung hinzukommenden Ungeübten für den Anfang keine be¬
sonders schlagfertige Truppe liefern kann, zumal die Juten, welche ein Drittel
der Armee zu stellen haben, zwar tapfer, aber wenig anstellig und gewandt
sind. Hierzu tritt ferner das Auseinanderreißen des gewohnten Verbandes in
zwei Hälften kurz vor dem entscheidenden Moment, wo die Bataillone ins Feld
zu rücken haben. Geschickte Befehlshaber können diese Nachtheile nur bis zu
einem gewissen Grade ausgleichen. Die Hauptsache muß eine frühzeitige Mo¬
bilisirung thun, diese aber kostet viel Geld, zunächst direct, dann indirect, in¬
dem sie dem Lande Arbeitskräfte entzieht, und so bedürfen die Ereignisse einer
sehr raschen Entwickelung nach dem entscheidenden Moment hin, wenn sich der
Staat nicht vor der Zeit aufreiben soll.

Wir sehen also, daß sich bei diesem System im Grunde zwei Forderungen
gegenüberstehen, die einander ausschließen. Die geringe Uebung der Milizen,
aus denen die dänische Armee besteht, verlangt Aufschiebung des Tages, wo


Diese für ein Land, welches nicht viel mehr Einwohner als das König¬
reich Sachsen hat, auffallend starke Armee ist aber nur bei oberflächlicher
Betrachtung so bedeutend, als sie ihrer Zahl nach zu sein scheint. Jene sehr
respectable Stärke des dänischen Heeres ist nur dadurch erreicht, daß die Jn-
fanterie eine beträchtliche Entwickelung in ihrer Organisation zuläßt, d. h.
indem jedes der Friedensbataillone für den Krieg zwei Kriegsbataillone bil¬
det, für welchen Zweck es zum gewöhnlichen Dienste mit 2 Stabsoffizieren,
29 Subalternofsizieren und 54 Unteroffizieren versehen ist. Diese Zahlen von
Führern reichen allerdings nicht zur vollständigen Besetzung der Befehlshaver-
stcllen in zwei Bataillonen aus, aber nach dieser Einrichtung sind für dieselben
wenigstens die höhern Führer mit Einschluß der Hauptleute vorhanden, und die
noch fehlenden Lieutenants werden aus dem Institute der Reserveoffiziere ent¬
nommen, welches aus jungen Leuten besteht, die einen Cursus von acht
Monaten an der kopenkagner Kriegsschule durchgemacht haben und im Kriegs¬
fall aus dem Privatleben sofort in das Offizierscorps eintreten. Die dann noch
mangelnden Unteroffiziere entnimmt man den anstelligsten Gemeinen und übt
sie sorgfältiger als die Uebrigen.

Die Cavallerie mobilisirt sich nur durch Einberufung von Beurlaubten,
wobei indeß die Zahl der taktischen Körper nicht vermehrt wird. Die Artillerie
dagegen verstärkt sich bei einem drohenden Kriege von 12 auf 15 Batterien,
das Geniecorps von 3 auf 6 Compagnien.

Das dänische Wehrsystem ist sonach ein Cadressystem oder richtiger ein
Milizsystcm mit festen Rahmen. Die Tüchtigkeit und der innere Zusammen¬
hang der Armee ruht lediglich in der Tüchtigkeit dieser Rahmen und der ver¬
hältnißmäßig wenig zahlreichen Führer; denn es leidet keinen Zweifel, daß die
geringe Friedensdienstzeit der großen Mehrzahl des Heeres und die Masse der
bei einer Mobilisirung hinzukommenden Ungeübten für den Anfang keine be¬
sonders schlagfertige Truppe liefern kann, zumal die Juten, welche ein Drittel
der Armee zu stellen haben, zwar tapfer, aber wenig anstellig und gewandt
sind. Hierzu tritt ferner das Auseinanderreißen des gewohnten Verbandes in
zwei Hälften kurz vor dem entscheidenden Moment, wo die Bataillone ins Feld
zu rücken haben. Geschickte Befehlshaber können diese Nachtheile nur bis zu
einem gewissen Grade ausgleichen. Die Hauptsache muß eine frühzeitige Mo¬
bilisirung thun, diese aber kostet viel Geld, zunächst direct, dann indirect, in¬
dem sie dem Lande Arbeitskräfte entzieht, und so bedürfen die Ereignisse einer
sehr raschen Entwickelung nach dem entscheidenden Moment hin, wenn sich der
Staat nicht vor der Zeit aufreiben soll.

Wir sehen also, daß sich bei diesem System im Grunde zwei Forderungen
gegenüberstehen, die einander ausschließen. Die geringe Uebung der Milizen,
aus denen die dänische Armee besteht, verlangt Aufschiebung des Tages, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/97>, abgerufen am 29.06.2024.