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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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man sich mit einem Tausche begnügte, der Nordschleswig bis zur Sprachgrenze,
d. h. bis etwa zu der Linie zwischen Flensburg und Tondern, den Dänen ge¬
gen Lauenburg überließe und dieses letztere Herzogtum mit Holstein und Süd¬
schleswig dem Herzog Friedrich zutheilte. Mancherlei spricht für diese schon
einmal in Vorschlag gebrachte Lösung, und es ist wahrscheinlich, daß das dä¬
nische Volk, vor die Alternative gestellt, zwischen ihr und einer bloßen Personal¬
union mit den Schleswig-Holsteinern zu wählen, sich für diesen Weg entscheiden
würde. Allein auch dieses Auskunftsmittel ist vorläufig von der Hand zu
weisen. Erst muß dem Rechte Genüge geschehen, ehe die Billigkeit das Wort
erhalten kann. Das Recke spricht dem Herzog Friedrich ganz Schleswig-Hol¬
stein "ungedeckt" zu, und so muß zunächst ganz Schleswig in seine Gewalt ge¬
bracht werden, und dann erst, wenn das nordschleswigsche Volk sich für Ver¬
bleiben bei Dänemark erklärte, wäre die Billigkeit am Orte. Wie eine solche
Willenskundgebung hervorzurufen.wäre, und welches Resultat sie haben würde,
ist hier nicht zu untersuchen. Es genüge, anzudeuten, daß, wie starke Wur¬
zeln das Dänenthum auch in den letzten Jahren in Nordschlcsroig geschlagen
haben mag, die materiellen Interessen dort das Volk auf den Süden hinweisen,
und daß unter Landleuten, aus denen dieses Volk zu mehr als neun Zehn¬
theilen besteht, die materiellen Interessen den Ausschlag zu geben pflegen.

Daß Preußen mit Oestreich einen andern Weg als den hier angedeuteten
zu gehen gewillt scheint, ist den Lesern bekannt. Ob es diesen unrichtigen
Weg wirklich einschlagen wird, ob es ihn lange fortgehen kann, wird abzu¬
warten sein. Sicher scheint bei der Gesinnung des dänischen Volkes, daß es
sich gegen Wiedereinführung des Absolutismus zur Wehre setzen wird.

Sehen wir uns nun aber den. Krieg, zu dem es unter diesen Voraus¬
setzungen so oder so aller Wahrscheinlichkeit nach kommen wird, näher an, so
ist vor allem zu rathen, sich von Hause aus die Aufgabe nicht zu leicht zu
denken. Der Feind hat reichlich Zeit gehabt, sich in seiner an sich schon star¬
ken Stellung in der Landesmitte aufs Beste vorzubereiten. Er hat das sehr
günstige Terrain fortificatorisch so gestärkt, daß ein gewaltsamer Angriff in
der Front auch der größten Uebermacht kaum zu rathen ist, und eine Um¬
gehung hat im Terrain auch ihre besonderen Schwierigkeiten. Letztere ist nur
möglich, wenn entweder östlich die Schlei an einem Punkte forcirt wird, so
daß man dann der Stellung am Dannewerk in den Rücken kommen kann,
oder wenn man unterhalb Friedrichsstadt über die freilich durch die starke Fluth
schwierige Eider geht, jene kleine Festung von der Westseite her, wo es der
Bodengestaltung wegen allein möglich ist, angreift und nimmt, die Treeneüver-
schwemmung dadurch in seine Gewalt bringt, und dann von Westen her des
Feindes Centtalstellung umgeht. Das erste Mittel zum Gelingen im Kriege,
die Uebermacht, hat man nach Belieben in seiner Hand; aber man bediene sich


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man sich mit einem Tausche begnügte, der Nordschleswig bis zur Sprachgrenze,
d. h. bis etwa zu der Linie zwischen Flensburg und Tondern, den Dänen ge¬
gen Lauenburg überließe und dieses letztere Herzogtum mit Holstein und Süd¬
schleswig dem Herzog Friedrich zutheilte. Mancherlei spricht für diese schon
einmal in Vorschlag gebrachte Lösung, und es ist wahrscheinlich, daß das dä¬
nische Volk, vor die Alternative gestellt, zwischen ihr und einer bloßen Personal¬
union mit den Schleswig-Holsteinern zu wählen, sich für diesen Weg entscheiden
würde. Allein auch dieses Auskunftsmittel ist vorläufig von der Hand zu
weisen. Erst muß dem Rechte Genüge geschehen, ehe die Billigkeit das Wort
erhalten kann. Das Recke spricht dem Herzog Friedrich ganz Schleswig-Hol¬
stein „ungedeckt" zu, und so muß zunächst ganz Schleswig in seine Gewalt ge¬
bracht werden, und dann erst, wenn das nordschleswigsche Volk sich für Ver¬
bleiben bei Dänemark erklärte, wäre die Billigkeit am Orte. Wie eine solche
Willenskundgebung hervorzurufen.wäre, und welches Resultat sie haben würde,
ist hier nicht zu untersuchen. Es genüge, anzudeuten, daß, wie starke Wur¬
zeln das Dänenthum auch in den letzten Jahren in Nordschlcsroig geschlagen
haben mag, die materiellen Interessen dort das Volk auf den Süden hinweisen,
und daß unter Landleuten, aus denen dieses Volk zu mehr als neun Zehn¬
theilen besteht, die materiellen Interessen den Ausschlag zu geben pflegen.

Daß Preußen mit Oestreich einen andern Weg als den hier angedeuteten
zu gehen gewillt scheint, ist den Lesern bekannt. Ob es diesen unrichtigen
Weg wirklich einschlagen wird, ob es ihn lange fortgehen kann, wird abzu¬
warten sein. Sicher scheint bei der Gesinnung des dänischen Volkes, daß es
sich gegen Wiedereinführung des Absolutismus zur Wehre setzen wird.

Sehen wir uns nun aber den. Krieg, zu dem es unter diesen Voraus¬
setzungen so oder so aller Wahrscheinlichkeit nach kommen wird, näher an, so
ist vor allem zu rathen, sich von Hause aus die Aufgabe nicht zu leicht zu
denken. Der Feind hat reichlich Zeit gehabt, sich in seiner an sich schon star¬
ken Stellung in der Landesmitte aufs Beste vorzubereiten. Er hat das sehr
günstige Terrain fortificatorisch so gestärkt, daß ein gewaltsamer Angriff in
der Front auch der größten Uebermacht kaum zu rathen ist, und eine Um¬
gehung hat im Terrain auch ihre besonderen Schwierigkeiten. Letztere ist nur
möglich, wenn entweder östlich die Schlei an einem Punkte forcirt wird, so
daß man dann der Stellung am Dannewerk in den Rücken kommen kann,
oder wenn man unterhalb Friedrichsstadt über die freilich durch die starke Fluth
schwierige Eider geht, jene kleine Festung von der Westseite her, wo es der
Bodengestaltung wegen allein möglich ist, angreift und nimmt, die Treeneüver-
schwemmung dadurch in seine Gewalt bringt, und dann von Westen her des
Feindes Centtalstellung umgeht. Das erste Mittel zum Gelingen im Kriege,
die Uebermacht, hat man nach Belieben in seiner Hand; aber man bediene sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/93>, abgerufen am 24.07.2024.