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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Ein Blick aus die Kriegssrage.
Nach Mittheilungen eines höhern preußischen Offiziers.

Von Woche zu Woche steigert sich die Wahrscheinlichkeit, daß die schleswig¬
holsteinische Frage trotz aller für eine friedliche Lösung aufgewandten Mühe zum
Kriege zwischen Deutschland und Dänemark führen wird, und sogar vor der
Gefahr eines großen europäischen Kriegs sind wir nicht völlig sicher. Im Fol¬
genden betrachten wir in der Kürze nur die erstere Wahrscheinlichkeit, und da
sei denn von vornherein ungescheut ausgesprochen, daß wir es begreifen, wenn
heutige Staatenlenker vor jedem Kriege Bedenken tragen, der nicht absolut
nothwendig ist, und daß andrerseits auch das Volk Ursache hat, sich zweimal
zu überlegen, welche Folgen ein großer Krieg für seine Entwickelung haben
kann. Der Soldat allerdings hat nicht darnach zu fragen und fragt nicht dar¬
nach, wieviel Jammer und Elend, wieviel Verwilderung und Zerstörung ein
Feldzug im Gefolge hat, er sieht nur die glänzende Maske, welche das Uebel
trägt. Um so entschiedener hat der verständige Staatsmann die Pflicht, die
Schattenseiten der Sache in Rechnung zu bringen, und ebenso liegt dem Volke
die Pflicht ob, sich, abgesehen von den Verlusten an Gut und Blut, die ihm
drohen, zu erinnern, daß Kriege in der Regel die Freiheit im Innern nicht
fördern, daß sie die dazu nöthigen Kräfte zu erschöpfen, die der Gegenpartei zu
stärken Pflegen.

Auf jeden Fall wird die Besonnenheit gebieten, sich zu überrechnen, ob
der zu erreichende Gewinn zu den zu bringenden Opfern im richtigen Verhält¬
niß steht, eine Rechnung, bei der, wenn es sich nur um äußere Güter, um
Handelsvvrtheile, um einige Machtvermehrung, um dynastische Interessen u. d.
handelt, die Entscheidung immer gegen den Krieg ausfallen sollte, wogegen
diese Rechnung, wenn es um hohe sittliche Güter oder gar um die höchsten
Güter des Staats, um Ehre, Recht und Freiheit zu kämpfen gilt, ohne Be¬
sinnen dahin "entschieden werden muß. daß das Schwert zu ziehen ist.

Dies auf die Schleswig-holsteinische Frage angewandt, ist sofort klar, daß
die äußern Vortheile hier nicht der Art sind, daß es'lohnte, die Opfer zu
bringen, welche ein Krieg mit Dänemark kosten würde, geschweige denn die


Grenzboten I. 1864. 11
Ein Blick aus die Kriegssrage.
Nach Mittheilungen eines höhern preußischen Offiziers.

Von Woche zu Woche steigert sich die Wahrscheinlichkeit, daß die schleswig¬
holsteinische Frage trotz aller für eine friedliche Lösung aufgewandten Mühe zum
Kriege zwischen Deutschland und Dänemark führen wird, und sogar vor der
Gefahr eines großen europäischen Kriegs sind wir nicht völlig sicher. Im Fol¬
genden betrachten wir in der Kürze nur die erstere Wahrscheinlichkeit, und da
sei denn von vornherein ungescheut ausgesprochen, daß wir es begreifen, wenn
heutige Staatenlenker vor jedem Kriege Bedenken tragen, der nicht absolut
nothwendig ist, und daß andrerseits auch das Volk Ursache hat, sich zweimal
zu überlegen, welche Folgen ein großer Krieg für seine Entwickelung haben
kann. Der Soldat allerdings hat nicht darnach zu fragen und fragt nicht dar¬
nach, wieviel Jammer und Elend, wieviel Verwilderung und Zerstörung ein
Feldzug im Gefolge hat, er sieht nur die glänzende Maske, welche das Uebel
trägt. Um so entschiedener hat der verständige Staatsmann die Pflicht, die
Schattenseiten der Sache in Rechnung zu bringen, und ebenso liegt dem Volke
die Pflicht ob, sich, abgesehen von den Verlusten an Gut und Blut, die ihm
drohen, zu erinnern, daß Kriege in der Regel die Freiheit im Innern nicht
fördern, daß sie die dazu nöthigen Kräfte zu erschöpfen, die der Gegenpartei zu
stärken Pflegen.

Auf jeden Fall wird die Besonnenheit gebieten, sich zu überrechnen, ob
der zu erreichende Gewinn zu den zu bringenden Opfern im richtigen Verhält¬
niß steht, eine Rechnung, bei der, wenn es sich nur um äußere Güter, um
Handelsvvrtheile, um einige Machtvermehrung, um dynastische Interessen u. d.
handelt, die Entscheidung immer gegen den Krieg ausfallen sollte, wogegen
diese Rechnung, wenn es um hohe sittliche Güter oder gar um die höchsten
Güter des Staats, um Ehre, Recht und Freiheit zu kämpfen gilt, ohne Be¬
sinnen dahin «entschieden werden muß. daß das Schwert zu ziehen ist.

Dies auf die Schleswig-holsteinische Frage angewandt, ist sofort klar, daß
die äußern Vortheile hier nicht der Art sind, daß es'lohnte, die Opfer zu
bringen, welche ein Krieg mit Dänemark kosten würde, geschweige denn die


Grenzboten I. 1864. 11
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[0091] Ein Blick aus die Kriegssrage. Nach Mittheilungen eines höhern preußischen Offiziers. Von Woche zu Woche steigert sich die Wahrscheinlichkeit, daß die schleswig¬ holsteinische Frage trotz aller für eine friedliche Lösung aufgewandten Mühe zum Kriege zwischen Deutschland und Dänemark führen wird, und sogar vor der Gefahr eines großen europäischen Kriegs sind wir nicht völlig sicher. Im Fol¬ genden betrachten wir in der Kürze nur die erstere Wahrscheinlichkeit, und da sei denn von vornherein ungescheut ausgesprochen, daß wir es begreifen, wenn heutige Staatenlenker vor jedem Kriege Bedenken tragen, der nicht absolut nothwendig ist, und daß andrerseits auch das Volk Ursache hat, sich zweimal zu überlegen, welche Folgen ein großer Krieg für seine Entwickelung haben kann. Der Soldat allerdings hat nicht darnach zu fragen und fragt nicht dar¬ nach, wieviel Jammer und Elend, wieviel Verwilderung und Zerstörung ein Feldzug im Gefolge hat, er sieht nur die glänzende Maske, welche das Uebel trägt. Um so entschiedener hat der verständige Staatsmann die Pflicht, die Schattenseiten der Sache in Rechnung zu bringen, und ebenso liegt dem Volke die Pflicht ob, sich, abgesehen von den Verlusten an Gut und Blut, die ihm drohen, zu erinnern, daß Kriege in der Regel die Freiheit im Innern nicht fördern, daß sie die dazu nöthigen Kräfte zu erschöpfen, die der Gegenpartei zu stärken Pflegen. Auf jeden Fall wird die Besonnenheit gebieten, sich zu überrechnen, ob der zu erreichende Gewinn zu den zu bringenden Opfern im richtigen Verhält¬ niß steht, eine Rechnung, bei der, wenn es sich nur um äußere Güter, um Handelsvvrtheile, um einige Machtvermehrung, um dynastische Interessen u. d. handelt, die Entscheidung immer gegen den Krieg ausfallen sollte, wogegen diese Rechnung, wenn es um hohe sittliche Güter oder gar um die höchsten Güter des Staats, um Ehre, Recht und Freiheit zu kämpfen gilt, ohne Be¬ sinnen dahin «entschieden werden muß. daß das Schwert zu ziehen ist. Dies auf die Schleswig-holsteinische Frage angewandt, ist sofort klar, daß die äußern Vortheile hier nicht der Art sind, daß es'lohnte, die Opfer zu bringen, welche ein Krieg mit Dänemark kosten würde, geschweige denn die Grenzboten I. 1864. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/91>, abgerufen am 24.07.2024.