Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.geselligen Kitt zu bilden. Ader die Dirigenten solcher Vereine müssen aller¬ Und so verlassen wir dieses Zweiglein der Musik mit unserem eotLrurn Wenn wir bisher in einem kurze" Rückblicke auf die Musik unserer Tage geselligen Kitt zu bilden. Ader die Dirigenten solcher Vereine müssen aller¬ Und so verlassen wir dieses Zweiglein der Musik mit unserem eotLrurn Wenn wir bisher in einem kurze» Rückblicke auf die Musik unserer Tage <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116546"/> <p xml:id="ID_202" prev="#ID_201"> geselligen Kitt zu bilden. Ader die Dirigenten solcher Vereine müssen aller¬<lb/> dings das durch sie vertretene Gebiet genau kennen, mit seiner Geschichte, sei¬<lb/> nen Vorzügen und Mängeln einigermaßen vertraut sein und müssen sich der<lb/> Grenzen bewußt bleiben, welche der Leistungsfähigkeit ihrer Sänger gesteckt<lb/> sind. Die Pflege unsres Volksliedes müßte gerade hier eine bleibende Stätte<lb/> finden, und die sich immer frisch ergänzenden jugendlichen Stimmen sollten<lb/> nun die Lieder ertönen lassen, welche unser Volk in alter Zeit bei seiner<lb/> Arbeit und seinen Festen, im fröhlichen Verein und bei einsamer Wanderung<lb/> durch Feld und Wald sang. Man erinnere sich zuweilen der älteren Quar¬<lb/> tetten der Begründer des Männergesangs; die weberschen Körnerlieder mögen<lb/> fort und fort ertönen, aber man wolle nicht vergessen, daß sie, wenn auch von<lb/> Vaterlandsliebe getragen und Kinder patriotischer Begeisterung, dennoch eben<lb/> nichts anderes als Kunstwerke sein wollen, nicht etwa musikalische Leitartikel<lb/> oder Volksreden. Mendelssohn, Hauptmann, Schumann, Gabe, Metz, Dürr-<lb/> ner und Reinecke sollten immer mehr beachtet und studirt werden, denn in be¬<lb/> schränktem Kreise gilt es vor allem 'das erreichbar Beste zu leisten. Verbanne<lb/> werde die widerlich süße Sentimentalität und Tivvlitheaterkomik der Gesellen-,<lb/> Burschen-, Soldaten- und Sängerfahrten von I. Otto; und wir denken, die<lb/> Zeit wird einmal kommen, wo die Herren Kuntze und Schäffer mit ihren<lb/> „komischen" Männerquartetten einer redlich verdienten Vergessenheit und Mi߬<lb/> achtung anheimfallen, da man ja doch einmal einsehen wird, daß das Triviale<lb/> jedes Menschen unwürdig ist, ob er Bassist oder Tenorist sei, und daß die ge¬<lb/> sungenen Zoten noch verächtlicher sind, als die gesprochenen.</p><lb/> <p xml:id="ID_203"> Und so verlassen wir dieses Zweiglein der Musik mit unserem eotLrurn<lb/> nous<Z0 — auch hier wird die musikalische Production anders und besser werden,<lb/> wenn wir selbst anders geworden sind, wenn das, was jetzt im Werden be¬<lb/> griffen ist, zum Dasein geboren sein wird. Dann werden wir es nicht mehr<lb/> mit ansehen und anhören müssen, wie Gesangvereine von jungen und alten<lb/> Männern Jahr aus Jahr ein ihr Liebchen energisch oder schmeichelnd auffordern,<lb/> sanft zu schlafen oder schleunigst aufzuwachen, und wie sie ihr durch alle Vier¬<lb/> undzwanzig Tonarten Grüße senden; dann werden auch unsre Vaterlandslieder<lb/> heiler, männlicher und selbstbewußter klingen, wir werden uns nicht mehr damit<lb/> beschäftigen, in fünf Versen zu fragen, was Unser Vaterland ist, und wir dür¬<lb/> fen sogar hoffen, dann endlich einmal ein rechtes deutsches Vaterlandslicd zu<lb/> erhalten, das der Thaten der Väter gedenkt und sich eines von den Söhnen<lb/> und Enkeln erkämpften Sieges freut.</p><lb/> <p xml:id="ID_204" next="#ID_205"> Wenn wir bisher in einem kurze» Rückblicke auf die Musik unserer Tage<lb/> und der vergangenen Jahre nicht mit der Begeisterung und dem Ausdrucke<lb/> unbedingter Bewunderung der vorhandenen Leistungen gesprochen haben, welche<lb/> zwar dem Leserkreis dieser Blätter von jeher fremd geblieben, dafür aber bei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
geselligen Kitt zu bilden. Ader die Dirigenten solcher Vereine müssen aller¬
dings das durch sie vertretene Gebiet genau kennen, mit seiner Geschichte, sei¬
nen Vorzügen und Mängeln einigermaßen vertraut sein und müssen sich der
Grenzen bewußt bleiben, welche der Leistungsfähigkeit ihrer Sänger gesteckt
sind. Die Pflege unsres Volksliedes müßte gerade hier eine bleibende Stätte
finden, und die sich immer frisch ergänzenden jugendlichen Stimmen sollten
nun die Lieder ertönen lassen, welche unser Volk in alter Zeit bei seiner
Arbeit und seinen Festen, im fröhlichen Verein und bei einsamer Wanderung
durch Feld und Wald sang. Man erinnere sich zuweilen der älteren Quar¬
tetten der Begründer des Männergesangs; die weberschen Körnerlieder mögen
fort und fort ertönen, aber man wolle nicht vergessen, daß sie, wenn auch von
Vaterlandsliebe getragen und Kinder patriotischer Begeisterung, dennoch eben
nichts anderes als Kunstwerke sein wollen, nicht etwa musikalische Leitartikel
oder Volksreden. Mendelssohn, Hauptmann, Schumann, Gabe, Metz, Dürr-
ner und Reinecke sollten immer mehr beachtet und studirt werden, denn in be¬
schränktem Kreise gilt es vor allem 'das erreichbar Beste zu leisten. Verbanne
werde die widerlich süße Sentimentalität und Tivvlitheaterkomik der Gesellen-,
Burschen-, Soldaten- und Sängerfahrten von I. Otto; und wir denken, die
Zeit wird einmal kommen, wo die Herren Kuntze und Schäffer mit ihren
„komischen" Männerquartetten einer redlich verdienten Vergessenheit und Mi߬
achtung anheimfallen, da man ja doch einmal einsehen wird, daß das Triviale
jedes Menschen unwürdig ist, ob er Bassist oder Tenorist sei, und daß die ge¬
sungenen Zoten noch verächtlicher sind, als die gesprochenen.
Und so verlassen wir dieses Zweiglein der Musik mit unserem eotLrurn
nous<Z0 — auch hier wird die musikalische Production anders und besser werden,
wenn wir selbst anders geworden sind, wenn das, was jetzt im Werden be¬
griffen ist, zum Dasein geboren sein wird. Dann werden wir es nicht mehr
mit ansehen und anhören müssen, wie Gesangvereine von jungen und alten
Männern Jahr aus Jahr ein ihr Liebchen energisch oder schmeichelnd auffordern,
sanft zu schlafen oder schleunigst aufzuwachen, und wie sie ihr durch alle Vier¬
undzwanzig Tonarten Grüße senden; dann werden auch unsre Vaterlandslieder
heiler, männlicher und selbstbewußter klingen, wir werden uns nicht mehr damit
beschäftigen, in fünf Versen zu fragen, was Unser Vaterland ist, und wir dür¬
fen sogar hoffen, dann endlich einmal ein rechtes deutsches Vaterlandslicd zu
erhalten, das der Thaten der Väter gedenkt und sich eines von den Söhnen
und Enkeln erkämpften Sieges freut.
Wenn wir bisher in einem kurze» Rückblicke auf die Musik unserer Tage
und der vergangenen Jahre nicht mit der Begeisterung und dem Ausdrucke
unbedingter Bewunderung der vorhandenen Leistungen gesprochen haben, welche
zwar dem Leserkreis dieser Blätter von jeher fremd geblieben, dafür aber bei
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