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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Wasser gab, womit ich täglich einigemal lauwarm waschen sollte. Auch ein
Schneider wurde mir besorgt/ der es übernahm, mir bis zum andern Tage
einen neuen Ueberrock und ein paar Beinkleider zu machen, mein alter Ueber¬
rock diente zum Modell.

Am Abend schon kamen preußische Garden mit dem Hauptquartier an, und
mein Haus wurde mit vielen Mannschaften belegt, nachdem vorher die Notiz
gegeben war, daß alles, was nicht zu den Garden gehöre, ausgewiesen werde.
Meine Wirthsleute erklärten indeß, daß ich mit meinen beiden Leuten dableiben
solle, sie würden Mittel finden, uns unterzubringen. Das geschah auch und
zwar auf eine Weise, die so recht das Zeugniß gibt, wie selbst feindliche Ein¬
wohner überaus gutherzig sein tonnen, wenn man sie human behandelt und
ihre ohnehin große Noth nach Kräften mildert. Denn als nun das Haus mit
Soldaten angefüllt war, und diese nach ihrer ungebildeten Weise ungeduldig
forderten, was nicht verstanden wurde, legte ich mich ins Mittel, machte meine
Autorität als Offizier geltend und verbat mir jede Ungebührlichkeit in dem
Quartier, wo ich sei, und die gute preußische Disciplin machte es mir leicht,
alle Theile zu beschwichtigen. Für diesen kleinen Dienst waren die Leute außer¬
ordentlich dankbar. Die ganze Familie, aus dem ältlichen Familienvater, der
Frau und einer bildhübschen Tochter bestehend, zog sich in ein nicht allzu¬
geräumiges Zimmer, wo ein großes französisches Bett stand, zurück; in dieses
Asyl wurde ich geführt und eingeladen in dem Bett Platz zu nehmen. Ich
lehnte diese Zuvorkommenheit ab und bestand darauf, Frau und Tochter sollten
sich des Bettes bedienen. Die Frau aber erwiderte: "Nein, mein Herr, das
geschieht auf keinen Fall; für meine Tochter habe ich noch ein kleines Cabinet;
mein Mann und ich werden die Nacht am Kamin zubringen. Sie, mit Ihren
kranken Augen, müssen auf jeden Fall in dem Bette schlafen, für Ihre Diener
aber werde ich eine Matratze bringen lassen, und wenn Sie es erlauben, wer¬
den Sie sich darauf niederlegen." Ich mußte mich fügen; das junge Mädchen
verließ das Zimmer, und ich legte mich in das sehr gute Bett, wo ich bis zum
Morgen schlief. Ganz in der Frühe schon brachte mir der Schneider meine
Sachen; die Soldaten waren bereits aufgebrochen; ich machte mich dann zu Fuß
mit meinen beiden Leuten auf den Weg, um zu erfahren, wohin es ging, dann
aber.mich irgendwo anzuschließen und womöglich zu einem Säbel zu gelangen.
Alles bewegte sich auf der Straße nach Chaumont zu. Am Ausgange der
Stadt traf ich preußische Gardecavallerie; ich wandte mich an einen Offizier
mit der Frage, ob er mir wohl einen Säbel verschaffen könne. "Ja,"
sagte er, "einer von unseren Leuten hat gestern einen französischen Offi¬
zier gefangen genommen, der hatte einen hübschen Säbel, vielleicht hat der
Mann ihn noch." Er suchte den Reiter auf und führte ihn zu mir, worauf
ich die sehr gute Waffe bekam, allerdings für die damaligen Verhältnisse um


Wasser gab, womit ich täglich einigemal lauwarm waschen sollte. Auch ein
Schneider wurde mir besorgt/ der es übernahm, mir bis zum andern Tage
einen neuen Ueberrock und ein paar Beinkleider zu machen, mein alter Ueber¬
rock diente zum Modell.

Am Abend schon kamen preußische Garden mit dem Hauptquartier an, und
mein Haus wurde mit vielen Mannschaften belegt, nachdem vorher die Notiz
gegeben war, daß alles, was nicht zu den Garden gehöre, ausgewiesen werde.
Meine Wirthsleute erklärten indeß, daß ich mit meinen beiden Leuten dableiben
solle, sie würden Mittel finden, uns unterzubringen. Das geschah auch und
zwar auf eine Weise, die so recht das Zeugniß gibt, wie selbst feindliche Ein¬
wohner überaus gutherzig sein tonnen, wenn man sie human behandelt und
ihre ohnehin große Noth nach Kräften mildert. Denn als nun das Haus mit
Soldaten angefüllt war, und diese nach ihrer ungebildeten Weise ungeduldig
forderten, was nicht verstanden wurde, legte ich mich ins Mittel, machte meine
Autorität als Offizier geltend und verbat mir jede Ungebührlichkeit in dem
Quartier, wo ich sei, und die gute preußische Disciplin machte es mir leicht,
alle Theile zu beschwichtigen. Für diesen kleinen Dienst waren die Leute außer¬
ordentlich dankbar. Die ganze Familie, aus dem ältlichen Familienvater, der
Frau und einer bildhübschen Tochter bestehend, zog sich in ein nicht allzu¬
geräumiges Zimmer, wo ein großes französisches Bett stand, zurück; in dieses
Asyl wurde ich geführt und eingeladen in dem Bett Platz zu nehmen. Ich
lehnte diese Zuvorkommenheit ab und bestand darauf, Frau und Tochter sollten
sich des Bettes bedienen. Die Frau aber erwiderte: „Nein, mein Herr, das
geschieht auf keinen Fall; für meine Tochter habe ich noch ein kleines Cabinet;
mein Mann und ich werden die Nacht am Kamin zubringen. Sie, mit Ihren
kranken Augen, müssen auf jeden Fall in dem Bette schlafen, für Ihre Diener
aber werde ich eine Matratze bringen lassen, und wenn Sie es erlauben, wer¬
den Sie sich darauf niederlegen." Ich mußte mich fügen; das junge Mädchen
verließ das Zimmer, und ich legte mich in das sehr gute Bett, wo ich bis zum
Morgen schlief. Ganz in der Frühe schon brachte mir der Schneider meine
Sachen; die Soldaten waren bereits aufgebrochen; ich machte mich dann zu Fuß
mit meinen beiden Leuten auf den Weg, um zu erfahren, wohin es ging, dann
aber.mich irgendwo anzuschließen und womöglich zu einem Säbel zu gelangen.
Alles bewegte sich auf der Straße nach Chaumont zu. Am Ausgange der
Stadt traf ich preußische Gardecavallerie; ich wandte mich an einen Offizier
mit der Frage, ob er mir wohl einen Säbel verschaffen könne. „Ja,"
sagte er, „einer von unseren Leuten hat gestern einen französischen Offi¬
zier gefangen genommen, der hatte einen hübschen Säbel, vielleicht hat der
Mann ihn noch." Er suchte den Reiter auf und führte ihn zu mir, worauf
ich die sehr gute Waffe bekam, allerdings für die damaligen Verhältnisse um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/71>, abgerufen am 24.07.2024.