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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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büreaukratische Element auch in dem constitutionellen (?) Oestreich besitzt. Die
Oppositionsmänner, Fabrikanten, einige reiche Gutsbesitzer und Advocaten, sind
eben auch die einzigen von keinem Minister abhängigen Männer. Die Andern
aber sind theils Beamte, theils auf andere Weise an die Interessen des Mi¬
nisteriums gekettet. Und kann man von diesen Männern einen Widerstand
gegen die Wünsche ihrer Vorgesetzten oder Beschützer, kann man Liberalismus
von einem Polizeidirector und Toleranz von einem -- irgendeinem geistlichen
Orden angehörenden Staatsrath verlangen?

Es haben die ausgezeichnetsten Männer des Neichsrathes (dieselben gehören
selbstverständlich ohne Ausnahme der Opposition an) gegen das Militärbudget
gekämpft und in der That eine Verminderung desselben erzielt. Aber dieser Er¬
folg rvar nur ein unvollständiger und scheinbarer, weil man nur die wuchern¬
den Nebensprossen des Baumes entfernte, die Wurzel des Uebels unberührt
ließ. Mit den oberflächlichen Verbesserungen und Ersparnissen strafte man nur
die einzelnen oft dadurch schwer betroffenen Individuen, ohne von Grund aus
zu helfen und Heilung zu erzielen.

Die einfachsten Institutionen sind die wohlfeilsten, dauerhaftesten und am
leichtesten auszuführenden, daher die besten. Im Kriegswesen und namentlich
in der Organisation und dem Dienstbetriebe der Kriegsheere hat dieser Satz
besondere Geltung. Je complicirter der Mechanismus eines Kriegsheeres ist,
desto leichter kann derselbe durch die verschiedenartigsten Einwirkungen ins Stocken
gerathen und es wird daher eine solche Armee bei aller Tapferkeit und Intel¬
ligenz der einzelnen Krieger und Anführer selbst unter günstigen Umständen die
ihr gestellten Aufgaben nicht zu lösen vermögen und aus eine traurige Art
unterliegen.

Die zahlreichen Mißerfolge, welche die östreichische Armee im Lause mehrer
Jahrhunderte erlebt hat, sind zum größten Theile nur dieser Ursache zuzuschreiben
und, wie die Dinge jetzt stehen, ist -- falls es zum Kampfe mit einem nur
mittelmäßig kräftigen und wohlorganisirten Gegner kommt, auch für die nächste
Zukunft kein günstiger Erfolg der östreichischen Waffen zu erwarten!


^. v.


büreaukratische Element auch in dem constitutionellen (?) Oestreich besitzt. Die
Oppositionsmänner, Fabrikanten, einige reiche Gutsbesitzer und Advocaten, sind
eben auch die einzigen von keinem Minister abhängigen Männer. Die Andern
aber sind theils Beamte, theils auf andere Weise an die Interessen des Mi¬
nisteriums gekettet. Und kann man von diesen Männern einen Widerstand
gegen die Wünsche ihrer Vorgesetzten oder Beschützer, kann man Liberalismus
von einem Polizeidirector und Toleranz von einem — irgendeinem geistlichen
Orden angehörenden Staatsrath verlangen?

Es haben die ausgezeichnetsten Männer des Neichsrathes (dieselben gehören
selbstverständlich ohne Ausnahme der Opposition an) gegen das Militärbudget
gekämpft und in der That eine Verminderung desselben erzielt. Aber dieser Er¬
folg rvar nur ein unvollständiger und scheinbarer, weil man nur die wuchern¬
den Nebensprossen des Baumes entfernte, die Wurzel des Uebels unberührt
ließ. Mit den oberflächlichen Verbesserungen und Ersparnissen strafte man nur
die einzelnen oft dadurch schwer betroffenen Individuen, ohne von Grund aus
zu helfen und Heilung zu erzielen.

Die einfachsten Institutionen sind die wohlfeilsten, dauerhaftesten und am
leichtesten auszuführenden, daher die besten. Im Kriegswesen und namentlich
in der Organisation und dem Dienstbetriebe der Kriegsheere hat dieser Satz
besondere Geltung. Je complicirter der Mechanismus eines Kriegsheeres ist,
desto leichter kann derselbe durch die verschiedenartigsten Einwirkungen ins Stocken
gerathen und es wird daher eine solche Armee bei aller Tapferkeit und Intel¬
ligenz der einzelnen Krieger und Anführer selbst unter günstigen Umständen die
ihr gestellten Aufgaben nicht zu lösen vermögen und aus eine traurige Art
unterliegen.

Die zahlreichen Mißerfolge, welche die östreichische Armee im Lause mehrer
Jahrhunderte erlebt hat, sind zum größten Theile nur dieser Ursache zuzuschreiben
und, wie die Dinge jetzt stehen, ist — falls es zum Kampfe mit einem nur
mittelmäßig kräftigen und wohlorganisirten Gegner kommt, auch für die nächste
Zukunft kein günstiger Erfolg der östreichischen Waffen zu erwarten!


^. v.


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[0484] büreaukratische Element auch in dem constitutionellen (?) Oestreich besitzt. Die Oppositionsmänner, Fabrikanten, einige reiche Gutsbesitzer und Advocaten, sind eben auch die einzigen von keinem Minister abhängigen Männer. Die Andern aber sind theils Beamte, theils auf andere Weise an die Interessen des Mi¬ nisteriums gekettet. Und kann man von diesen Männern einen Widerstand gegen die Wünsche ihrer Vorgesetzten oder Beschützer, kann man Liberalismus von einem Polizeidirector und Toleranz von einem — irgendeinem geistlichen Orden angehörenden Staatsrath verlangen? Es haben die ausgezeichnetsten Männer des Neichsrathes (dieselben gehören selbstverständlich ohne Ausnahme der Opposition an) gegen das Militärbudget gekämpft und in der That eine Verminderung desselben erzielt. Aber dieser Er¬ folg rvar nur ein unvollständiger und scheinbarer, weil man nur die wuchern¬ den Nebensprossen des Baumes entfernte, die Wurzel des Uebels unberührt ließ. Mit den oberflächlichen Verbesserungen und Ersparnissen strafte man nur die einzelnen oft dadurch schwer betroffenen Individuen, ohne von Grund aus zu helfen und Heilung zu erzielen. Die einfachsten Institutionen sind die wohlfeilsten, dauerhaftesten und am leichtesten auszuführenden, daher die besten. Im Kriegswesen und namentlich in der Organisation und dem Dienstbetriebe der Kriegsheere hat dieser Satz besondere Geltung. Je complicirter der Mechanismus eines Kriegsheeres ist, desto leichter kann derselbe durch die verschiedenartigsten Einwirkungen ins Stocken gerathen und es wird daher eine solche Armee bei aller Tapferkeit und Intel¬ ligenz der einzelnen Krieger und Anführer selbst unter günstigen Umständen die ihr gestellten Aufgaben nicht zu lösen vermögen und aus eine traurige Art unterliegen. Die zahlreichen Mißerfolge, welche die östreichische Armee im Lause mehrer Jahrhunderte erlebt hat, sind zum größten Theile nur dieser Ursache zuzuschreiben und, wie die Dinge jetzt stehen, ist — falls es zum Kampfe mit einem nur mittelmäßig kräftigen und wohlorganisirten Gegner kommt, auch für die nächste Zukunft kein günstiger Erfolg der östreichischen Waffen zu erwarten! ^. v.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/484>, abgerufen am 24.07.2024.