Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.aufrecht zu halten und äußerlich standesgemäß zu erscheinen, muß der Militär¬ Leider übt die Bureaukratie sogar auf die reinmilitärischen Angelegenheiten Die gleich beim Beginne des diesjährigen dänischen Krieges von den östrei¬ Und es ist keine Hoffnung, daß diesem Unwesen bald und für immer ge¬ aufrecht zu halten und äußerlich standesgemäß zu erscheinen, muß der Militär¬ Leider übt die Bureaukratie sogar auf die reinmilitärischen Angelegenheiten Die gleich beim Beginne des diesjährigen dänischen Krieges von den östrei¬ Und es ist keine Hoffnung, daß diesem Unwesen bald und für immer ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116949"/> <p xml:id="ID_1506" prev="#ID_1505"> aufrecht zu halten und äußerlich standesgemäß zu erscheinen, muß der Militär¬<lb/> beamte sammt seiner Familie oft genug am Hungertuche nagen und sich selbst<lb/> die billigste Erholung versagen oder — wo die Gelegenheit dazu sich darbietet<lb/> — zu ungesetzlichen Vermehrungen seines Einkommens greifen, also sich der<lb/> Bestechung zugänglich zeigen, oder gar an dem ihm anvertrauten Staatsgute<lb/> Veruntreuung und Diebstahl begehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1507"> Leider übt die Bureaukratie sogar auf die reinmilitärischen Angelegenheiten<lb/> der Armee, ja selbst auf die kriegerische Thätigkeit derselben großen Einfluß<lb/> aus. Mögen sie im Beamtengewande oder in einer blinkenden Generalsuniform<lb/> erscheinen, es sind Bureaukraten, welche mehr über die Truppen zu gebieten<lb/> haben, als die eigentlichen und erprobten Führer derselben. Der so oft schon<lb/> als todt angesägte Hofkriegsrath lebt noch immer, ja er hat eine noch<lb/> abschreckendere Gestalt angenommen. Ehedem bestand er wenigstens aus Ge¬<lb/> neralen, welche im Felde kein besonderes Glück gehabt hatten oder schon<lb/> zu alt und gebrechlich für den activen Kriegsdienst waren, während jetzt<lb/> nur Individuen, welche in Kanzleien aufgewachsen sind und vom Kriege<lb/> nichts verstehen, verwendet werden. Unter solchen Umständen kann die<lb/> Armee bei aller Tapferkeit der einzelnen Corps nur ausnahmsweise blei¬<lb/> bende und nahmhaste Erfolge eringen. Gelingt es auch zuweilen einzel¬<lb/> nen Männern, sich aus der sie zu hemmen versuchenden Umgebung zu erheben,<lb/> (Radetzky) oder mit wilder Rücksichtslosigkeit alles, was sich ihnen entgegen¬<lb/> stellt, niederzutreten (Haynau, Gorczkowsky, Urban und vielleicht auch<lb/> Venedek), so ist die darauffolgende Reaction nur um so gefährlicher und<lb/> um desto übermüthiger erhebt dann der Bureaukratismus sein Haupt, un¬<lb/> bekümmert darum, daß sein Treiben, — wie es das Jahr 1859 gelehrt hat,<lb/> den Ruin des Staates herbeiführen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1508"> Die gleich beim Beginne des diesjährigen dänischen Krieges von den östrei¬<lb/> chischen Truppen errungenen günstigen Erfolge beweisen nichts gegen die Wahr¬<lb/> heit des Vorhingesagten, da einerseits der Kampf doch nur gegen einen ver¬<lb/> hältnißmäßig unbedeutenden Gegner geführt, anderseits aber dadurch, daß das<lb/> östreichische Armeecorps mit preußischen Truppen und unter dem Oberbefehl<lb/> eines preußischen Feldherrn operirt. das unheilvolle Treiben der wiener Vurcau-<lb/> männer bedeutend beschränkt wird. — Indessen hat sich auch bei dieser Ge¬<lb/> legenheit die alte Vorliebe für Soldatcnspielerei und Systemschafferei z. B. bei<lb/> dem Feldtclegraphistencorps und der Feldpost nicht verläugnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1509" next="#ID_1510"> Und es ist keine Hoffnung, daß diesem Unwesen bald und für immer ge¬<lb/> steuert werde. Die Hoffnung, daß mit dem Beginne des constitutionellen Re¬<lb/> giments eine Besserung dieser Zustände eintreten werde, hat sich nicht bewährt.<lb/> — Ja es dürfte das Uebel eher zu- als abnehmen. Die Zusammensetzung des<lb/> Abgeordnetenhauses zeigt es nur zu auffällig, welchen ungeheuren Einfluß das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
aufrecht zu halten und äußerlich standesgemäß zu erscheinen, muß der Militär¬
beamte sammt seiner Familie oft genug am Hungertuche nagen und sich selbst
die billigste Erholung versagen oder — wo die Gelegenheit dazu sich darbietet
— zu ungesetzlichen Vermehrungen seines Einkommens greifen, also sich der
Bestechung zugänglich zeigen, oder gar an dem ihm anvertrauten Staatsgute
Veruntreuung und Diebstahl begehen.
Leider übt die Bureaukratie sogar auf die reinmilitärischen Angelegenheiten
der Armee, ja selbst auf die kriegerische Thätigkeit derselben großen Einfluß
aus. Mögen sie im Beamtengewande oder in einer blinkenden Generalsuniform
erscheinen, es sind Bureaukraten, welche mehr über die Truppen zu gebieten
haben, als die eigentlichen und erprobten Führer derselben. Der so oft schon
als todt angesägte Hofkriegsrath lebt noch immer, ja er hat eine noch
abschreckendere Gestalt angenommen. Ehedem bestand er wenigstens aus Ge¬
neralen, welche im Felde kein besonderes Glück gehabt hatten oder schon
zu alt und gebrechlich für den activen Kriegsdienst waren, während jetzt
nur Individuen, welche in Kanzleien aufgewachsen sind und vom Kriege
nichts verstehen, verwendet werden. Unter solchen Umständen kann die
Armee bei aller Tapferkeit der einzelnen Corps nur ausnahmsweise blei¬
bende und nahmhaste Erfolge eringen. Gelingt es auch zuweilen einzel¬
nen Männern, sich aus der sie zu hemmen versuchenden Umgebung zu erheben,
(Radetzky) oder mit wilder Rücksichtslosigkeit alles, was sich ihnen entgegen¬
stellt, niederzutreten (Haynau, Gorczkowsky, Urban und vielleicht auch
Venedek), so ist die darauffolgende Reaction nur um so gefährlicher und
um desto übermüthiger erhebt dann der Bureaukratismus sein Haupt, un¬
bekümmert darum, daß sein Treiben, — wie es das Jahr 1859 gelehrt hat,
den Ruin des Staates herbeiführen muß.
Die gleich beim Beginne des diesjährigen dänischen Krieges von den östrei¬
chischen Truppen errungenen günstigen Erfolge beweisen nichts gegen die Wahr¬
heit des Vorhingesagten, da einerseits der Kampf doch nur gegen einen ver¬
hältnißmäßig unbedeutenden Gegner geführt, anderseits aber dadurch, daß das
östreichische Armeecorps mit preußischen Truppen und unter dem Oberbefehl
eines preußischen Feldherrn operirt. das unheilvolle Treiben der wiener Vurcau-
männer bedeutend beschränkt wird. — Indessen hat sich auch bei dieser Ge¬
legenheit die alte Vorliebe für Soldatcnspielerei und Systemschafferei z. B. bei
dem Feldtclegraphistencorps und der Feldpost nicht verläugnet.
Und es ist keine Hoffnung, daß diesem Unwesen bald und für immer ge¬
steuert werde. Die Hoffnung, daß mit dem Beginne des constitutionellen Re¬
giments eine Besserung dieser Zustände eintreten werde, hat sich nicht bewährt.
— Ja es dürfte das Uebel eher zu- als abnehmen. Die Zusammensetzung des
Abgeordnetenhauses zeigt es nur zu auffällig, welchen ungeheuren Einfluß das
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