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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Posten mit irgendwelchen Vortheilen verbunden, so wird er eben nur nach
Gunst und Protection verliehen. Steht aber keine besonders eifrige Bewer¬
bung zu erwarten, so werden die zuerst sich Bewerbenden ohne Weiteres an-
genommen, oder man bestimmt ohne Umstände nicht etwa die nächstbesten, son¬
dern die mittelmäßigen und schlechten Subjecte. Dieses ist z. B. besonders bei
den Krankenwärtern der Fall und es wurde schon mancher Hauptmann von
seinem Obersten damit getröstet , daß er einen unbrauchbaren Soldaten "ja ge¬
legentlich als Krankenwärter anbringen könne".

Auch bei höheren Stellen wird nur zu oft in ähnlicher Weise vorgegangen.
Posten, welche recht gut von betagten oder gebrechlichen Individuen versehen
werden könnten, werden an junge rüstige Männer vergeben. Es sollen zwar
die sogenannten "Friedensanstellungen" nur an invalide Offiziere vergeben wer¬
den, indessen zeigt der Vorgang bei der Pensionirung mancher Offiziere, welcher
Werth auf derlei Bedingungen gelegt wird. Auch die Pensionirung soll nur
bei invaliden Offizieren stattfinden. Nun aber wird sehr häusig durch einen
Machtspruch aus irgendeiner geringfügigen Ursache ein sonst noch ganz dienst¬
fähiger Offizier in den Ruhestand "unter Vorbehalt seiner nachträglichen Jnva-
liditätserklärung" versetzt. Und so geht es auch in vielen andern Fällen.
Irgendein Prvtectionstind soll mit seinem Regimente in irgendeine entlegene
Provinz abrücken und möchte doch gern die Freuden des Nesidenzlebens auch
ferner genießen. Flugs wird er auf irgendeinen Ruheposten, oder wenn sein
Avancement hierdurch beeinträchtigt werden könnte, gar in irgendein wissen-
schaftliches Comite oder als Lehrer in eine Akademie gesteckt, wenn er auch
der größte Ignorant wäre. Auch begehrt und erhält gar Mancher gerade
wegen seiner Unwissenheit einen besondern Posten. Denn bei einem höhern
Militär, welcher beschränkten Geistes, oder wenigstens unbewandert in seinem
Fache ist, führt begreiflicherweise sein Adjutant oder seine übrige nächste Um¬
gebung das Regiment. Prinzen und hohe Adelige sind daher sehr willkommene
Chefs, da sie wegen ihrer kurzen Dienstzeit minder erfahren als andere Mili¬
tärs sind und auch aus angeborener Nonchalance gewöhnlich die Details des
Dienstes viel leichter behandeln. Noch öfter aber kommt es vor, daß Untergebene
mit beschränkten Fähigkeiten gesucht werden. Denn namentlich bei jenen Depar¬
tements, wo im Trüben gefischt zu werden Pflegt, -- und die Zahl dieser
Departements ist eine nicht geringe --. mag es dem Chef sehr unangenehm
sein, kluge Untergebene zu besitzen, da ihm dieselben vielleicht in die Karten
blicken und dann von ihrer Entdeckung Gebrauch machen oder wenigstens einen
ganz erheblichen Antheil als Lohn für ihr Schweigen und ihre Mitwirkung
verlangen könnten. Im Falle einer gerichtlichen Untersuchung werden dann
nicht selten gerade diese Unwissenden als die Sündenböcke hingestellt, wie es
z. B> bei den Monturscommissioncn und Verpflegscimtern geschehen ist.


Posten mit irgendwelchen Vortheilen verbunden, so wird er eben nur nach
Gunst und Protection verliehen. Steht aber keine besonders eifrige Bewer¬
bung zu erwarten, so werden die zuerst sich Bewerbenden ohne Weiteres an-
genommen, oder man bestimmt ohne Umstände nicht etwa die nächstbesten, son¬
dern die mittelmäßigen und schlechten Subjecte. Dieses ist z. B. besonders bei
den Krankenwärtern der Fall und es wurde schon mancher Hauptmann von
seinem Obersten damit getröstet , daß er einen unbrauchbaren Soldaten „ja ge¬
legentlich als Krankenwärter anbringen könne".

Auch bei höheren Stellen wird nur zu oft in ähnlicher Weise vorgegangen.
Posten, welche recht gut von betagten oder gebrechlichen Individuen versehen
werden könnten, werden an junge rüstige Männer vergeben. Es sollen zwar
die sogenannten „Friedensanstellungen" nur an invalide Offiziere vergeben wer¬
den, indessen zeigt der Vorgang bei der Pensionirung mancher Offiziere, welcher
Werth auf derlei Bedingungen gelegt wird. Auch die Pensionirung soll nur
bei invaliden Offizieren stattfinden. Nun aber wird sehr häusig durch einen
Machtspruch aus irgendeiner geringfügigen Ursache ein sonst noch ganz dienst¬
fähiger Offizier in den Ruhestand „unter Vorbehalt seiner nachträglichen Jnva-
liditätserklärung" versetzt. Und so geht es auch in vielen andern Fällen.
Irgendein Prvtectionstind soll mit seinem Regimente in irgendeine entlegene
Provinz abrücken und möchte doch gern die Freuden des Nesidenzlebens auch
ferner genießen. Flugs wird er auf irgendeinen Ruheposten, oder wenn sein
Avancement hierdurch beeinträchtigt werden könnte, gar in irgendein wissen-
schaftliches Comite oder als Lehrer in eine Akademie gesteckt, wenn er auch
der größte Ignorant wäre. Auch begehrt und erhält gar Mancher gerade
wegen seiner Unwissenheit einen besondern Posten. Denn bei einem höhern
Militär, welcher beschränkten Geistes, oder wenigstens unbewandert in seinem
Fache ist, führt begreiflicherweise sein Adjutant oder seine übrige nächste Um¬
gebung das Regiment. Prinzen und hohe Adelige sind daher sehr willkommene
Chefs, da sie wegen ihrer kurzen Dienstzeit minder erfahren als andere Mili¬
tärs sind und auch aus angeborener Nonchalance gewöhnlich die Details des
Dienstes viel leichter behandeln. Noch öfter aber kommt es vor, daß Untergebene
mit beschränkten Fähigkeiten gesucht werden. Denn namentlich bei jenen Depar¬
tements, wo im Trüben gefischt zu werden Pflegt, — und die Zahl dieser
Departements ist eine nicht geringe —. mag es dem Chef sehr unangenehm
sein, kluge Untergebene zu besitzen, da ihm dieselben vielleicht in die Karten
blicken und dann von ihrer Entdeckung Gebrauch machen oder wenigstens einen
ganz erheblichen Antheil als Lohn für ihr Schweigen und ihre Mitwirkung
verlangen könnten. Im Falle einer gerichtlichen Untersuchung werden dann
nicht selten gerade diese Unwissenden als die Sündenböcke hingestellt, wie es
z. B> bei den Monturscommissioncn und Verpflegscimtern geschehen ist.


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[0476] Posten mit irgendwelchen Vortheilen verbunden, so wird er eben nur nach Gunst und Protection verliehen. Steht aber keine besonders eifrige Bewer¬ bung zu erwarten, so werden die zuerst sich Bewerbenden ohne Weiteres an- genommen, oder man bestimmt ohne Umstände nicht etwa die nächstbesten, son¬ dern die mittelmäßigen und schlechten Subjecte. Dieses ist z. B. besonders bei den Krankenwärtern der Fall und es wurde schon mancher Hauptmann von seinem Obersten damit getröstet , daß er einen unbrauchbaren Soldaten „ja ge¬ legentlich als Krankenwärter anbringen könne". Auch bei höheren Stellen wird nur zu oft in ähnlicher Weise vorgegangen. Posten, welche recht gut von betagten oder gebrechlichen Individuen versehen werden könnten, werden an junge rüstige Männer vergeben. Es sollen zwar die sogenannten „Friedensanstellungen" nur an invalide Offiziere vergeben wer¬ den, indessen zeigt der Vorgang bei der Pensionirung mancher Offiziere, welcher Werth auf derlei Bedingungen gelegt wird. Auch die Pensionirung soll nur bei invaliden Offizieren stattfinden. Nun aber wird sehr häusig durch einen Machtspruch aus irgendeiner geringfügigen Ursache ein sonst noch ganz dienst¬ fähiger Offizier in den Ruhestand „unter Vorbehalt seiner nachträglichen Jnva- liditätserklärung" versetzt. Und so geht es auch in vielen andern Fällen. Irgendein Prvtectionstind soll mit seinem Regimente in irgendeine entlegene Provinz abrücken und möchte doch gern die Freuden des Nesidenzlebens auch ferner genießen. Flugs wird er auf irgendeinen Ruheposten, oder wenn sein Avancement hierdurch beeinträchtigt werden könnte, gar in irgendein wissen- schaftliches Comite oder als Lehrer in eine Akademie gesteckt, wenn er auch der größte Ignorant wäre. Auch begehrt und erhält gar Mancher gerade wegen seiner Unwissenheit einen besondern Posten. Denn bei einem höhern Militär, welcher beschränkten Geistes, oder wenigstens unbewandert in seinem Fache ist, führt begreiflicherweise sein Adjutant oder seine übrige nächste Um¬ gebung das Regiment. Prinzen und hohe Adelige sind daher sehr willkommene Chefs, da sie wegen ihrer kurzen Dienstzeit minder erfahren als andere Mili¬ tärs sind und auch aus angeborener Nonchalance gewöhnlich die Details des Dienstes viel leichter behandeln. Noch öfter aber kommt es vor, daß Untergebene mit beschränkten Fähigkeiten gesucht werden. Denn namentlich bei jenen Depar¬ tements, wo im Trüben gefischt zu werden Pflegt, — und die Zahl dieser Departements ist eine nicht geringe —. mag es dem Chef sehr unangenehm sein, kluge Untergebene zu besitzen, da ihm dieselben vielleicht in die Karten blicken und dann von ihrer Entdeckung Gebrauch machen oder wenigstens einen ganz erheblichen Antheil als Lohn für ihr Schweigen und ihre Mitwirkung verlangen könnten. Im Falle einer gerichtlichen Untersuchung werden dann nicht selten gerade diese Unwissenden als die Sündenböcke hingestellt, wie es z. B> bei den Monturscommissioncn und Verpflegscimtern geschehen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/476>, abgerufen am 24.07.2024.