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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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kann sich jeder sagen, auch die am lebhaftesten davon berührt werden, die Be¬
wohner der Herzogthümer und ihr Herzog.

Die Lage der herzoglichen Regierung ist allerdings eine schwierige. Der
Bund, die Stimmungen von mehr als dreißig Regierungen, die feindliche Hal¬
tung der Großmächte, und auf der andern Seite die Forderungen des Volkes,
das nach fünfzehn Jahren des Mißtrauens und kränklicher Regierungspolitik
geneigt ist, die Bedeutung der Hilfe zu unterschätzen, welche die heimischen
Regierungen den Herzogthümern gewähren können, und ebenso geneigt ist, die
unmittelbaren praktischen Resultate der außergewöhnlichen Wärme zu überschätzen,
womit es selbst die Lage der Herzogthümer betrachtet. Es gehört sicher zu den
schwersten Aufgaben einer Negierung in partibus, sich auf der einen Seite
nicht den unentbehrlichen guten Willen der bestehenden Regierungen und sou-
veraine zu verscherzen, auf der andern Seite nicht dem Volke fremd zu wer¬
den und ihm nicht Mißtrauen gegen ihre eigene Energie und ihr EinVerständ¬
niß mit seiner warmen Rührigkeit einzuflößen.

Das deutsche Volk ist der älteste und, wenige gute Regierungen ausge¬
nommen, der wärmste Verbündete, welchen die Herzogthümer haben. Und es
war eine große Freude zu erfahren, wie schnell und wie richtig sogleich nach
dem Tode des Dänenkönigs die Sachlage von dem deutschen Volk und dem
bei weitem größten Theil seiner Presse beurtheilt wurde. Die Regierungen
fügten sich, wenige ausgenommen, um so langsamer und zögernder dem Einfluß
der öffentlichen Meinung, je weniger die Pression der Volkswünsche in die
Atmosphäre der Höfe drang. Man würde einigen der Mittelstaaten Unrecht
thun, wenn man läugnen wollte, daß sie von vorn herein Sympathien mit
der legitimen Succession und daß sie Empfindung für die Ehre dieses patriotischen
Kampfes hatten. Aber ohne dem klugen Patriotismus der Herren v. Beust
und v. d. Pfordten zu nahe zu treten, muß man doch der allgemeinen Ueber¬
zeugung Recht geben, daß ihre Höfe zu thatkräftiger Unterstützung Schleswig-
Holsteins nicht vorzugsweise durch ritterliche Sympathien, sondern durch ver¬
ständige Rücksicht auf den eigenen Vortheil gebracht wurden. Ihr eigener Vor¬
theil aber ist, eine große Aufregung im Volke nicht gegen sich arbeiten zu lassen,
sondern dieselbe für die eigene Popularität zu verwerthen. Denn dies ist eine
Angelegenheit, wo sie populär, handeln können, ohne das Theuerste zu gefährden,
und die jämmerliche Position, welche die deutschen Großmächte zur Zeit noch
festhalten, macht ein selbständiges Vorgehen den Anderen um so lohnender.
Wenn der Deutsche die Motive ihres Handelns so beurtheilt, wird er deshalb
nicht undankbar gegen das Gute, welches sie fördern. Aber es ist doch Zeit,
öffentlich auszusprechen, daß ihr guter Wille und ihre Wärme durchaus ab¬
hängig sind von dem Grad des Enthusiasmus und der Opferwilligkeit, welche
sich für die Sache Herzog Friedrich des Achten im deutschen Volke offenbaren, und


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kann sich jeder sagen, auch die am lebhaftesten davon berührt werden, die Be¬
wohner der Herzogthümer und ihr Herzog.

Die Lage der herzoglichen Regierung ist allerdings eine schwierige. Der
Bund, die Stimmungen von mehr als dreißig Regierungen, die feindliche Hal¬
tung der Großmächte, und auf der andern Seite die Forderungen des Volkes,
das nach fünfzehn Jahren des Mißtrauens und kränklicher Regierungspolitik
geneigt ist, die Bedeutung der Hilfe zu unterschätzen, welche die heimischen
Regierungen den Herzogthümern gewähren können, und ebenso geneigt ist, die
unmittelbaren praktischen Resultate der außergewöhnlichen Wärme zu überschätzen,
womit es selbst die Lage der Herzogthümer betrachtet. Es gehört sicher zu den
schwersten Aufgaben einer Negierung in partibus, sich auf der einen Seite
nicht den unentbehrlichen guten Willen der bestehenden Regierungen und sou-
veraine zu verscherzen, auf der andern Seite nicht dem Volke fremd zu wer¬
den und ihm nicht Mißtrauen gegen ihre eigene Energie und ihr EinVerständ¬
niß mit seiner warmen Rührigkeit einzuflößen.

Das deutsche Volk ist der älteste und, wenige gute Regierungen ausge¬
nommen, der wärmste Verbündete, welchen die Herzogthümer haben. Und es
war eine große Freude zu erfahren, wie schnell und wie richtig sogleich nach
dem Tode des Dänenkönigs die Sachlage von dem deutschen Volk und dem
bei weitem größten Theil seiner Presse beurtheilt wurde. Die Regierungen
fügten sich, wenige ausgenommen, um so langsamer und zögernder dem Einfluß
der öffentlichen Meinung, je weniger die Pression der Volkswünsche in die
Atmosphäre der Höfe drang. Man würde einigen der Mittelstaaten Unrecht
thun, wenn man läugnen wollte, daß sie von vorn herein Sympathien mit
der legitimen Succession und daß sie Empfindung für die Ehre dieses patriotischen
Kampfes hatten. Aber ohne dem klugen Patriotismus der Herren v. Beust
und v. d. Pfordten zu nahe zu treten, muß man doch der allgemeinen Ueber¬
zeugung Recht geben, daß ihre Höfe zu thatkräftiger Unterstützung Schleswig-
Holsteins nicht vorzugsweise durch ritterliche Sympathien, sondern durch ver¬
ständige Rücksicht auf den eigenen Vortheil gebracht wurden. Ihr eigener Vor¬
theil aber ist, eine große Aufregung im Volke nicht gegen sich arbeiten zu lassen,
sondern dieselbe für die eigene Popularität zu verwerthen. Denn dies ist eine
Angelegenheit, wo sie populär, handeln können, ohne das Theuerste zu gefährden,
und die jämmerliche Position, welche die deutschen Großmächte zur Zeit noch
festhalten, macht ein selbständiges Vorgehen den Anderen um so lohnender.
Wenn der Deutsche die Motive ihres Handelns so beurtheilt, wird er deshalb
nicht undankbar gegen das Gute, welches sie fördern. Aber es ist doch Zeit,
öffentlich auszusprechen, daß ihr guter Wille und ihre Wärme durchaus ab¬
hängig sind von dem Grad des Enthusiasmus und der Opferwilligkeit, welche
sich für die Sache Herzog Friedrich des Achten im deutschen Volke offenbaren, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/45>, abgerufen am 24.07.2024.