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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Halmen die Mühe des Ackersmanns lohnt. Die Saat schützt man vor dem
Flugsande, der bei jedem Winde in mächtigen Wolken umherfliegt, durch Erd¬
wälle. Mitunter zeigt ein kurz nach der Anpflanzung verdorrtes Nadelholz-
Wäldchen, wie dieser Wind und die Ahlerde der Anstrengungen des Menschen
Bäume zu pflanzen spottet.

Die weitere Wanderung liefert kein tröstlicheres Bild. Gleich garstigen
Beulen oder Warzen erheben sich hier und dort, bedeckt mit graugelben G>aS-
büscheln, die Anschwellungen eines Hochmoors. Gleich Brandstellen erscheinen
daneben Senkungen, in denen, von schwarzen Torfwänden umgeben, dunkle
Wasserlachen mit halbverfaulten Resten von Baumstämmen stehen. Dann wie¬
der die unabsehbare Haidekrautflciche in ihrer Einsamkeit und Einförmigkeit.
Alles still, nur bisweilen eine Lerche oder in der Ferne aus dem Schilf einer
Sumpflande das schrille Geschrei eines Moorhuhns.

Mit Mühe erwehrt sich der Reisende der Schwermuth, und mit beschleu¬
nigtem Schritt eilt er den Oasen zu, die zwischen diesen traurigen Einöden sich
jetzt, dank den Regeln der neueren Landwirthschaft und der Ausdauer des
hiesigen Volkes, häusiger finden, als ehedem. Namentlich hat die Erfindung
des Mergelns viel dazu beigetragen, der Hand des Landwirths die Umwandlung
der Wüste in ein wenigstens stellenweise fruchttragendes Land zu erleichtern.
Alte Leute entsinnen sich gar wohl, daß die Haide einst weit tiefer nach Angeln
und Schwansen hineinzüngelte, und selbst jüngere gingen hier noch über un¬
wirthliche Strecken voll Moor und Sand, wo jetzt durch Düngung und Drai-
nirung Roggen und Buchweizen lohnende Ernten liefern und das Bich der
Milchereien reichliche Nahrung findet.

Und andrerseits hat auch die Natur zur Bildung solcher Oasen von An¬
fang an den Grund gelegt. Nur die großen Haiden bei Segeberg und Neu¬
münster und die noch ausgedehnteren, durch welche der Weg Von Flensburg
nach Tondern oder die Straße von Hadersleben nach Lygumklostcr führt, tragen
jenes abschreckende Gepräge. Anderwärts theilt fast überall in geringen Zwischen¬
räumen ein Fluß .oder Bach, der aus schöneren Gegenden im Osten kommt,
wie ein kleiner Nil dem Lande sein Leben und seine Erinnerungen an die
Heimath mit.

Wo irgend ein lebendiges Gewässer durch die Haide rinnt, ist die Scene
sofort eine andere. Ellernbrüche und breitblättrige Wasserpflanzen, Rohrdickichte
und fettes Gras füllen die Senkung. Wiesen treten auf und beackerte Felder
umgeben wohlhäbige Bauernhöfe. Wo aber mehre kleine Bache zusammen¬
treffend einen Fluß gebildet haben, da stehen geschlossene Dörfer mit schönen
Kirchen, behaglichen Wirthshäusern, wohlversehenen Kramläden. Eine Schmiede
sprüht Funken, lustig klappert eine Mühle, und selbst kleine Gärten mit Obst
. und Gemüse fehlen nicht.


Halmen die Mühe des Ackersmanns lohnt. Die Saat schützt man vor dem
Flugsande, der bei jedem Winde in mächtigen Wolken umherfliegt, durch Erd¬
wälle. Mitunter zeigt ein kurz nach der Anpflanzung verdorrtes Nadelholz-
Wäldchen, wie dieser Wind und die Ahlerde der Anstrengungen des Menschen
Bäume zu pflanzen spottet.

Die weitere Wanderung liefert kein tröstlicheres Bild. Gleich garstigen
Beulen oder Warzen erheben sich hier und dort, bedeckt mit graugelben G>aS-
büscheln, die Anschwellungen eines Hochmoors. Gleich Brandstellen erscheinen
daneben Senkungen, in denen, von schwarzen Torfwänden umgeben, dunkle
Wasserlachen mit halbverfaulten Resten von Baumstämmen stehen. Dann wie¬
der die unabsehbare Haidekrautflciche in ihrer Einsamkeit und Einförmigkeit.
Alles still, nur bisweilen eine Lerche oder in der Ferne aus dem Schilf einer
Sumpflande das schrille Geschrei eines Moorhuhns.

Mit Mühe erwehrt sich der Reisende der Schwermuth, und mit beschleu¬
nigtem Schritt eilt er den Oasen zu, die zwischen diesen traurigen Einöden sich
jetzt, dank den Regeln der neueren Landwirthschaft und der Ausdauer des
hiesigen Volkes, häusiger finden, als ehedem. Namentlich hat die Erfindung
des Mergelns viel dazu beigetragen, der Hand des Landwirths die Umwandlung
der Wüste in ein wenigstens stellenweise fruchttragendes Land zu erleichtern.
Alte Leute entsinnen sich gar wohl, daß die Haide einst weit tiefer nach Angeln
und Schwansen hineinzüngelte, und selbst jüngere gingen hier noch über un¬
wirthliche Strecken voll Moor und Sand, wo jetzt durch Düngung und Drai-
nirung Roggen und Buchweizen lohnende Ernten liefern und das Bich der
Milchereien reichliche Nahrung findet.

Und andrerseits hat auch die Natur zur Bildung solcher Oasen von An¬
fang an den Grund gelegt. Nur die großen Haiden bei Segeberg und Neu¬
münster und die noch ausgedehnteren, durch welche der Weg Von Flensburg
nach Tondern oder die Straße von Hadersleben nach Lygumklostcr führt, tragen
jenes abschreckende Gepräge. Anderwärts theilt fast überall in geringen Zwischen¬
räumen ein Fluß .oder Bach, der aus schöneren Gegenden im Osten kommt,
wie ein kleiner Nil dem Lande sein Leben und seine Erinnerungen an die
Heimath mit.

Wo irgend ein lebendiges Gewässer durch die Haide rinnt, ist die Scene
sofort eine andere. Ellernbrüche und breitblättrige Wasserpflanzen, Rohrdickichte
und fettes Gras füllen die Senkung. Wiesen treten auf und beackerte Felder
umgeben wohlhäbige Bauernhöfe. Wo aber mehre kleine Bache zusammen¬
treffend einen Fluß gebildet haben, da stehen geschlossene Dörfer mit schönen
Kirchen, behaglichen Wirthshäusern, wohlversehenen Kramläden. Eine Schmiede
sprüht Funken, lustig klappert eine Mühle, und selbst kleine Gärten mit Obst
. und Gemüse fehlen nicht.


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[0419] Halmen die Mühe des Ackersmanns lohnt. Die Saat schützt man vor dem Flugsande, der bei jedem Winde in mächtigen Wolken umherfliegt, durch Erd¬ wälle. Mitunter zeigt ein kurz nach der Anpflanzung verdorrtes Nadelholz- Wäldchen, wie dieser Wind und die Ahlerde der Anstrengungen des Menschen Bäume zu pflanzen spottet. Die weitere Wanderung liefert kein tröstlicheres Bild. Gleich garstigen Beulen oder Warzen erheben sich hier und dort, bedeckt mit graugelben G>aS- büscheln, die Anschwellungen eines Hochmoors. Gleich Brandstellen erscheinen daneben Senkungen, in denen, von schwarzen Torfwänden umgeben, dunkle Wasserlachen mit halbverfaulten Resten von Baumstämmen stehen. Dann wie¬ der die unabsehbare Haidekrautflciche in ihrer Einsamkeit und Einförmigkeit. Alles still, nur bisweilen eine Lerche oder in der Ferne aus dem Schilf einer Sumpflande das schrille Geschrei eines Moorhuhns. Mit Mühe erwehrt sich der Reisende der Schwermuth, und mit beschleu¬ nigtem Schritt eilt er den Oasen zu, die zwischen diesen traurigen Einöden sich jetzt, dank den Regeln der neueren Landwirthschaft und der Ausdauer des hiesigen Volkes, häusiger finden, als ehedem. Namentlich hat die Erfindung des Mergelns viel dazu beigetragen, der Hand des Landwirths die Umwandlung der Wüste in ein wenigstens stellenweise fruchttragendes Land zu erleichtern. Alte Leute entsinnen sich gar wohl, daß die Haide einst weit tiefer nach Angeln und Schwansen hineinzüngelte, und selbst jüngere gingen hier noch über un¬ wirthliche Strecken voll Moor und Sand, wo jetzt durch Düngung und Drai- nirung Roggen und Buchweizen lohnende Ernten liefern und das Bich der Milchereien reichliche Nahrung findet. Und andrerseits hat auch die Natur zur Bildung solcher Oasen von An¬ fang an den Grund gelegt. Nur die großen Haiden bei Segeberg und Neu¬ münster und die noch ausgedehnteren, durch welche der Weg Von Flensburg nach Tondern oder die Straße von Hadersleben nach Lygumklostcr führt, tragen jenes abschreckende Gepräge. Anderwärts theilt fast überall in geringen Zwischen¬ räumen ein Fluß .oder Bach, der aus schöneren Gegenden im Osten kommt, wie ein kleiner Nil dem Lande sein Leben und seine Erinnerungen an die Heimath mit. Wo irgend ein lebendiges Gewässer durch die Haide rinnt, ist die Scene sofort eine andere. Ellernbrüche und breitblättrige Wasserpflanzen, Rohrdickichte und fettes Gras füllen die Senkung. Wiesen treten auf und beackerte Felder umgeben wohlhäbige Bauernhöfe. Wo aber mehre kleine Bache zusammen¬ treffend einen Fluß gebildet haben, da stehen geschlossene Dörfer mit schönen Kirchen, behaglichen Wirthshäusern, wohlversehenen Kramläden. Eine Schmiede sprüht Funken, lustig klappert eine Mühle, und selbst kleine Gärten mit Obst . und Gemüse fehlen nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/419>, abgerufen am 24.07.2024.