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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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dann der nur mäßig großen Wälder dieser Gegenden ist die Buche. Land¬
schaftliche Romantik, Felsen, Wasserfälle, Burg- und Klosterruinen sucht man
fast allenthalben vergebens. Desto häufiger sind Gemälde friedlichen Behagens
und Gedeihens, und sehr oft begegnet das Auge Gegenden, die durch ihre
Lieblichkeit entzücken.

Wenige Strecken ausgenommen, wo die Haide sich in das Bild 'herein¬
drängt, ist der ganze vierzig Meilen lange Küstenstreifen von der neustädter bis
zur koldinger Bucht bald in größerer, bald in geringerer Breite ein einziger
großer Naturpark, emporgestiegen vom Schooße der blauen Ostsee und geformt
von den Geistern ihrer Wellen. Fast allerwärts ist die Straße von jenen
Hecken, in der Volkssprache Knicks beschattet, die in den sogenannten Rettern,
engeren Seitenwegen, oft so nahe zusammentreten, daß sie förmliche Laubengänge
bilden. Mitunter bestehen diese lebendigen Mauern, innerhalb deren Getreide¬
felderreifen oder Heerden rother Milchkühe grasen, auf lange Strecken aus Zier¬
sträuchern, Flieder, Jelängerjelieber, Hundsrosen, in der Regel aber an§ Erlen,
Weiden, Häseln oder Eschen. Mit allerlei Ranken. Farrenkraut, Brombeeren
und Kletten durchwachsen. Verbergen und öffnen sie immer aufs Neue die vor
dem Wanderer gelegene Gegend, und nur die Kirchthürme und die hohen bunten
holländischen Windmühlen verkünden die Nähe von Dörfern. Letztere zeigen
namentlich jenseits der Schlei sehr stattliche Gehöfte, die mit ihren rothen Ziegel¬
wänden und ihren mächtigen Strohdächern, auf welchen ein Storchnest nicht
fehlen darf, zugleich den behaglichsten Eindruck machen. Prächtig sind die
Buchenholzungen mit ihren stolzen Stämmen und ihren dunkelbelaubten Wipfeln,
und sehr anmuthig heben sie sich, aus der Ferne betrachtet, von der Meeres¬
bläue, dem Netz der Heckenumfriedigung und den hellgrünen Wiesen, dem gelben
Korn oder Raps in den Maschen dieses über die ganze Fläche gebreiteten Netzes
ab. Höchst wechselvoll endlich ist die Formation der Hügelgruppen, die bald
aus sanften Lehnen, bald aus steilen Kegeln bestehen, bald mit verschieden¬
farbigen Saatfeldern gestreift sind, bald sich als waldgekrönte Halbkugeln aus
lichtgrüner Grasebene erheben, bald wieder als wiesenbekleidete sonnenhelle
Kuppen aus einem Kranze dunklen Baumschlags emporsteigen.

Nur auf den höchsten dieser Hügel, auf dem Hessenstein in Ostholstein,
dem Silberberg zwischen Eckernförde und Rendsburg, dem Schiersberg in Angeln,
der Skamlingsbank in Nordschleswig, kommt es zu weiten Aussichten, aber
gerade die Beschränktheit des Horizonts ist es, was dem Lande einen solchen
idyllischen Charakter verleiht, und andrerseits liegt gerade in ihr die Ursache
mannigfacher Überraschungen. Plötzlich thut sich der Wald, die Hcckengasse
oder die Hügelkette auf, und eine jener herrlichen Buchten, welche der Stolz
Schleswig-Holsteins sind, oder die Fläche des offenen Meeres wird sichtbar.
Am gelben Gestade plätschern die Wellen. Weiße Segel gaukeln auf der blauen


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dann der nur mäßig großen Wälder dieser Gegenden ist die Buche. Land¬
schaftliche Romantik, Felsen, Wasserfälle, Burg- und Klosterruinen sucht man
fast allenthalben vergebens. Desto häufiger sind Gemälde friedlichen Behagens
und Gedeihens, und sehr oft begegnet das Auge Gegenden, die durch ihre
Lieblichkeit entzücken.

Wenige Strecken ausgenommen, wo die Haide sich in das Bild 'herein¬
drängt, ist der ganze vierzig Meilen lange Küstenstreifen von der neustädter bis
zur koldinger Bucht bald in größerer, bald in geringerer Breite ein einziger
großer Naturpark, emporgestiegen vom Schooße der blauen Ostsee und geformt
von den Geistern ihrer Wellen. Fast allerwärts ist die Straße von jenen
Hecken, in der Volkssprache Knicks beschattet, die in den sogenannten Rettern,
engeren Seitenwegen, oft so nahe zusammentreten, daß sie förmliche Laubengänge
bilden. Mitunter bestehen diese lebendigen Mauern, innerhalb deren Getreide¬
felderreifen oder Heerden rother Milchkühe grasen, auf lange Strecken aus Zier¬
sträuchern, Flieder, Jelängerjelieber, Hundsrosen, in der Regel aber an§ Erlen,
Weiden, Häseln oder Eschen. Mit allerlei Ranken. Farrenkraut, Brombeeren
und Kletten durchwachsen. Verbergen und öffnen sie immer aufs Neue die vor
dem Wanderer gelegene Gegend, und nur die Kirchthürme und die hohen bunten
holländischen Windmühlen verkünden die Nähe von Dörfern. Letztere zeigen
namentlich jenseits der Schlei sehr stattliche Gehöfte, die mit ihren rothen Ziegel¬
wänden und ihren mächtigen Strohdächern, auf welchen ein Storchnest nicht
fehlen darf, zugleich den behaglichsten Eindruck machen. Prächtig sind die
Buchenholzungen mit ihren stolzen Stämmen und ihren dunkelbelaubten Wipfeln,
und sehr anmuthig heben sie sich, aus der Ferne betrachtet, von der Meeres¬
bläue, dem Netz der Heckenumfriedigung und den hellgrünen Wiesen, dem gelben
Korn oder Raps in den Maschen dieses über die ganze Fläche gebreiteten Netzes
ab. Höchst wechselvoll endlich ist die Formation der Hügelgruppen, die bald
aus sanften Lehnen, bald aus steilen Kegeln bestehen, bald mit verschieden¬
farbigen Saatfeldern gestreift sind, bald sich als waldgekrönte Halbkugeln aus
lichtgrüner Grasebene erheben, bald wieder als wiesenbekleidete sonnenhelle
Kuppen aus einem Kranze dunklen Baumschlags emporsteigen.

Nur auf den höchsten dieser Hügel, auf dem Hessenstein in Ostholstein,
dem Silberberg zwischen Eckernförde und Rendsburg, dem Schiersberg in Angeln,
der Skamlingsbank in Nordschleswig, kommt es zu weiten Aussichten, aber
gerade die Beschränktheit des Horizonts ist es, was dem Lande einen solchen
idyllischen Charakter verleiht, und andrerseits liegt gerade in ihr die Ursache
mannigfacher Überraschungen. Plötzlich thut sich der Wald, die Hcckengasse
oder die Hügelkette auf, und eine jener herrlichen Buchten, welche der Stolz
Schleswig-Holsteins sind, oder die Fläche des offenen Meeres wird sichtbar.
Am gelben Gestade plätschern die Wellen. Weiße Segel gaukeln auf der blauen


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[0417] dann der nur mäßig großen Wälder dieser Gegenden ist die Buche. Land¬ schaftliche Romantik, Felsen, Wasserfälle, Burg- und Klosterruinen sucht man fast allenthalben vergebens. Desto häufiger sind Gemälde friedlichen Behagens und Gedeihens, und sehr oft begegnet das Auge Gegenden, die durch ihre Lieblichkeit entzücken. Wenige Strecken ausgenommen, wo die Haide sich in das Bild 'herein¬ drängt, ist der ganze vierzig Meilen lange Küstenstreifen von der neustädter bis zur koldinger Bucht bald in größerer, bald in geringerer Breite ein einziger großer Naturpark, emporgestiegen vom Schooße der blauen Ostsee und geformt von den Geistern ihrer Wellen. Fast allerwärts ist die Straße von jenen Hecken, in der Volkssprache Knicks beschattet, die in den sogenannten Rettern, engeren Seitenwegen, oft so nahe zusammentreten, daß sie förmliche Laubengänge bilden. Mitunter bestehen diese lebendigen Mauern, innerhalb deren Getreide¬ felderreifen oder Heerden rother Milchkühe grasen, auf lange Strecken aus Zier¬ sträuchern, Flieder, Jelängerjelieber, Hundsrosen, in der Regel aber an§ Erlen, Weiden, Häseln oder Eschen. Mit allerlei Ranken. Farrenkraut, Brombeeren und Kletten durchwachsen. Verbergen und öffnen sie immer aufs Neue die vor dem Wanderer gelegene Gegend, und nur die Kirchthürme und die hohen bunten holländischen Windmühlen verkünden die Nähe von Dörfern. Letztere zeigen namentlich jenseits der Schlei sehr stattliche Gehöfte, die mit ihren rothen Ziegel¬ wänden und ihren mächtigen Strohdächern, auf welchen ein Storchnest nicht fehlen darf, zugleich den behaglichsten Eindruck machen. Prächtig sind die Buchenholzungen mit ihren stolzen Stämmen und ihren dunkelbelaubten Wipfeln, und sehr anmuthig heben sie sich, aus der Ferne betrachtet, von der Meeres¬ bläue, dem Netz der Heckenumfriedigung und den hellgrünen Wiesen, dem gelben Korn oder Raps in den Maschen dieses über die ganze Fläche gebreiteten Netzes ab. Höchst wechselvoll endlich ist die Formation der Hügelgruppen, die bald aus sanften Lehnen, bald aus steilen Kegeln bestehen, bald mit verschieden¬ farbigen Saatfeldern gestreift sind, bald sich als waldgekrönte Halbkugeln aus lichtgrüner Grasebene erheben, bald wieder als wiesenbekleidete sonnenhelle Kuppen aus einem Kranze dunklen Baumschlags emporsteigen. Nur auf den höchsten dieser Hügel, auf dem Hessenstein in Ostholstein, dem Silberberg zwischen Eckernförde und Rendsburg, dem Schiersberg in Angeln, der Skamlingsbank in Nordschleswig, kommt es zu weiten Aussichten, aber gerade die Beschränktheit des Horizonts ist es, was dem Lande einen solchen idyllischen Charakter verleiht, und andrerseits liegt gerade in ihr die Ursache mannigfacher Überraschungen. Plötzlich thut sich der Wald, die Hcckengasse oder die Hügelkette auf, und eine jener herrlichen Buchten, welche der Stolz Schleswig-Holsteins sind, oder die Fläche des offenen Meeres wird sichtbar. Am gelben Gestade plätschern die Wellen. Weiße Segel gaukeln auf der blauen 52*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/417>, abgerufen am 24.07.2024.