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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Militärgeistlichen ist daher nicht nur weit ungünstiger als jenes der sogenannten
Weltpriester, sondern auch als das der übrigen Militärbeamten. Es fällt auf,
daß die Geistlichkeit bei ihrem außerordentlichen Einflüsse auf die meisten Staats¬
gewalten nicht besser für die Militärseelsorgcr zu sorgen gewußt hat. Doch liegt
der Grund hiervon sehr nahe. Die höheren Würdenträger betrachten fast ohne
Ausnahme die Militärgeistlichen gar nicht als ihre Angehörigen und geben den¬
selben nur ungern eine Pfarre in ihrer Diöcese. Militärgeistliche können näm¬
lich, wenn sie eine gewisse Zahl von Jahren bei einem Regimente als Kapläne
fungirt haben, sich nach Ablegung einer Prüfung um erledigte Pfarrstellen be¬
werben. Es ist Thatsache, daß ein gewisser Cardinal, welcher als der erste
Verfechter des Papstthums und der Reaction bekannt ist, als er einst um eine
Pfarrstelle für einen verdienten Feldt'aplan ersucht wurde, die Antwort ertheilte:
"Gott bewahre mich davor, daß ich einen solchen ausgedienter Soldaten in
meinen Sprengel aufnehmen sollte; diese Feldpater sind dem T -- ohne Aus¬
nahme verfallen." Es sind aber auch die Feldgeistlichen in der Regel Männer,
welche durch ihren Liberalismus und ihre tolerante Gesinnung den Ultramon¬
tanen ein Dorn im Auge sein müssen. Auf die stete Gesellschaft der Offiziere
angewiesen, von welchen wenigstens einige anderen Konfessionen angehören und
bei dem unter dem Mittelstande sich mehr und mehr ausbreitenden Jndifferen-
tismus wird es auch diesen Priestern fast unmöglich gemacht, jenen Zelotismus
und jene Intoleranz, wie man sie bei dem größten Theile der übrigen Klerisei
im Oestreich antrifft, auf die Länge der Zeit zu bewahren. Und man findet
darum auch viele Militärgeistliche, welche -- ohne jedoch ihre Pflicht und das
Ansehen ihres Standes zu verletzen -- bei keiner Gesellschaft der Offiziere fehlen
und von den letzteren ganz als Kameraden behandelt werden. Der letzte ita¬
lienische Krieg hat mehre denkwürdige Beispiele der unerschrockensten Pflicht¬
erfüllung und der schönsten christlichen Liebe östreichischer Feldt'apläne gesehn.
Einige haben unter dem stärksten feindlichen Kugelregen den Verwundeten ihres
Regimentes leiblichen und geistigen Beistand geleistet! -- Die geringen Hoff¬
nungen, welche den Feldgeistlichen winkten, konnten übrigens nur selten einen
kenntnißreichen und höher strebenden jungen Mann dazu bewegen, sich diesem
Stande zu widmen, daher sich im Allgemeinen nur solche Kandidaten zur Auf¬
nahme in den Feldklerus meldeten, welchen auf keiner anderen Seite eine
günstige Zukunft in Aussicht stand. Namentlich aber bewarben sich von jeher
mit besonderem Eifer die Ordenspriester um die erledigten Feldkaplanstellen
und es versahen dieselben ihre Functionen auch gewöhnlich bis an ihr Lebens¬
ende, da einerseits das Leben unter den Soldaten ungleich angenehmer und
ungebundener als der Aufenthalt in den Klostermauern war, anderseits aber
ihnen, im Falle sie ihre Functionen nicht mehr erfüllen konnten, nicht etwa
ein anständiger Ruhegehalt, sondern nur die Rückkehr in die strenge Clausur


Militärgeistlichen ist daher nicht nur weit ungünstiger als jenes der sogenannten
Weltpriester, sondern auch als das der übrigen Militärbeamten. Es fällt auf,
daß die Geistlichkeit bei ihrem außerordentlichen Einflüsse auf die meisten Staats¬
gewalten nicht besser für die Militärseelsorgcr zu sorgen gewußt hat. Doch liegt
der Grund hiervon sehr nahe. Die höheren Würdenträger betrachten fast ohne
Ausnahme die Militärgeistlichen gar nicht als ihre Angehörigen und geben den¬
selben nur ungern eine Pfarre in ihrer Diöcese. Militärgeistliche können näm¬
lich, wenn sie eine gewisse Zahl von Jahren bei einem Regimente als Kapläne
fungirt haben, sich nach Ablegung einer Prüfung um erledigte Pfarrstellen be¬
werben. Es ist Thatsache, daß ein gewisser Cardinal, welcher als der erste
Verfechter des Papstthums und der Reaction bekannt ist, als er einst um eine
Pfarrstelle für einen verdienten Feldt'aplan ersucht wurde, die Antwort ertheilte:
„Gott bewahre mich davor, daß ich einen solchen ausgedienter Soldaten in
meinen Sprengel aufnehmen sollte; diese Feldpater sind dem T — ohne Aus¬
nahme verfallen." Es sind aber auch die Feldgeistlichen in der Regel Männer,
welche durch ihren Liberalismus und ihre tolerante Gesinnung den Ultramon¬
tanen ein Dorn im Auge sein müssen. Auf die stete Gesellschaft der Offiziere
angewiesen, von welchen wenigstens einige anderen Konfessionen angehören und
bei dem unter dem Mittelstande sich mehr und mehr ausbreitenden Jndifferen-
tismus wird es auch diesen Priestern fast unmöglich gemacht, jenen Zelotismus
und jene Intoleranz, wie man sie bei dem größten Theile der übrigen Klerisei
im Oestreich antrifft, auf die Länge der Zeit zu bewahren. Und man findet
darum auch viele Militärgeistliche, welche — ohne jedoch ihre Pflicht und das
Ansehen ihres Standes zu verletzen — bei keiner Gesellschaft der Offiziere fehlen
und von den letzteren ganz als Kameraden behandelt werden. Der letzte ita¬
lienische Krieg hat mehre denkwürdige Beispiele der unerschrockensten Pflicht¬
erfüllung und der schönsten christlichen Liebe östreichischer Feldt'apläne gesehn.
Einige haben unter dem stärksten feindlichen Kugelregen den Verwundeten ihres
Regimentes leiblichen und geistigen Beistand geleistet! — Die geringen Hoff¬
nungen, welche den Feldgeistlichen winkten, konnten übrigens nur selten einen
kenntnißreichen und höher strebenden jungen Mann dazu bewegen, sich diesem
Stande zu widmen, daher sich im Allgemeinen nur solche Kandidaten zur Auf¬
nahme in den Feldklerus meldeten, welchen auf keiner anderen Seite eine
günstige Zukunft in Aussicht stand. Namentlich aber bewarben sich von jeher
mit besonderem Eifer die Ordenspriester um die erledigten Feldkaplanstellen
und es versahen dieselben ihre Functionen auch gewöhnlich bis an ihr Lebens¬
ende, da einerseits das Leben unter den Soldaten ungleich angenehmer und
ungebundener als der Aufenthalt in den Klostermauern war, anderseits aber
ihnen, im Falle sie ihre Functionen nicht mehr erfüllen konnten, nicht etwa
ein anständiger Ruhegehalt, sondern nur die Rückkehr in die strenge Clausur


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[0395] Militärgeistlichen ist daher nicht nur weit ungünstiger als jenes der sogenannten Weltpriester, sondern auch als das der übrigen Militärbeamten. Es fällt auf, daß die Geistlichkeit bei ihrem außerordentlichen Einflüsse auf die meisten Staats¬ gewalten nicht besser für die Militärseelsorgcr zu sorgen gewußt hat. Doch liegt der Grund hiervon sehr nahe. Die höheren Würdenträger betrachten fast ohne Ausnahme die Militärgeistlichen gar nicht als ihre Angehörigen und geben den¬ selben nur ungern eine Pfarre in ihrer Diöcese. Militärgeistliche können näm¬ lich, wenn sie eine gewisse Zahl von Jahren bei einem Regimente als Kapläne fungirt haben, sich nach Ablegung einer Prüfung um erledigte Pfarrstellen be¬ werben. Es ist Thatsache, daß ein gewisser Cardinal, welcher als der erste Verfechter des Papstthums und der Reaction bekannt ist, als er einst um eine Pfarrstelle für einen verdienten Feldt'aplan ersucht wurde, die Antwort ertheilte: „Gott bewahre mich davor, daß ich einen solchen ausgedienter Soldaten in meinen Sprengel aufnehmen sollte; diese Feldpater sind dem T — ohne Aus¬ nahme verfallen." Es sind aber auch die Feldgeistlichen in der Regel Männer, welche durch ihren Liberalismus und ihre tolerante Gesinnung den Ultramon¬ tanen ein Dorn im Auge sein müssen. Auf die stete Gesellschaft der Offiziere angewiesen, von welchen wenigstens einige anderen Konfessionen angehören und bei dem unter dem Mittelstande sich mehr und mehr ausbreitenden Jndifferen- tismus wird es auch diesen Priestern fast unmöglich gemacht, jenen Zelotismus und jene Intoleranz, wie man sie bei dem größten Theile der übrigen Klerisei im Oestreich antrifft, auf die Länge der Zeit zu bewahren. Und man findet darum auch viele Militärgeistliche, welche — ohne jedoch ihre Pflicht und das Ansehen ihres Standes zu verletzen — bei keiner Gesellschaft der Offiziere fehlen und von den letzteren ganz als Kameraden behandelt werden. Der letzte ita¬ lienische Krieg hat mehre denkwürdige Beispiele der unerschrockensten Pflicht¬ erfüllung und der schönsten christlichen Liebe östreichischer Feldt'apläne gesehn. Einige haben unter dem stärksten feindlichen Kugelregen den Verwundeten ihres Regimentes leiblichen und geistigen Beistand geleistet! — Die geringen Hoff¬ nungen, welche den Feldgeistlichen winkten, konnten übrigens nur selten einen kenntnißreichen und höher strebenden jungen Mann dazu bewegen, sich diesem Stande zu widmen, daher sich im Allgemeinen nur solche Kandidaten zur Auf¬ nahme in den Feldklerus meldeten, welchen auf keiner anderen Seite eine günstige Zukunft in Aussicht stand. Namentlich aber bewarben sich von jeher mit besonderem Eifer die Ordenspriester um die erledigten Feldkaplanstellen und es versahen dieselben ihre Functionen auch gewöhnlich bis an ihr Lebens¬ ende, da einerseits das Leben unter den Soldaten ungleich angenehmer und ungebundener als der Aufenthalt in den Klostermauern war, anderseits aber ihnen, im Falle sie ihre Functionen nicht mehr erfüllen konnten, nicht etwa ein anständiger Ruhegehalt, sondern nur die Rückkehr in die strenge Clausur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/395>, abgerufen am 24.07.2024.