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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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durch ein Circularrescript aus dem Ministerium des Innern vom 9. Den. 1831
schon an eine Menge von Bedingungen geknüpft worden. Es sollen Pässe
zum Productenhandel nur noch solchen Angehörigen der Städte und Flecken
ausgestellt werden, welche das Bürger- oder Einwohnerrecht besitzen, das Zeug¬
niß eines unbescholtenen Lebenswandels haben und niemals wegen Eingriffs in
fremdes Eigenthum, unter obwaltenden starken Verdacht, in Untersuchung ge¬
wesen sind, die öffentlichen Abgaben stets vollständig entrichtet haben, nach der
Zeit ihrer Aufnahme als Bürger von körperlichen Gebrechen befallen sind, die
sie unfähig machen, ihren bisherigen selbständigen Nahrungsbetrieb fortzusetzen,
endlich neben den erforderlichen Nachweisungen über alle diese Punkte noch eine
obrigkeitlich beglaubigte Beschreibung ihrer Person einreichen. Auch bei den
damit vorgezeichneten Grenzen bot dieser Betrieb bisher noch immer einer
größeren Anzahl von gebrechlichen Personen, die sonst der Armenkasse zur Last
fallen würden, eine Gelegenheit zum Erwerb, und den kleinen Leuten auf dem
Lande einen Absatzweg dar, welcher einen um so höheren Werth für sie hat,
als nach mecklenburgischer Gesetzgebung Niederlagen aufgekaufter Producte auf
dem Lande verboten sind, auch den auf dem Lande wohnenden Personen der
Productenankauf nicht gestattet ist.

Diese Productenhändler waren es, gegen welche der Rittmeister a. D.
v. Gundlach auf Möllenhagen mit einem Antrage hervorging, welchem die
Ritterschaft des Amtes Neustadt ihre Unterstützung lieh. Der Antragsteller
beschuldigte diese Leute ganz allgemein, daß sie das niedere Landvolk zu Ver¬
untreuungen anreizten und eine sich noch immer steigernde Demoralisation unter
demselben angerichtet hätten. Ihnen ward ferner vorgeworfen, daß sie den
Tagelöhnern die zur Erhaltung des Hauswesens nöthigen Vorräthe entführten
und ihnen dafür allerlei Tand aufdrängten, auch daß sie die günstige Gelegen¬
heit benutzten, dem Gutsherrn die Feldfrüchte und das Futter vom Felde zu
stehlen. Hierauf stützte sich die Forderung, daß die Productenhändler gänzlich
beseitigt, öder, wenn dies nicht durchzusetzen, wenigstens auf eine geringe Zahl
beschränkt und auf das Schärfste überwacht werden möchten. Die gleiche Ten¬
denz verfolgte ein Antrag des Kammerherrn v. Behr-Negendanck auf Passow,
welchen die Ritterschaft des Amtes Lübz sich angeeignet hatte.

Von Seiten einiger Bürgermeister, welche das Interesse ihrer Armenkassen
ins Auge faßten, wurden bei der Verhandlung die Nachtheile hervorgehoben,
welche aus den beantragten Maßnahmen sich für die ländliche Bevölkerung er¬
geben würden. Auch protestirten sie gegen die Allgemeinheit der Beschuldigungen;
es gezieme sich nicht, wegen einzelner Ausnahmen vielen ehrlichen Leuten die
Gelegenheit des Erwerbes abzuschneiden. Es gelang diesen Bemühungen, dem
ständischen Beschlusse eine Wendung zu geben, durch welche dem Zwecke der
Antragsteller nur sehr ungenügend entsprochen ward. Es ward beschlossen: die


durch ein Circularrescript aus dem Ministerium des Innern vom 9. Den. 1831
schon an eine Menge von Bedingungen geknüpft worden. Es sollen Pässe
zum Productenhandel nur noch solchen Angehörigen der Städte und Flecken
ausgestellt werden, welche das Bürger- oder Einwohnerrecht besitzen, das Zeug¬
niß eines unbescholtenen Lebenswandels haben und niemals wegen Eingriffs in
fremdes Eigenthum, unter obwaltenden starken Verdacht, in Untersuchung ge¬
wesen sind, die öffentlichen Abgaben stets vollständig entrichtet haben, nach der
Zeit ihrer Aufnahme als Bürger von körperlichen Gebrechen befallen sind, die
sie unfähig machen, ihren bisherigen selbständigen Nahrungsbetrieb fortzusetzen,
endlich neben den erforderlichen Nachweisungen über alle diese Punkte noch eine
obrigkeitlich beglaubigte Beschreibung ihrer Person einreichen. Auch bei den
damit vorgezeichneten Grenzen bot dieser Betrieb bisher noch immer einer
größeren Anzahl von gebrechlichen Personen, die sonst der Armenkasse zur Last
fallen würden, eine Gelegenheit zum Erwerb, und den kleinen Leuten auf dem
Lande einen Absatzweg dar, welcher einen um so höheren Werth für sie hat,
als nach mecklenburgischer Gesetzgebung Niederlagen aufgekaufter Producte auf
dem Lande verboten sind, auch den auf dem Lande wohnenden Personen der
Productenankauf nicht gestattet ist.

Diese Productenhändler waren es, gegen welche der Rittmeister a. D.
v. Gundlach auf Möllenhagen mit einem Antrage hervorging, welchem die
Ritterschaft des Amtes Neustadt ihre Unterstützung lieh. Der Antragsteller
beschuldigte diese Leute ganz allgemein, daß sie das niedere Landvolk zu Ver¬
untreuungen anreizten und eine sich noch immer steigernde Demoralisation unter
demselben angerichtet hätten. Ihnen ward ferner vorgeworfen, daß sie den
Tagelöhnern die zur Erhaltung des Hauswesens nöthigen Vorräthe entführten
und ihnen dafür allerlei Tand aufdrängten, auch daß sie die günstige Gelegen¬
heit benutzten, dem Gutsherrn die Feldfrüchte und das Futter vom Felde zu
stehlen. Hierauf stützte sich die Forderung, daß die Productenhändler gänzlich
beseitigt, öder, wenn dies nicht durchzusetzen, wenigstens auf eine geringe Zahl
beschränkt und auf das Schärfste überwacht werden möchten. Die gleiche Ten¬
denz verfolgte ein Antrag des Kammerherrn v. Behr-Negendanck auf Passow,
welchen die Ritterschaft des Amtes Lübz sich angeeignet hatte.

Von Seiten einiger Bürgermeister, welche das Interesse ihrer Armenkassen
ins Auge faßten, wurden bei der Verhandlung die Nachtheile hervorgehoben,
welche aus den beantragten Maßnahmen sich für die ländliche Bevölkerung er¬
geben würden. Auch protestirten sie gegen die Allgemeinheit der Beschuldigungen;
es gezieme sich nicht, wegen einzelner Ausnahmen vielen ehrlichen Leuten die
Gelegenheit des Erwerbes abzuschneiden. Es gelang diesen Bemühungen, dem
ständischen Beschlusse eine Wendung zu geben, durch welche dem Zwecke der
Antragsteller nur sehr ungenügend entsprochen ward. Es ward beschlossen: die


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[0376] durch ein Circularrescript aus dem Ministerium des Innern vom 9. Den. 1831 schon an eine Menge von Bedingungen geknüpft worden. Es sollen Pässe zum Productenhandel nur noch solchen Angehörigen der Städte und Flecken ausgestellt werden, welche das Bürger- oder Einwohnerrecht besitzen, das Zeug¬ niß eines unbescholtenen Lebenswandels haben und niemals wegen Eingriffs in fremdes Eigenthum, unter obwaltenden starken Verdacht, in Untersuchung ge¬ wesen sind, die öffentlichen Abgaben stets vollständig entrichtet haben, nach der Zeit ihrer Aufnahme als Bürger von körperlichen Gebrechen befallen sind, die sie unfähig machen, ihren bisherigen selbständigen Nahrungsbetrieb fortzusetzen, endlich neben den erforderlichen Nachweisungen über alle diese Punkte noch eine obrigkeitlich beglaubigte Beschreibung ihrer Person einreichen. Auch bei den damit vorgezeichneten Grenzen bot dieser Betrieb bisher noch immer einer größeren Anzahl von gebrechlichen Personen, die sonst der Armenkasse zur Last fallen würden, eine Gelegenheit zum Erwerb, und den kleinen Leuten auf dem Lande einen Absatzweg dar, welcher einen um so höheren Werth für sie hat, als nach mecklenburgischer Gesetzgebung Niederlagen aufgekaufter Producte auf dem Lande verboten sind, auch den auf dem Lande wohnenden Personen der Productenankauf nicht gestattet ist. Diese Productenhändler waren es, gegen welche der Rittmeister a. D. v. Gundlach auf Möllenhagen mit einem Antrage hervorging, welchem die Ritterschaft des Amtes Neustadt ihre Unterstützung lieh. Der Antragsteller beschuldigte diese Leute ganz allgemein, daß sie das niedere Landvolk zu Ver¬ untreuungen anreizten und eine sich noch immer steigernde Demoralisation unter demselben angerichtet hätten. Ihnen ward ferner vorgeworfen, daß sie den Tagelöhnern die zur Erhaltung des Hauswesens nöthigen Vorräthe entführten und ihnen dafür allerlei Tand aufdrängten, auch daß sie die günstige Gelegen¬ heit benutzten, dem Gutsherrn die Feldfrüchte und das Futter vom Felde zu stehlen. Hierauf stützte sich die Forderung, daß die Productenhändler gänzlich beseitigt, öder, wenn dies nicht durchzusetzen, wenigstens auf eine geringe Zahl beschränkt und auf das Schärfste überwacht werden möchten. Die gleiche Ten¬ denz verfolgte ein Antrag des Kammerherrn v. Behr-Negendanck auf Passow, welchen die Ritterschaft des Amtes Lübz sich angeeignet hatte. Von Seiten einiger Bürgermeister, welche das Interesse ihrer Armenkassen ins Auge faßten, wurden bei der Verhandlung die Nachtheile hervorgehoben, welche aus den beantragten Maßnahmen sich für die ländliche Bevölkerung er¬ geben würden. Auch protestirten sie gegen die Allgemeinheit der Beschuldigungen; es gezieme sich nicht, wegen einzelner Ausnahmen vielen ehrlichen Leuten die Gelegenheit des Erwerbes abzuschneiden. Es gelang diesen Bemühungen, dem ständischen Beschlusse eine Wendung zu geben, durch welche dem Zwecke der Antragsteller nur sehr ungenügend entsprochen ward. Es ward beschlossen: die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/376>, abgerufen am 22.06.2024.