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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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druckten Werke natürlich in unbedingter Vollständigkeit gegeben. Das dem
Prospect beigefügte Verzeichnis) wird kaum eine erhebliche Vervollständigung oder
Berichtigung erfahren, während auch eifrige Sammler manches Seltene und
Neue, natürlich nicht unter den Hauptwerken, finden werden. Die Frage nach
der Echtheit des Aufzunehmenden ist selten auch nur auszuwerfen; Beethovens
ausgeprägte Individualität giebt einen so bestimmten Maßstab, daß ein Ver-
such, ihm etwas unterzuschieben, nicht auf Erfolg zu rechnen hätte. Ein paar
Kleinigkeiten, die unter Beethovens Namen erschienen sind, aber ohne innere
wie äußere Beglaubigung und ohne allgemeine Anerkennung und Verbreitung
haben daher wie billig keinen Platz gefunden.

Schwierigkeiten können wohl nur die Arrangements machen. Natürlich
nicht die, welche wie Klavierauszüge oder vierhändige Uebertragungen den
Zweck haben, Liebhabern ein ihnen sonst nicht zugängliches Musikwerk durch
diese Bearbeitung spiclbar zu mache", sondern solche, welche durch eine nach
Maßgabe der anders gewählten Instrumente durchgeführte Umformung Anspruch
auf Originalität oder doch wenigstens auf Selbständigkeit machen, welche authen¬
tisch also nur vom Komponisten ausgehen können. Beethoven hat sich wieder¬
holt energisch gegen die anmaßliche Täuschung erklärt, mit welcher beliebige
Arrangements seiner Compositionen als Originalwerke ausgeboten wurden, und
nichts derartiges gehört in eine Ausgabe seiner Werke. Aber Beethoven hat
auch solche Umarbeitungen selbst vorgenommen; er hat nach Mozarts Beispiel
aus einem Octett für Blasinstrumente (0p. 103), das er selbst später in
dieser Gestalt veröffentlicht hal, ein Quintett für Saiteninstrumente
(0p. 4) gemacht und drucken lassen; er hat seine zweite Symphonie
(0p. 36) und ebenso das bekannte Septett (0p. 20) zu einem Klaviertrio
(0p. 38) arrangirt, und das letztere hielt er gut genug seinem Arzt Schmid nach
einer schweren Krankheit zu widmen; zu einem Klavier-Quartett bearbeitete
er das Quintett für Klavier und Blasinstrumente (0p. 16) und eine Klavier¬
sonate als Quartett für Saiteninstrumente, auch schrieb er sein Violincon¬
cert zu einem Klaviercvncert um. Was von Bearbeitungen der Art als un¬
zweifelhaft von Beethoven herrührend nachzuweisen ist, hat auch ein Anrecht auf
eine Stelle unter den sämmtlichen Werten, und manche von ihnen rechtfertigen
dies durch ein eigenthümliches Interesse. Aber auf diesem Gebiete finden noch
Zweifel statt, es sind weder alle Bearbeitungen, welche Beethoven notorisch
vorgenommen hat, als wirklich vorhanden nachgewiesen, noch mit völliger Sicher¬
heit ermittelt, wie weit die vorhandenen wirklich authentisch sind.

Zur Vollständigkeit kann man es gewissermaßen noch rechnen, daß alles
auch in vollständiger Gestalt erscheint d. h. alle irgend mehrstimmige Kom¬
positionen in Partitur, welche das Ganze darstellt, wie der Componist es
im Geiste trug und niederschrieb, der Musiker lesend innerlich lebendig repro-


Grcnjbotm I. 18V4, 40

druckten Werke natürlich in unbedingter Vollständigkeit gegeben. Das dem
Prospect beigefügte Verzeichnis) wird kaum eine erhebliche Vervollständigung oder
Berichtigung erfahren, während auch eifrige Sammler manches Seltene und
Neue, natürlich nicht unter den Hauptwerken, finden werden. Die Frage nach
der Echtheit des Aufzunehmenden ist selten auch nur auszuwerfen; Beethovens
ausgeprägte Individualität giebt einen so bestimmten Maßstab, daß ein Ver-
such, ihm etwas unterzuschieben, nicht auf Erfolg zu rechnen hätte. Ein paar
Kleinigkeiten, die unter Beethovens Namen erschienen sind, aber ohne innere
wie äußere Beglaubigung und ohne allgemeine Anerkennung und Verbreitung
haben daher wie billig keinen Platz gefunden.

Schwierigkeiten können wohl nur die Arrangements machen. Natürlich
nicht die, welche wie Klavierauszüge oder vierhändige Uebertragungen den
Zweck haben, Liebhabern ein ihnen sonst nicht zugängliches Musikwerk durch
diese Bearbeitung spiclbar zu mache», sondern solche, welche durch eine nach
Maßgabe der anders gewählten Instrumente durchgeführte Umformung Anspruch
auf Originalität oder doch wenigstens auf Selbständigkeit machen, welche authen¬
tisch also nur vom Komponisten ausgehen können. Beethoven hat sich wieder¬
holt energisch gegen die anmaßliche Täuschung erklärt, mit welcher beliebige
Arrangements seiner Compositionen als Originalwerke ausgeboten wurden, und
nichts derartiges gehört in eine Ausgabe seiner Werke. Aber Beethoven hat
auch solche Umarbeitungen selbst vorgenommen; er hat nach Mozarts Beispiel
aus einem Octett für Blasinstrumente (0p. 103), das er selbst später in
dieser Gestalt veröffentlicht hal, ein Quintett für Saiteninstrumente
(0p. 4) gemacht und drucken lassen; er hat seine zweite Symphonie
(0p. 36) und ebenso das bekannte Septett (0p. 20) zu einem Klaviertrio
(0p. 38) arrangirt, und das letztere hielt er gut genug seinem Arzt Schmid nach
einer schweren Krankheit zu widmen; zu einem Klavier-Quartett bearbeitete
er das Quintett für Klavier und Blasinstrumente (0p. 16) und eine Klavier¬
sonate als Quartett für Saiteninstrumente, auch schrieb er sein Violincon¬
cert zu einem Klaviercvncert um. Was von Bearbeitungen der Art als un¬
zweifelhaft von Beethoven herrührend nachzuweisen ist, hat auch ein Anrecht auf
eine Stelle unter den sämmtlichen Werten, und manche von ihnen rechtfertigen
dies durch ein eigenthümliches Interesse. Aber auf diesem Gebiete finden noch
Zweifel statt, es sind weder alle Bearbeitungen, welche Beethoven notorisch
vorgenommen hat, als wirklich vorhanden nachgewiesen, noch mit völliger Sicher¬
heit ermittelt, wie weit die vorhandenen wirklich authentisch sind.

Zur Vollständigkeit kann man es gewissermaßen noch rechnen, daß alles
auch in vollständiger Gestalt erscheint d. h. alle irgend mehrstimmige Kom¬
positionen in Partitur, welche das Ganze darstellt, wie der Componist es
im Geiste trug und niederschrieb, der Musiker lesend innerlich lebendig repro-


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[0319] druckten Werke natürlich in unbedingter Vollständigkeit gegeben. Das dem Prospect beigefügte Verzeichnis) wird kaum eine erhebliche Vervollständigung oder Berichtigung erfahren, während auch eifrige Sammler manches Seltene und Neue, natürlich nicht unter den Hauptwerken, finden werden. Die Frage nach der Echtheit des Aufzunehmenden ist selten auch nur auszuwerfen; Beethovens ausgeprägte Individualität giebt einen so bestimmten Maßstab, daß ein Ver- such, ihm etwas unterzuschieben, nicht auf Erfolg zu rechnen hätte. Ein paar Kleinigkeiten, die unter Beethovens Namen erschienen sind, aber ohne innere wie äußere Beglaubigung und ohne allgemeine Anerkennung und Verbreitung haben daher wie billig keinen Platz gefunden. Schwierigkeiten können wohl nur die Arrangements machen. Natürlich nicht die, welche wie Klavierauszüge oder vierhändige Uebertragungen den Zweck haben, Liebhabern ein ihnen sonst nicht zugängliches Musikwerk durch diese Bearbeitung spiclbar zu mache», sondern solche, welche durch eine nach Maßgabe der anders gewählten Instrumente durchgeführte Umformung Anspruch auf Originalität oder doch wenigstens auf Selbständigkeit machen, welche authen¬ tisch also nur vom Komponisten ausgehen können. Beethoven hat sich wieder¬ holt energisch gegen die anmaßliche Täuschung erklärt, mit welcher beliebige Arrangements seiner Compositionen als Originalwerke ausgeboten wurden, und nichts derartiges gehört in eine Ausgabe seiner Werke. Aber Beethoven hat auch solche Umarbeitungen selbst vorgenommen; er hat nach Mozarts Beispiel aus einem Octett für Blasinstrumente (0p. 103), das er selbst später in dieser Gestalt veröffentlicht hal, ein Quintett für Saiteninstrumente (0p. 4) gemacht und drucken lassen; er hat seine zweite Symphonie (0p. 36) und ebenso das bekannte Septett (0p. 20) zu einem Klaviertrio (0p. 38) arrangirt, und das letztere hielt er gut genug seinem Arzt Schmid nach einer schweren Krankheit zu widmen; zu einem Klavier-Quartett bearbeitete er das Quintett für Klavier und Blasinstrumente (0p. 16) und eine Klavier¬ sonate als Quartett für Saiteninstrumente, auch schrieb er sein Violincon¬ cert zu einem Klaviercvncert um. Was von Bearbeitungen der Art als un¬ zweifelhaft von Beethoven herrührend nachzuweisen ist, hat auch ein Anrecht auf eine Stelle unter den sämmtlichen Werten, und manche von ihnen rechtfertigen dies durch ein eigenthümliches Interesse. Aber auf diesem Gebiete finden noch Zweifel statt, es sind weder alle Bearbeitungen, welche Beethoven notorisch vorgenommen hat, als wirklich vorhanden nachgewiesen, noch mit völliger Sicher¬ heit ermittelt, wie weit die vorhandenen wirklich authentisch sind. Zur Vollständigkeit kann man es gewissermaßen noch rechnen, daß alles auch in vollständiger Gestalt erscheint d. h. alle irgend mehrstimmige Kom¬ positionen in Partitur, welche das Ganze darstellt, wie der Componist es im Geiste trug und niederschrieb, der Musiker lesend innerlich lebendig repro- Grcnjbotm I. 18V4, 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/319>, abgerufen am 24.07.2024.