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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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erkannt worden sei; es sei vielmehr als Allodium der Familie zu betrachten,
welches ipso.sur-s an dieselbe zurückfallen müsse. Zur Verstärkung dieses familien¬
rechtlich begründeten Anspruches ward noch besonders hervorgehoben, daß im
Jahre 1369 zwischen dem Herzoge Erich dem Dritten von Sachsen-Lauenburg
und den braunschweigischen Herzogen Wilhelm und Magnus ein Erbvertrag
zu Stande gekommen wäre, vermöge dessen die lauenburgischen Lande nach
Aussterben ihres Fürstenhauses an das Haus Braunschweig zurückfallen sollten,
und diesem Vertrage gemäß hatten im Jahre 1374 die lauenburgischen Landes¬
stände den eventuellen Landeserben die Huldigung geleistet*). Dieser Erbvertrag
hatte allen andern gegenüber, welche von den sächsischen und andern Fürsten¬
häusern geltend gemacht wurden, den Vorzug der Priorität, und letztere waren
errichtet worden mit Nichtbeachtung der thatsächlich bereits vorhandenen An¬
rechte eines Dritten, und selbst die kaiserliche Bestätigung konnte den spätern
Erbverträgen völlige Rechtskraft nicht mehr verleihen. Eine anderweitige
Sequestration des streitigen Landes wußte der Herzog von Braunschweig abzu¬
wenden, indem er darauf hinwies, daß ihm in seiner Eigenschaft als nieder-
sächsischer Kreisoberst die Ausführung derselben zukomme. Er blieb im that-
sächlichen Besitze des Landes, obgleich wichtige Bedenken gegen seine Erb-
berechtigung geltend gemacht wurden**)', und befestigte sich darin vollends durch
vertragsmäßige Uebereinkunft mit den lauenburgischen Ständen. Namentlich
wurde denselben zugestanden, daß das Herzogthum nicht den übrigen Besitzungen
des braunschweigischen Hauses einverleibt, sondern als besondres Herzogthum
mit eigner Regierung verwaltet werden sollte. Vergl. Kinder. Acten des wiener
Congresses, Hft. 2S, S. 137 f. In solcher staatsrechtlichen Getrenntheit hat
es bis 1815 durch Personalunion mit Hannover verbunden dagestanden.

In dem Landesrecesse. welcher am 4. März 1702 zu Celle abgefaßt wor¬
den war, aber am Is. September desselben Jahres wesentliche Veränderungen
erhalten hatte und so publicirt worden war (abgedruckt in P. v. Kobbe, Ge¬
schichte und Landesbeschreibung des Herzogtums Lauenburg, Bd. 3, S. 109 ff.),
heißt es im ersten Artikel:

"Erstlich soll Ritter- und Landschaft gesagtes Unseres Herzogthumbs bei denen
Mi'idus und privilegüs, so sie entweder ingesambt, oder ein jeder absonderlich
hergebracht, oder von voriger Herrschaft erlanget haben, geruhiglich gelassen
und dagegen in keinerlei Weise beschwehret werden: Gestatte dann auch, wann
darunter von der Zeit an. da Wir nach Absterben Hochgemeldten Hertzog Julii
Frantzen die Negierung daselbst angetreten, wider solche xrivilsgia oder der




") kkeküllger, Oorx. M. publ. vol. II., p. 72.
") Man wollte aber kriegerische Unruhen vermeiden, da Deutschland gerade durch Ludwig
des Vierzehnten Angriffe stark beschäftigt war, sächsische Truppen am Rhein kämpften u. s. w.

erkannt worden sei; es sei vielmehr als Allodium der Familie zu betrachten,
welches ipso.sur-s an dieselbe zurückfallen müsse. Zur Verstärkung dieses familien¬
rechtlich begründeten Anspruches ward noch besonders hervorgehoben, daß im
Jahre 1369 zwischen dem Herzoge Erich dem Dritten von Sachsen-Lauenburg
und den braunschweigischen Herzogen Wilhelm und Magnus ein Erbvertrag
zu Stande gekommen wäre, vermöge dessen die lauenburgischen Lande nach
Aussterben ihres Fürstenhauses an das Haus Braunschweig zurückfallen sollten,
und diesem Vertrage gemäß hatten im Jahre 1374 die lauenburgischen Landes¬
stände den eventuellen Landeserben die Huldigung geleistet*). Dieser Erbvertrag
hatte allen andern gegenüber, welche von den sächsischen und andern Fürsten¬
häusern geltend gemacht wurden, den Vorzug der Priorität, und letztere waren
errichtet worden mit Nichtbeachtung der thatsächlich bereits vorhandenen An¬
rechte eines Dritten, und selbst die kaiserliche Bestätigung konnte den spätern
Erbverträgen völlige Rechtskraft nicht mehr verleihen. Eine anderweitige
Sequestration des streitigen Landes wußte der Herzog von Braunschweig abzu¬
wenden, indem er darauf hinwies, daß ihm in seiner Eigenschaft als nieder-
sächsischer Kreisoberst die Ausführung derselben zukomme. Er blieb im that-
sächlichen Besitze des Landes, obgleich wichtige Bedenken gegen seine Erb-
berechtigung geltend gemacht wurden**)', und befestigte sich darin vollends durch
vertragsmäßige Uebereinkunft mit den lauenburgischen Ständen. Namentlich
wurde denselben zugestanden, daß das Herzogthum nicht den übrigen Besitzungen
des braunschweigischen Hauses einverleibt, sondern als besondres Herzogthum
mit eigner Regierung verwaltet werden sollte. Vergl. Kinder. Acten des wiener
Congresses, Hft. 2S, S. 137 f. In solcher staatsrechtlichen Getrenntheit hat
es bis 1815 durch Personalunion mit Hannover verbunden dagestanden.

In dem Landesrecesse. welcher am 4. März 1702 zu Celle abgefaßt wor¬
den war, aber am Is. September desselben Jahres wesentliche Veränderungen
erhalten hatte und so publicirt worden war (abgedruckt in P. v. Kobbe, Ge¬
schichte und Landesbeschreibung des Herzogtums Lauenburg, Bd. 3, S. 109 ff.),
heißt es im ersten Artikel:

„Erstlich soll Ritter- und Landschaft gesagtes Unseres Herzogthumbs bei denen
Mi'idus und privilegüs, so sie entweder ingesambt, oder ein jeder absonderlich
hergebracht, oder von voriger Herrschaft erlanget haben, geruhiglich gelassen
und dagegen in keinerlei Weise beschwehret werden: Gestatte dann auch, wann
darunter von der Zeit an. da Wir nach Absterben Hochgemeldten Hertzog Julii
Frantzen die Negierung daselbst angetreten, wider solche xrivilsgia oder der




") kkeküllger, Oorx. M. publ. vol. II., p. 72.
") Man wollte aber kriegerische Unruhen vermeiden, da Deutschland gerade durch Ludwig
des Vierzehnten Angriffe stark beschäftigt war, sächsische Truppen am Rhein kämpften u. s. w.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/31>, abgerufen am 24.07.2024.