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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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zwei, auch möglich in einem oder anderhalb Jahren mit den nöthigen Hilfs¬
leistungen besorgen, ganz redigiren und zu jeder Gattung Composition ein
neues Werk liefern, z. B. zu den Variationen ein neues Werk Variationen,
zu den Sonaten ein neues Werk Sonaten und sofort zu jeder Art, worin ich
etwas geliefert habe, ein neues Werk und für alles dieses zusammen verlange
ich zehntausend Gulden L. N." Es ist nicht ganz klar, ob es sich hier um
mehr als eine Sammlung der Klavicrsachen handelte, allein eine weitergehende
Unternehmung hatte Matthias Artaria im Sinne. Aus seinen mit Beet¬
hoven gegen Ende des Jahres 1823 gepflogenen Verhandlungen geht hervor,
daß er mit der Veröffentlichung der Kompositionen für Klavier allein anfangen
wollte, dann sollten die Sachen mit Begleitung folgen, alle Monate ein Band
von ungefähr dreißig Bogen erscheinen, die Ouvertüren sämmtlich in Partitur;
von Symphonien und Gesangsmusik ist nicht die Rede. Ais Beethoven auch
hierauf nicht eingegangen war, wandte sich im September des folgenden Jahres
ein alter bewährter Freund, Andreas Streicher, mit einem neuen Vorschlag
an ihn. "Ich habe schon oft über Ihre Lage nachgedacht," schreibt er- "und
besonders darüber, wie und aus welche Art Sie größere Vortheile aus Ihrem
außerordentlichen Talente ziehen könnten? Ich bin so frey Ihnen dieses jetzt vor¬
zulegen und bitte Sie aus wahrem herzlichen Gefühl, das was Sie hier lesen
einer ernstlichen Prüfung zu unterwerfen." Der erste Vorschlag bezieht sich
auf regelmäßige Abonnementconcerte, welche Beethoven im Winter veranstalten
sollte. "Der zweite Vorschlag, welcher in der Ausführung ganz von Ihnen
abhängt und welcher, wenn Sie ihn ausführen, wenigstens 10,000 Fi. O. N.
oder 2S.000 Fi. "W. 'W. einbringen muß, ist -- die Herausgabe Ihrer sämmt¬
lichen Werke, wie solche von Mozart, Haydn und Clementi veranstaltet worden.
Diese Herausgabe würde ein halbes Jahr vorher in ganz Europa angekündigt
und zwar gegen Subscription oder Pränumeration, und nach dem Maßstab der
Anzahl von Pränumeranten mit dem Verleger, der die vortheilhaftesten Be¬
dingungen macht, ein Contract abgeschlossen. Wenn Sie in der Ankündigung
bemerken, daß Sie 1) alle Klavierstücke, welche vor Einführung der Pianoforte
von SV- oder 6 Octaven geschrieben worden, hier und da umändern und nach
den jetzigen Instrumenten einrichten wollen; wenn Sie 2) den Klavicrsachen
auch einige neue ungedruckte Stücke beifügen, so ist diese Herausgabe wie ein
ganz frisches, neu componirtcs Werk zu betrachten und muß auch von dem¬
jenigen gekauft werden, der Ihre früheren Werte schon besitzt. Die Sache
selbst kann Ihnen unmöglich so viele Mühe machen, daß Sie solche nicht unter¬
nehmen könnten. Sie sind dieses sich selbst, Ihrem Neffen, für den Sie dann
leichter etwas thun können, und der Nachwelt schuldig. -- Nehmen Sie das
Gesagte als die Meinung eines Freundes auf. der Sie schon sechsunddreißig
volle Jahre kennt und welchen nichts so sehr freue" würde, als Sie außer


zwei, auch möglich in einem oder anderhalb Jahren mit den nöthigen Hilfs¬
leistungen besorgen, ganz redigiren und zu jeder Gattung Composition ein
neues Werk liefern, z. B. zu den Variationen ein neues Werk Variationen,
zu den Sonaten ein neues Werk Sonaten und sofort zu jeder Art, worin ich
etwas geliefert habe, ein neues Werk und für alles dieses zusammen verlange
ich zehntausend Gulden L. N." Es ist nicht ganz klar, ob es sich hier um
mehr als eine Sammlung der Klavicrsachen handelte, allein eine weitergehende
Unternehmung hatte Matthias Artaria im Sinne. Aus seinen mit Beet¬
hoven gegen Ende des Jahres 1823 gepflogenen Verhandlungen geht hervor,
daß er mit der Veröffentlichung der Kompositionen für Klavier allein anfangen
wollte, dann sollten die Sachen mit Begleitung folgen, alle Monate ein Band
von ungefähr dreißig Bogen erscheinen, die Ouvertüren sämmtlich in Partitur;
von Symphonien und Gesangsmusik ist nicht die Rede. Ais Beethoven auch
hierauf nicht eingegangen war, wandte sich im September des folgenden Jahres
ein alter bewährter Freund, Andreas Streicher, mit einem neuen Vorschlag
an ihn. „Ich habe schon oft über Ihre Lage nachgedacht," schreibt er- „und
besonders darüber, wie und aus welche Art Sie größere Vortheile aus Ihrem
außerordentlichen Talente ziehen könnten? Ich bin so frey Ihnen dieses jetzt vor¬
zulegen und bitte Sie aus wahrem herzlichen Gefühl, das was Sie hier lesen
einer ernstlichen Prüfung zu unterwerfen." Der erste Vorschlag bezieht sich
auf regelmäßige Abonnementconcerte, welche Beethoven im Winter veranstalten
sollte. „Der zweite Vorschlag, welcher in der Ausführung ganz von Ihnen
abhängt und welcher, wenn Sie ihn ausführen, wenigstens 10,000 Fi. O. N.
oder 2S.000 Fi. "W. 'W. einbringen muß, ist — die Herausgabe Ihrer sämmt¬
lichen Werke, wie solche von Mozart, Haydn und Clementi veranstaltet worden.
Diese Herausgabe würde ein halbes Jahr vorher in ganz Europa angekündigt
und zwar gegen Subscription oder Pränumeration, und nach dem Maßstab der
Anzahl von Pränumeranten mit dem Verleger, der die vortheilhaftesten Be¬
dingungen macht, ein Contract abgeschlossen. Wenn Sie in der Ankündigung
bemerken, daß Sie 1) alle Klavierstücke, welche vor Einführung der Pianoforte
von SV- oder 6 Octaven geschrieben worden, hier und da umändern und nach
den jetzigen Instrumenten einrichten wollen; wenn Sie 2) den Klavicrsachen
auch einige neue ungedruckte Stücke beifügen, so ist diese Herausgabe wie ein
ganz frisches, neu componirtcs Werk zu betrachten und muß auch von dem¬
jenigen gekauft werden, der Ihre früheren Werte schon besitzt. Die Sache
selbst kann Ihnen unmöglich so viele Mühe machen, daß Sie solche nicht unter¬
nehmen könnten. Sie sind dieses sich selbst, Ihrem Neffen, für den Sie dann
leichter etwas thun können, und der Nachwelt schuldig. — Nehmen Sie das
Gesagte als die Meinung eines Freundes auf. der Sie schon sechsunddreißig
volle Jahre kennt und welchen nichts so sehr freue» würde, als Sie außer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/307>, abgerufen am 24.07.2024.