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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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folge in der Gesammtheit seiner Staaten zuzuwenden gedachte. Zu London sollten
Verhandlungen stattfinden, um dieser Erbfolge-Anordnung den Charakter einer
"europäischen Transaction" zu verleihen. Und nachdem noch manches Wider¬
streben, namentlich Preußens, überwunden war, ist denn, am 8. Mai 1832.
zu London von England, Oestreich, Frankreich, Preußen, Rußland und Schweden
das Hauptactenstück, bekannt unter dem Namen des londoner Protokolls, unter¬
zeichnet worden. In Betracht der hohen Wichtigkeit der "Integrität der dänischen
Monarchie", würdigen die Mächte die Bemühungen des Königs Friedrich des
Siebenten für Herstellung der Erbfolge in dem beabsichtigten Sinne, und ver¬
pflichten sich nach dem Aussterben des Mannstammes der dermaligen königlichen
Linie, den Prinzen Christian von Glücksburg und seine männliche Nachkommen¬
schaft aus der Ehe mit Louise von Hessen als Nachfolger in der Gesammtheit
der Staaten Friedrichs des Siebenten anzuerkennen.

Mehre Verzichte von Personen, die dem gesetzlichen Erbgange nach vor
Christian von Glücksburg zur Succession in dem Königreich oder in den Herzog-
thümern berufen waren, hatte man bereits in Händen; andere wurden herbei¬
geschafft. Das meiste Gewicht legte man darauf, etwas dem Aehnliches von
dem Herzog von Augustenburg zu erhalten. Seine schleswigschen Güter, auch
sein Mobiliarvermögen wurden mit Beschlag belegt; man drohte ihm Confis¬
cation an; so bewog man ihn, (d. 30. Dec. 1852) gegen einen dargebotenen
Preis die Güter abzutreten und zugleich für sich und seine Familie die Verpflich¬
tung zu übernehmen, nichts gegen die Durchführung der königlichen Absichten
auf Regelung der Erbfolge zu unternehmen.

Die Summe von alledem ward gezogen durch das neue dänische Thronfolge¬
gesetz von 1833. Die Erbfolge, wie sie für Dänemark das Königsgesctz von 1665
festgestellt, ward beseitigt; die Erbberechtigung Christians von Glücksburg
und seines Mannstammes aus der Ehe mit L. v. Hessen wurde zum Gesetz er¬
hoben. Am 31. Juli 1853 verkündete man in Kopenhagen dieses Gesetz, nach¬
dem es am 24. Juli die Zustimmung des dänischen Reichstags bekommen.

Nicht aber h'at es die Zustimmung der Stände in Schleswig oder in Hol¬
stein erhalten; ihnen ist es gar nicht vorgelegt worden. Und wenn das lon¬
doner Protokoll nach Oestreich und Preußen auch einige Mittelstaaten Deutsch¬
lands, wiewohl zum Theil nur in abgeschwächter und bedingter Weise, anerkannt
haben, so ist von dem deutschen Bundestage jede derartige Anerkennung unter¬
blieben. Wohl aber erkennt das londoner Protokoll selbst in einem eigenen
Artikel an, daß den wechselseitigen Rechten, die zwischen dem dänischen König und
dem deutschen Bunde rücksichtlich der Herzogthümer Holstein und Lauenburg



*) Die Verhältnisse Lauenburgs, die sich während der Jahre 1848--so sehr unabhängig von
denen Schleswig-Holsteins entwickelten, habe ich in meiner Erzählung ganz bei Seite lassen
zu dürfen geglaubt.

folge in der Gesammtheit seiner Staaten zuzuwenden gedachte. Zu London sollten
Verhandlungen stattfinden, um dieser Erbfolge-Anordnung den Charakter einer
„europäischen Transaction" zu verleihen. Und nachdem noch manches Wider¬
streben, namentlich Preußens, überwunden war, ist denn, am 8. Mai 1832.
zu London von England, Oestreich, Frankreich, Preußen, Rußland und Schweden
das Hauptactenstück, bekannt unter dem Namen des londoner Protokolls, unter¬
zeichnet worden. In Betracht der hohen Wichtigkeit der „Integrität der dänischen
Monarchie", würdigen die Mächte die Bemühungen des Königs Friedrich des
Siebenten für Herstellung der Erbfolge in dem beabsichtigten Sinne, und ver¬
pflichten sich nach dem Aussterben des Mannstammes der dermaligen königlichen
Linie, den Prinzen Christian von Glücksburg und seine männliche Nachkommen¬
schaft aus der Ehe mit Louise von Hessen als Nachfolger in der Gesammtheit
der Staaten Friedrichs des Siebenten anzuerkennen.

Mehre Verzichte von Personen, die dem gesetzlichen Erbgange nach vor
Christian von Glücksburg zur Succession in dem Königreich oder in den Herzog-
thümern berufen waren, hatte man bereits in Händen; andere wurden herbei¬
geschafft. Das meiste Gewicht legte man darauf, etwas dem Aehnliches von
dem Herzog von Augustenburg zu erhalten. Seine schleswigschen Güter, auch
sein Mobiliarvermögen wurden mit Beschlag belegt; man drohte ihm Confis¬
cation an; so bewog man ihn, (d. 30. Dec. 1852) gegen einen dargebotenen
Preis die Güter abzutreten und zugleich für sich und seine Familie die Verpflich¬
tung zu übernehmen, nichts gegen die Durchführung der königlichen Absichten
auf Regelung der Erbfolge zu unternehmen.

Die Summe von alledem ward gezogen durch das neue dänische Thronfolge¬
gesetz von 1833. Die Erbfolge, wie sie für Dänemark das Königsgesctz von 1665
festgestellt, ward beseitigt; die Erbberechtigung Christians von Glücksburg
und seines Mannstammes aus der Ehe mit L. v. Hessen wurde zum Gesetz er¬
hoben. Am 31. Juli 1853 verkündete man in Kopenhagen dieses Gesetz, nach¬
dem es am 24. Juli die Zustimmung des dänischen Reichstags bekommen.

Nicht aber h'at es die Zustimmung der Stände in Schleswig oder in Hol¬
stein erhalten; ihnen ist es gar nicht vorgelegt worden. Und wenn das lon¬
doner Protokoll nach Oestreich und Preußen auch einige Mittelstaaten Deutsch¬
lands, wiewohl zum Theil nur in abgeschwächter und bedingter Weise, anerkannt
haben, so ist von dem deutschen Bundestage jede derartige Anerkennung unter¬
blieben. Wohl aber erkennt das londoner Protokoll selbst in einem eigenen
Artikel an, daß den wechselseitigen Rechten, die zwischen dem dänischen König und
dem deutschen Bunde rücksichtlich der Herzogthümer Holstein und Lauenburg



*) Die Verhältnisse Lauenburgs, die sich während der Jahre 1848—so sehr unabhängig von
denen Schleswig-Holsteins entwickelten, habe ich in meiner Erzählung ganz bei Seite lassen
zu dürfen geglaubt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/304>, abgerufen am 24.07.2024.