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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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anerkannte, entbehrte die neue "Landesverwaltung" in den Augen der Schles¬
wiger jeder gesetzlichen Berechtigung; der Gehorsam gegen ihre Anordnungen
durfte daher nur so weit gehn, als die Fügsamkeit in einen rein factischen Zu¬
stand, und eine Menge von Erklärungen in diesem Sinne liefen von Gerichts¬
und Verwaltungsbeamten des Herzogthums ein. Andrerseits, welcher Geist
lebte in der "Landesverwaltung?" Jetzt zeigte sich, was Schleswig-Holstein
von Männern zu erwarten habe, die ihm die dermalige preußische Regierung
zusandte. Neben dem dänischen Mitgliede, dem ganz parteiischen Herrn
v. Tillisch, hat sich das preußische, der Graf von Eulenburg*), ein übles Andenken
in dem Herzogthum dadurch geschaffen, daß in ihm ein eigener Wille, eine ei¬
gene Ansicht vor der seines dänischen Collegen gar nicht auszukommen schien;
beide zusammen schälkelen, wie nur eben eine erbitterte dänische Behörde in einem
besiegten Lande schalten mochte, und der englische Schiedsrichter hatte nur selten
Gelegenheit seines Amtes zu warten. Die Thätigkeit der Landesverwaltung
ward eröffnet mit Versendung einer Proklamation, worin Friedrich der Siebente,
nur als König unterzeichnet, die eine Hälfte der Schleswiger als von unge¬
rechter Gewalt befreite Getreue, die andere als reuige Verirrte begrüßte. Wäh¬
rend die Anweisung des Waffenstillstandsvertrags dahin lautete, nach den be¬
stehenden Gesetzen zu regieren, hinsichtlich der seit dem März 1848 erlassenen
aber nach gehöriger Prüfung des Landcsinteresses über Beibehaltung oder Be¬
seitigung zu entscheiden, schaffte die Landesverwaltung nicht blos alle seit dem
bezeichneten Zeitpunkt gegebenen, darunter das Staatsgrundgesetz in seiner Be¬
ziehung auf Schleswig ab, sondern die Aufhebung erstreckte sich auch auf ältere
Gesetze. Anordnungen wie die Ungiltigkeitserklärung der von der Landesver¬
sammlung und Statthalterschaft ausgegebenen Kassenanweisungen. die Wieder¬
herstellung der von Kopenhagen abhängigen Filialbank zu Flensburg. die frü-
herhin als ein Finanzmittel für dänische Zwecke gedient hatte, die Forterhebung
der Kriegssteuer, welche doch die Statthalterschaft nur für den Kampf gegen
Dänemark ausgeschrieben hatte, empörten das Rechtsgefühl und erregten die
schwersten Besorgnisse. Dem gegenüber spannte sich nun aber der Widerstand
einer Bevölkerung, zu deren hervorragendsten Eigenschaften stets ein strenger
Rechtsstnn gehört hat; von allen Seiten liefen Proteste wider das Gebühren
der Landesverwaltung ein -- um so bestimmter und energischer, da es darauf
ankam, zugleich gegen denjenigen Frieden zu Protestiren, dem die jetzigen Ver¬
hältnisse als Vorbereitung dienen zu sollen schienen; unter den Beamten waren
die Weigerungen, die ungesetzlichen Anordnungen der Landesverwaltung durch¬
führen zu helfen, zahllos. Dafür begann denn auch sofort nach dem Antritt



') Jetzt Justizminister in Preußen.
Grenzboten I. 1864.34

anerkannte, entbehrte die neue „Landesverwaltung" in den Augen der Schles¬
wiger jeder gesetzlichen Berechtigung; der Gehorsam gegen ihre Anordnungen
durfte daher nur so weit gehn, als die Fügsamkeit in einen rein factischen Zu¬
stand, und eine Menge von Erklärungen in diesem Sinne liefen von Gerichts¬
und Verwaltungsbeamten des Herzogthums ein. Andrerseits, welcher Geist
lebte in der „Landesverwaltung?" Jetzt zeigte sich, was Schleswig-Holstein
von Männern zu erwarten habe, die ihm die dermalige preußische Regierung
zusandte. Neben dem dänischen Mitgliede, dem ganz parteiischen Herrn
v. Tillisch, hat sich das preußische, der Graf von Eulenburg*), ein übles Andenken
in dem Herzogthum dadurch geschaffen, daß in ihm ein eigener Wille, eine ei¬
gene Ansicht vor der seines dänischen Collegen gar nicht auszukommen schien;
beide zusammen schälkelen, wie nur eben eine erbitterte dänische Behörde in einem
besiegten Lande schalten mochte, und der englische Schiedsrichter hatte nur selten
Gelegenheit seines Amtes zu warten. Die Thätigkeit der Landesverwaltung
ward eröffnet mit Versendung einer Proklamation, worin Friedrich der Siebente,
nur als König unterzeichnet, die eine Hälfte der Schleswiger als von unge¬
rechter Gewalt befreite Getreue, die andere als reuige Verirrte begrüßte. Wäh¬
rend die Anweisung des Waffenstillstandsvertrags dahin lautete, nach den be¬
stehenden Gesetzen zu regieren, hinsichtlich der seit dem März 1848 erlassenen
aber nach gehöriger Prüfung des Landcsinteresses über Beibehaltung oder Be¬
seitigung zu entscheiden, schaffte die Landesverwaltung nicht blos alle seit dem
bezeichneten Zeitpunkt gegebenen, darunter das Staatsgrundgesetz in seiner Be¬
ziehung auf Schleswig ab, sondern die Aufhebung erstreckte sich auch auf ältere
Gesetze. Anordnungen wie die Ungiltigkeitserklärung der von der Landesver¬
sammlung und Statthalterschaft ausgegebenen Kassenanweisungen. die Wieder¬
herstellung der von Kopenhagen abhängigen Filialbank zu Flensburg. die frü-
herhin als ein Finanzmittel für dänische Zwecke gedient hatte, die Forterhebung
der Kriegssteuer, welche doch die Statthalterschaft nur für den Kampf gegen
Dänemark ausgeschrieben hatte, empörten das Rechtsgefühl und erregten die
schwersten Besorgnisse. Dem gegenüber spannte sich nun aber der Widerstand
einer Bevölkerung, zu deren hervorragendsten Eigenschaften stets ein strenger
Rechtsstnn gehört hat; von allen Seiten liefen Proteste wider das Gebühren
der Landesverwaltung ein — um so bestimmter und energischer, da es darauf
ankam, zugleich gegen denjenigen Frieden zu Protestiren, dem die jetzigen Ver¬
hältnisse als Vorbereitung dienen zu sollen schienen; unter den Beamten waren
die Weigerungen, die ungesetzlichen Anordnungen der Landesverwaltung durch¬
führen zu helfen, zahllos. Dafür begann denn auch sofort nach dem Antritt



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Grenzboten I. 1864.34
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[0271] anerkannte, entbehrte die neue „Landesverwaltung" in den Augen der Schles¬ wiger jeder gesetzlichen Berechtigung; der Gehorsam gegen ihre Anordnungen durfte daher nur so weit gehn, als die Fügsamkeit in einen rein factischen Zu¬ stand, und eine Menge von Erklärungen in diesem Sinne liefen von Gerichts¬ und Verwaltungsbeamten des Herzogthums ein. Andrerseits, welcher Geist lebte in der „Landesverwaltung?" Jetzt zeigte sich, was Schleswig-Holstein von Männern zu erwarten habe, die ihm die dermalige preußische Regierung zusandte. Neben dem dänischen Mitgliede, dem ganz parteiischen Herrn v. Tillisch, hat sich das preußische, der Graf von Eulenburg*), ein übles Andenken in dem Herzogthum dadurch geschaffen, daß in ihm ein eigener Wille, eine ei¬ gene Ansicht vor der seines dänischen Collegen gar nicht auszukommen schien; beide zusammen schälkelen, wie nur eben eine erbitterte dänische Behörde in einem besiegten Lande schalten mochte, und der englische Schiedsrichter hatte nur selten Gelegenheit seines Amtes zu warten. Die Thätigkeit der Landesverwaltung ward eröffnet mit Versendung einer Proklamation, worin Friedrich der Siebente, nur als König unterzeichnet, die eine Hälfte der Schleswiger als von unge¬ rechter Gewalt befreite Getreue, die andere als reuige Verirrte begrüßte. Wäh¬ rend die Anweisung des Waffenstillstandsvertrags dahin lautete, nach den be¬ stehenden Gesetzen zu regieren, hinsichtlich der seit dem März 1848 erlassenen aber nach gehöriger Prüfung des Landcsinteresses über Beibehaltung oder Be¬ seitigung zu entscheiden, schaffte die Landesverwaltung nicht blos alle seit dem bezeichneten Zeitpunkt gegebenen, darunter das Staatsgrundgesetz in seiner Be¬ ziehung auf Schleswig ab, sondern die Aufhebung erstreckte sich auch auf ältere Gesetze. Anordnungen wie die Ungiltigkeitserklärung der von der Landesver¬ sammlung und Statthalterschaft ausgegebenen Kassenanweisungen. die Wieder¬ herstellung der von Kopenhagen abhängigen Filialbank zu Flensburg. die frü- herhin als ein Finanzmittel für dänische Zwecke gedient hatte, die Forterhebung der Kriegssteuer, welche doch die Statthalterschaft nur für den Kampf gegen Dänemark ausgeschrieben hatte, empörten das Rechtsgefühl und erregten die schwersten Besorgnisse. Dem gegenüber spannte sich nun aber der Widerstand einer Bevölkerung, zu deren hervorragendsten Eigenschaften stets ein strenger Rechtsstnn gehört hat; von allen Seiten liefen Proteste wider das Gebühren der Landesverwaltung ein — um so bestimmter und energischer, da es darauf ankam, zugleich gegen denjenigen Frieden zu Protestiren, dem die jetzigen Ver¬ hältnisse als Vorbereitung dienen zu sollen schienen; unter den Beamten waren die Weigerungen, die ungesetzlichen Anordnungen der Landesverwaltung durch¬ führen zu helfen, zahllos. Dafür begann denn auch sofort nach dem Antritt ') Jetzt Justizminister in Preußen. Grenzboten I. 1864.34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/271>, abgerufen am 29.06.2024.