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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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über die eigenen Absichten Preußens in den Herzogtümern immer zweifelhafter
geworden! Seine allmälig hervortretenden Absichten, in Deutschland einen
ngeren Bund um sich zu sammeln, wirkten störend ein; beim Erscheinen der
wichtigen, die künftige Gestaltung Deutschlands betreffenden Circularnote vom
23. Jan. 1849 erregte die Andeutung, daß Preußen auf die Aufnahme Schles¬
wig-Holsteins in diesen engeren Bund verzichte und dasselbe mit Rücksicht auf
die Personalunion zu Dänemark, neben Luxemburg und Deutsch Oestreich in
den weiteren Bund verweise, sehr unangenehme Empfindungen. Was aber
mindestens gleich nachtheilig wirkte: indem die preußische Regierung von jetzt
an immer bestimmter unter reactionäre Einflüsse kam. mußte eben bei ihr der
Ueberdruß an der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit u.ehr und mehr zunehmen.
In Dänemark dagegen hatte eine Veränderung des Ministeriums im conser-
vativen Sinne, die im Spätherbst 1848 eingetreten, keine geänderte Politik hin¬
sichtlich Schleswig-Holsteins, sondern nur eine Erleichterung und Steigerung
der guten Beziehungen zu Rußland zur Folge.

Wie tief nun, unter allen diesen Verhältnissen, der Stand der schlcswig-
holsteinischen Sache in der europäischen Diplomatie gesunken war. das erkannte
man aus einem Vergleich der mancherlei, jetzt zu Tage tretenden Friedensprvjecte
mit deu Plänen, die im Mai 1848 zwischen Preußen und England besprochen
worden waren. Die meiste Erwägung wurde jetzt einem Gedanken, den Eng¬
land von Rußland angenommen, gewidmet; als Grundlage der Unterhandlung
wurde die "Selbständigkeit Schleswigs" aufgestellt, aber nicht blos Dänemark
gegenüber, sondern so. daß darunter auch die Lösung seines Zusammenhanges
mit Holstein verstanden wurde; hinsichtlich der Erbfolge trug man sich mit
Mancherlei , unter Anderem wohl auch mit der Idee, den Großherzog von Olden¬
burg als Stammverwandten des dänischen Königshauses zur dereinstigen Suc¬
cession in Dänemark wie in den Herzogtümern zu bestimmen, die Augusten-
burger aber etwa^ in Oldenburg zu entschädigen. Gegen jene Absicht einer
Trennung Schleswigs von Holstein -- einer Trennung, in welcher die Un¬
abhängigkeit des vereinzelten Schleswig vor dem fanatischen Eifer der Eidcr-
dänen bald zur Täuschung zu werden drohte -- erhob die Schleswig-holsteinische
Landes.versammlung in einer Adresse an den Reichsverweser Einsprache. Aber aller¬
hand Uebles, dessen nao sich Von Frankreich und Schweden, von Nußland und
England zu gewärtigen habe, wurde angeführt als Grund, warum die Central-
gewalt sowohl als Preußen das Princip der Trennung Schleswigs von Holstein
für die Unterhandlungen anzunehmen genöthigt sei. Die nähere Erörterung dessen,
was mit der "Selbständigkeit" Schleswigs verbunden oder durch dieselbe aus¬
geschlossen sein müsse, führte indeß in neuen Streit; das Reichsministcrium
hoffte wohl, diesem Begriffe der schleswigschen Selbständigkeit durch nähere Be¬
stimmungen allmälig eine solche Bedeutung zu verleihen, baß es zuletzt Däne-


über die eigenen Absichten Preußens in den Herzogtümern immer zweifelhafter
geworden! Seine allmälig hervortretenden Absichten, in Deutschland einen
ngeren Bund um sich zu sammeln, wirkten störend ein; beim Erscheinen der
wichtigen, die künftige Gestaltung Deutschlands betreffenden Circularnote vom
23. Jan. 1849 erregte die Andeutung, daß Preußen auf die Aufnahme Schles¬
wig-Holsteins in diesen engeren Bund verzichte und dasselbe mit Rücksicht auf
die Personalunion zu Dänemark, neben Luxemburg und Deutsch Oestreich in
den weiteren Bund verweise, sehr unangenehme Empfindungen. Was aber
mindestens gleich nachtheilig wirkte: indem die preußische Regierung von jetzt
an immer bestimmter unter reactionäre Einflüsse kam. mußte eben bei ihr der
Ueberdruß an der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit u.ehr und mehr zunehmen.
In Dänemark dagegen hatte eine Veränderung des Ministeriums im conser-
vativen Sinne, die im Spätherbst 1848 eingetreten, keine geänderte Politik hin¬
sichtlich Schleswig-Holsteins, sondern nur eine Erleichterung und Steigerung
der guten Beziehungen zu Rußland zur Folge.

Wie tief nun, unter allen diesen Verhältnissen, der Stand der schlcswig-
holsteinischen Sache in der europäischen Diplomatie gesunken war. das erkannte
man aus einem Vergleich der mancherlei, jetzt zu Tage tretenden Friedensprvjecte
mit deu Plänen, die im Mai 1848 zwischen Preußen und England besprochen
worden waren. Die meiste Erwägung wurde jetzt einem Gedanken, den Eng¬
land von Rußland angenommen, gewidmet; als Grundlage der Unterhandlung
wurde die „Selbständigkeit Schleswigs" aufgestellt, aber nicht blos Dänemark
gegenüber, sondern so. daß darunter auch die Lösung seines Zusammenhanges
mit Holstein verstanden wurde; hinsichtlich der Erbfolge trug man sich mit
Mancherlei , unter Anderem wohl auch mit der Idee, den Großherzog von Olden¬
burg als Stammverwandten des dänischen Königshauses zur dereinstigen Suc¬
cession in Dänemark wie in den Herzogtümern zu bestimmen, die Augusten-
burger aber etwa^ in Oldenburg zu entschädigen. Gegen jene Absicht einer
Trennung Schleswigs von Holstein — einer Trennung, in welcher die Un¬
abhängigkeit des vereinzelten Schleswig vor dem fanatischen Eifer der Eidcr-
dänen bald zur Täuschung zu werden drohte — erhob die Schleswig-holsteinische
Landes.versammlung in einer Adresse an den Reichsverweser Einsprache. Aber aller¬
hand Uebles, dessen nao sich Von Frankreich und Schweden, von Nußland und
England zu gewärtigen habe, wurde angeführt als Grund, warum die Central-
gewalt sowohl als Preußen das Princip der Trennung Schleswigs von Holstein
für die Unterhandlungen anzunehmen genöthigt sei. Die nähere Erörterung dessen,
was mit der „Selbständigkeit" Schleswigs verbunden oder durch dieselbe aus¬
geschlossen sein müsse, führte indeß in neuen Streit; das Reichsministcrium
hoffte wohl, diesem Begriffe der schleswigschen Selbständigkeit durch nähere Be¬
stimmungen allmälig eine solche Bedeutung zu verleihen, baß es zuletzt Däne-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/231>, abgerufen am 24.07.2024.