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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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noch dadurch geschärft, daß in den Freischaaren sich zahlreiche, von der poli¬
tischen Erregtheit der Zeit mächtig ergriffene Leute befanden, Leute, die viel¬
leicht vor Kurzem erst, auf den Barrikaden, eben den Soldaten gegenüber¬
gestanden, die jetzt mit ihnen den Dänen bekämpften. Also war es denn, nicht
ohne ziemlich bedenkliche Auftritte, im Mai zu einer Entlassung zahlreicher
Freiwilliger, nachher jedoch unter den Zurückgebliebenen zu einer Neubildung
gekommen, aus welcher namentlich das v. d. Tannsche Corps in der Gestalt
hervorging, in welcher es bei Hoptrup siegte, Uebler aber, als alle jene
Schwierigkeiten und Verlegenheiten, gegen welche die provisorische Regierung
im Innern arbeiten mußte, war es vielleicht, daß diese Regierung zu den
diplomatischen Verhandlungen mit den außerdeutschen Mächten in gar keinem
directen Zusammenhange stand. Seit der Bund die Schleswig-holsteinische An¬
gelegenheit in die Hand genommen und an Preußen übergeben hatte, sah sie
sich hier ganz durch das Letztere vertreten und von einer eigenen Theilnahme
abgesperrt. Ueber den Stand der auswärtigen Verhältnisse erfuhr sie Bestimm¬
teres nur soweit sie durch Preußen unterrichtet wurde; und als deutlichere
Ahnungen über sie kamen von einem bevorstehenden unwillkommenen Ausgange,
war die Gewalt der Dinge schon zu mächtig, als daß noch ein wirksamer
Widerstand hätte geleistet werden können.

Denn stärker und stärker begann jetzt die ungünstige Strömung, in welche
neuerlich die Ereignisse gerathen waren, sich auch in den Verhandlungen geltend
zu machen, die sich seit dem Mai über Waffenstillstand und Frieden im Gange
befanden. Die angebotene Vermittelung Englands war für diese Verhandlungen
zu Ende April von Preußen angenommen worden und Lord Palmerston suchte
in London zwischen Bunsen und dem dänischen Gesandten eine Verständigung
über einen Waffcnstiltstandsentwurf herbeizuführen, mit welchem gewisse allgemeine
Umrisse des während des Stillstandes zu verhandelnden Friedens verbunden
waren. Der Gedanke einer Trennung Schleswigs nach der Sprachgrenze, so
daß ein nördlicher Streifen des Landes dem dänischen Königreiche, der südliche
Theil dagegen Holstein und dem deutschen Bunde zufallen sollte, ward hier auf¬
gebracht; ob und wie man daneben die Verbindung der Herzogthümer mit
dem Königreich durch Bestimmungen über die Erbfolge für die Zukunft zu
sichern gedenke, blieb noch im Unklaren. Auf der einen Seite wies aber
die provisorische Negierung Schleswig-Holsteins, als Preußen den Plan zu ihrer
Kenntniß brachte, die Friedenspräliminarien zurück, unterstützt von zahlreichen
Protesten, die aus dem nördlichen Schleswig gegen jede Zertheilung dieses
Herzogthums einliefen; andrerseits setzte Dänemark dem preußisch-englischen
Waffenstillstandsentwurf einen von Grund aus verschiedenen entgegen, in welchem
von Friedenspräliminarien keine Rede war. Nun erfolgte Wrangels Rückzug
aus Jütland und alles was sich an denselben knüpfte; überdies aber löste sich


noch dadurch geschärft, daß in den Freischaaren sich zahlreiche, von der poli¬
tischen Erregtheit der Zeit mächtig ergriffene Leute befanden, Leute, die viel¬
leicht vor Kurzem erst, auf den Barrikaden, eben den Soldaten gegenüber¬
gestanden, die jetzt mit ihnen den Dänen bekämpften. Also war es denn, nicht
ohne ziemlich bedenkliche Auftritte, im Mai zu einer Entlassung zahlreicher
Freiwilliger, nachher jedoch unter den Zurückgebliebenen zu einer Neubildung
gekommen, aus welcher namentlich das v. d. Tannsche Corps in der Gestalt
hervorging, in welcher es bei Hoptrup siegte, Uebler aber, als alle jene
Schwierigkeiten und Verlegenheiten, gegen welche die provisorische Regierung
im Innern arbeiten mußte, war es vielleicht, daß diese Regierung zu den
diplomatischen Verhandlungen mit den außerdeutschen Mächten in gar keinem
directen Zusammenhange stand. Seit der Bund die Schleswig-holsteinische An¬
gelegenheit in die Hand genommen und an Preußen übergeben hatte, sah sie
sich hier ganz durch das Letztere vertreten und von einer eigenen Theilnahme
abgesperrt. Ueber den Stand der auswärtigen Verhältnisse erfuhr sie Bestimm¬
teres nur soweit sie durch Preußen unterrichtet wurde; und als deutlichere
Ahnungen über sie kamen von einem bevorstehenden unwillkommenen Ausgange,
war die Gewalt der Dinge schon zu mächtig, als daß noch ein wirksamer
Widerstand hätte geleistet werden können.

Denn stärker und stärker begann jetzt die ungünstige Strömung, in welche
neuerlich die Ereignisse gerathen waren, sich auch in den Verhandlungen geltend
zu machen, die sich seit dem Mai über Waffenstillstand und Frieden im Gange
befanden. Die angebotene Vermittelung Englands war für diese Verhandlungen
zu Ende April von Preußen angenommen worden und Lord Palmerston suchte
in London zwischen Bunsen und dem dänischen Gesandten eine Verständigung
über einen Waffcnstiltstandsentwurf herbeizuführen, mit welchem gewisse allgemeine
Umrisse des während des Stillstandes zu verhandelnden Friedens verbunden
waren. Der Gedanke einer Trennung Schleswigs nach der Sprachgrenze, so
daß ein nördlicher Streifen des Landes dem dänischen Königreiche, der südliche
Theil dagegen Holstein und dem deutschen Bunde zufallen sollte, ward hier auf¬
gebracht; ob und wie man daneben die Verbindung der Herzogthümer mit
dem Königreich durch Bestimmungen über die Erbfolge für die Zukunft zu
sichern gedenke, blieb noch im Unklaren. Auf der einen Seite wies aber
die provisorische Negierung Schleswig-Holsteins, als Preußen den Plan zu ihrer
Kenntniß brachte, die Friedenspräliminarien zurück, unterstützt von zahlreichen
Protesten, die aus dem nördlichen Schleswig gegen jede Zertheilung dieses
Herzogthums einliefen; andrerseits setzte Dänemark dem preußisch-englischen
Waffenstillstandsentwurf einen von Grund aus verschiedenen entgegen, in welchem
von Friedenspräliminarien keine Rede war. Nun erfolgte Wrangels Rückzug
aus Jütland und alles was sich an denselben knüpfte; überdies aber löste sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/218>, abgerufen am 24.07.2024.