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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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weniger in dem beethovenschen g aur Concert, als in den Variations s^rieusW
von Mendelssohn.

Außerdem spielte Kapellmeister Reinecke das handhabe ä moll Concert und
Variationen eigner Composition über ein Thema von Bach. Zu erwähnen sind
noch Frl. Doris Böhme aus Dresden mit dem 5moll Concert von Chopin und Herr
Brassin mit drei Stücken eigner Fabrik. Von Solovorträgen aus der Geige
ist zu nennen das viottische g, moll Concert, gespielt von Concertmeister F. David
und das a woll Concert lNr. 6) von Molique, gespielt von Concertmeister Drey-
schock. Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß beide Leistungen die anerkannten
Vorzüge der beiden geschätzten Mitglieder unsres Orchesters zeigten, wenn auch
die bereits angedeuteten Mängel ebenfalls nicht ganz fehlten. Ihnen schloß sich
an H. Heermann aus Berlin, ein junger Mann, der es bei entschiedenem Ta¬
lente sich angelegen sein lassen muß, gewisse Eigenheiten der französischen Schule
zu überwinden, bevor er deutscher Musik wird ganz gerecht werden können.
Dies zeigte sich in seinem Vortrage von Vieuxtemps air vario und dem
spohrschen Violinconcert (Ur. 11), Z aur.

Als eine sehr bedeutende Erscheinung ist noch zu nennen Herr Leopold
Auer aus Pesth, dem Vernehmen nach ein Schüler von Joachim. Leider
spielte er außer dem e moll Concert (Ur. 7) von Spohr nur noch eine röveris
von Vieuxtemps und das paganinische xerpewuiri inodils, doch zeigte er sich
als einen Künstler von so ausgezeichneten Gaben und so gleichmäßig tüchtiger
Ausbildung derselben, daß er schon setzt einen hohen Rang unter den Geigen¬
virtuosen einnimmt und zu der Hoffnung berechtigt, er werde dereinst den ersten
Meistern seines Instruments beizuzählen sein.

Herr L. Lübeck, Mitglied des Orchesters, spielte auf dem Cello ein endlos
langes und langweiliges Concert von Servais und ein weit besseres Recitativ
und Adagio von I. H. Lübeck. In beidem zeigte er sich als wohlgebildeter
Künstler.

Schließlich sei erwähnt, daß sich Frl. Helene Heermann in einer Harfen¬
phantasie über Motive aus Oberon hören ließ.

Wir schließen hiermit unsre Betrachtungen über die erste Hälfte der Gewand¬
hausconcerte dieses Winters ab und sind versichert, daß das gegebene kurze
Verzeichnis) der vorgeführten Musiken unsre oben ausgesprochenen Klagen über
die Zusammensetzung der Programme rechtfertigen wird. Der in Rücksicht auf
musikalischen Gehalt und künstlerische Ausführung gleich werthlosen Solovor-
träge findet sich eine übergroße Anzahl: eine Kürzung auf dieser Seite würde
ermöglicht haben, manches größere Werk von Meistern vorzuführen, die zu be¬
rücksichtigen historisches, rein künstlerisches Interesse oder angemessene Pietät
gebot. Die Enthaltsamkeit in der Aufführung von Novitäten ist beifallswürdig;
denn es erscheint durchaus gerechtfertigt, wenn man es anderen, minder hohe


Grenzvotm l. 1864. 24

weniger in dem beethovenschen g aur Concert, als in den Variations s^rieusW
von Mendelssohn.

Außerdem spielte Kapellmeister Reinecke das handhabe ä moll Concert und
Variationen eigner Composition über ein Thema von Bach. Zu erwähnen sind
noch Frl. Doris Böhme aus Dresden mit dem 5moll Concert von Chopin und Herr
Brassin mit drei Stücken eigner Fabrik. Von Solovorträgen aus der Geige
ist zu nennen das viottische g, moll Concert, gespielt von Concertmeister F. David
und das a woll Concert lNr. 6) von Molique, gespielt von Concertmeister Drey-
schock. Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß beide Leistungen die anerkannten
Vorzüge der beiden geschätzten Mitglieder unsres Orchesters zeigten, wenn auch
die bereits angedeuteten Mängel ebenfalls nicht ganz fehlten. Ihnen schloß sich
an H. Heermann aus Berlin, ein junger Mann, der es bei entschiedenem Ta¬
lente sich angelegen sein lassen muß, gewisse Eigenheiten der französischen Schule
zu überwinden, bevor er deutscher Musik wird ganz gerecht werden können.
Dies zeigte sich in seinem Vortrage von Vieuxtemps air vario und dem
spohrschen Violinconcert (Ur. 11), Z aur.

Als eine sehr bedeutende Erscheinung ist noch zu nennen Herr Leopold
Auer aus Pesth, dem Vernehmen nach ein Schüler von Joachim. Leider
spielte er außer dem e moll Concert (Ur. 7) von Spohr nur noch eine röveris
von Vieuxtemps und das paganinische xerpewuiri inodils, doch zeigte er sich
als einen Künstler von so ausgezeichneten Gaben und so gleichmäßig tüchtiger
Ausbildung derselben, daß er schon setzt einen hohen Rang unter den Geigen¬
virtuosen einnimmt und zu der Hoffnung berechtigt, er werde dereinst den ersten
Meistern seines Instruments beizuzählen sein.

Herr L. Lübeck, Mitglied des Orchesters, spielte auf dem Cello ein endlos
langes und langweiliges Concert von Servais und ein weit besseres Recitativ
und Adagio von I. H. Lübeck. In beidem zeigte er sich als wohlgebildeter
Künstler.

Schließlich sei erwähnt, daß sich Frl. Helene Heermann in einer Harfen¬
phantasie über Motive aus Oberon hören ließ.

Wir schließen hiermit unsre Betrachtungen über die erste Hälfte der Gewand¬
hausconcerte dieses Winters ab und sind versichert, daß das gegebene kurze
Verzeichnis) der vorgeführten Musiken unsre oben ausgesprochenen Klagen über
die Zusammensetzung der Programme rechtfertigen wird. Der in Rücksicht auf
musikalischen Gehalt und künstlerische Ausführung gleich werthlosen Solovor-
träge findet sich eine übergroße Anzahl: eine Kürzung auf dieser Seite würde
ermöglicht haben, manches größere Werk von Meistern vorzuführen, die zu be¬
rücksichtigen historisches, rein künstlerisches Interesse oder angemessene Pietät
gebot. Die Enthaltsamkeit in der Aufführung von Novitäten ist beifallswürdig;
denn es erscheint durchaus gerechtfertigt, wenn man es anderen, minder hohe


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[0195] weniger in dem beethovenschen g aur Concert, als in den Variations s^rieusW von Mendelssohn. Außerdem spielte Kapellmeister Reinecke das handhabe ä moll Concert und Variationen eigner Composition über ein Thema von Bach. Zu erwähnen sind noch Frl. Doris Böhme aus Dresden mit dem 5moll Concert von Chopin und Herr Brassin mit drei Stücken eigner Fabrik. Von Solovorträgen aus der Geige ist zu nennen das viottische g, moll Concert, gespielt von Concertmeister F. David und das a woll Concert lNr. 6) von Molique, gespielt von Concertmeister Drey- schock. Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß beide Leistungen die anerkannten Vorzüge der beiden geschätzten Mitglieder unsres Orchesters zeigten, wenn auch die bereits angedeuteten Mängel ebenfalls nicht ganz fehlten. Ihnen schloß sich an H. Heermann aus Berlin, ein junger Mann, der es bei entschiedenem Ta¬ lente sich angelegen sein lassen muß, gewisse Eigenheiten der französischen Schule zu überwinden, bevor er deutscher Musik wird ganz gerecht werden können. Dies zeigte sich in seinem Vortrage von Vieuxtemps air vario und dem spohrschen Violinconcert (Ur. 11), Z aur. Als eine sehr bedeutende Erscheinung ist noch zu nennen Herr Leopold Auer aus Pesth, dem Vernehmen nach ein Schüler von Joachim. Leider spielte er außer dem e moll Concert (Ur. 7) von Spohr nur noch eine röveris von Vieuxtemps und das paganinische xerpewuiri inodils, doch zeigte er sich als einen Künstler von so ausgezeichneten Gaben und so gleichmäßig tüchtiger Ausbildung derselben, daß er schon setzt einen hohen Rang unter den Geigen¬ virtuosen einnimmt und zu der Hoffnung berechtigt, er werde dereinst den ersten Meistern seines Instruments beizuzählen sein. Herr L. Lübeck, Mitglied des Orchesters, spielte auf dem Cello ein endlos langes und langweiliges Concert von Servais und ein weit besseres Recitativ und Adagio von I. H. Lübeck. In beidem zeigte er sich als wohlgebildeter Künstler. Schließlich sei erwähnt, daß sich Frl. Helene Heermann in einer Harfen¬ phantasie über Motive aus Oberon hören ließ. Wir schließen hiermit unsre Betrachtungen über die erste Hälfte der Gewand¬ hausconcerte dieses Winters ab und sind versichert, daß das gegebene kurze Verzeichnis) der vorgeführten Musiken unsre oben ausgesprochenen Klagen über die Zusammensetzung der Programme rechtfertigen wird. Der in Rücksicht auf musikalischen Gehalt und künstlerische Ausführung gleich werthlosen Solovor- träge findet sich eine übergroße Anzahl: eine Kürzung auf dieser Seite würde ermöglicht haben, manches größere Werk von Meistern vorzuführen, die zu be¬ rücksichtigen historisches, rein künstlerisches Interesse oder angemessene Pietät gebot. Die Enthaltsamkeit in der Aufführung von Novitäten ist beifallswürdig; denn es erscheint durchaus gerechtfertigt, wenn man es anderen, minder hohe Grenzvotm l. 1864. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/195>, abgerufen am 29.06.2024.