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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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schirmen. Eifersucht gegen Preußen, Mitgefühl für den skandinavischen Bruder-
stamm, Einwirkungen des russischen Hofes auf die Regierung des Königs Oskar
konnten dies erklären. Im Anfange des Krieges scheint indeß weder der Ent¬
schluß Schwedens, Dänemark zu helfen, noch der drohende Ton in den russischen
Noten so ernstlich gemeint gewesen zusein, als man vielfach glaubte. Nußland,
wohl im Stillen seiner verwundbaren Stelle in Polen sich bewußt, blickte noch
ziemlich abwartend in das revolutionäre Gebrause des westlichen Europa hinein;
Schwedens Bereitwilligkeit aber, die dänischen Inseln mir seinen Truppen zu
versehen, ist schwerlich ohne den Hintergedanken gewesen, für den Fall einer
Auflösung der dänischen Monarchie ein gutes Stück derselben sofort in den
eigenen Händen haben zu wollen. Und wie, wenn sich die Ungunst dieser
Mächte aufwiegen ließ durch eine Bundesgenossenschaft mit Rußlands großem
Rivalen, mit England? Eine Ausdehnung preußischer Macht und preußischer
Handelspolitik an den Ufern der Ost- und Nordsee oder eine förmliche Ver¬
nichtung des dänischen Staatswesens gutwillig geschehn zu lassen, waren freilich
auch die englischen Staatsmänner nicht geneigt; sonst aber hatten sie gegen die
Befriedigung der Schleswig-holsteinischen Wünsche um so weniger einzuwenden,
je weniger ihnen an sich das damalige Dänemark in seiner Abhängigkeit von Ru߬
land besondere Sympathien einzuflößen vermochte. Durch Begünstigung in
dieser Angelegenheit sich an Preußen oder an einem erstarkenden Deutschland
den Alliirten zu gewinnen, dessen England allezeit unter den Großmächten des
Festlands bedarf, konnte unter Umständen als höchst vorteilhaft sich darstellen.
Und so hat sich denn England wirklich im Frühling 1848 zur Vermittelung
zwischen Dänemark und Deutschland in einem für das letztere nicht ungünstigen
Sinne bereit gezeigt. Auch besah Preußen in seinem Gesandten zu London,
dem Ritter von Bunsen, einen eifrigen und hochgeachteten Vertreter der schleswig-
holsteinischcn Sache. Freilich kam, im März 1848, auch der dänische Minister
Orla Lehmann in die englische Hauptstadt; unter den Torys diente die Gewohn¬
heit, die Schleswig-Hvlsieincr als Rebellen zu betrachten, den Dänen zum Vor¬
theil, und namentlich wußten Diese die Mittel zubinden, in der englischen Presse
den schroffsten dänischen Parteiansichten einen immer weiteren Boden zu
gewinnen.

Um aber die guten Keime, die in Alledem für die Sache Deutschlands
lagen, zu entwickeln, die üblen darnicderzuhaltcn, war durchaus Eins erforder¬
lich. Die preußische Regierung mußte Beweise von Kraft, das deutsche Gemein¬
wesen, das in der Bildung begriffen schien, mußte Beweise von Lebensfähigkeit
ablegen. Geschah dies nicht, so wuchs den Gegnern Lust und scheinbare Be¬
rechtigung zu jedem Einschüchterungsversuche; für England dagegen verlor dann
die Freundschaft, die durch Begünstigung der Schleswig-holsteinischen Sache zu
erwerben gewesen wäre, den eigentlichen Werth, und das Bedürfniß, den Frieden


schirmen. Eifersucht gegen Preußen, Mitgefühl für den skandinavischen Bruder-
stamm, Einwirkungen des russischen Hofes auf die Regierung des Königs Oskar
konnten dies erklären. Im Anfange des Krieges scheint indeß weder der Ent¬
schluß Schwedens, Dänemark zu helfen, noch der drohende Ton in den russischen
Noten so ernstlich gemeint gewesen zusein, als man vielfach glaubte. Nußland,
wohl im Stillen seiner verwundbaren Stelle in Polen sich bewußt, blickte noch
ziemlich abwartend in das revolutionäre Gebrause des westlichen Europa hinein;
Schwedens Bereitwilligkeit aber, die dänischen Inseln mir seinen Truppen zu
versehen, ist schwerlich ohne den Hintergedanken gewesen, für den Fall einer
Auflösung der dänischen Monarchie ein gutes Stück derselben sofort in den
eigenen Händen haben zu wollen. Und wie, wenn sich die Ungunst dieser
Mächte aufwiegen ließ durch eine Bundesgenossenschaft mit Rußlands großem
Rivalen, mit England? Eine Ausdehnung preußischer Macht und preußischer
Handelspolitik an den Ufern der Ost- und Nordsee oder eine förmliche Ver¬
nichtung des dänischen Staatswesens gutwillig geschehn zu lassen, waren freilich
auch die englischen Staatsmänner nicht geneigt; sonst aber hatten sie gegen die
Befriedigung der Schleswig-holsteinischen Wünsche um so weniger einzuwenden,
je weniger ihnen an sich das damalige Dänemark in seiner Abhängigkeit von Ru߬
land besondere Sympathien einzuflößen vermochte. Durch Begünstigung in
dieser Angelegenheit sich an Preußen oder an einem erstarkenden Deutschland
den Alliirten zu gewinnen, dessen England allezeit unter den Großmächten des
Festlands bedarf, konnte unter Umständen als höchst vorteilhaft sich darstellen.
Und so hat sich denn England wirklich im Frühling 1848 zur Vermittelung
zwischen Dänemark und Deutschland in einem für das letztere nicht ungünstigen
Sinne bereit gezeigt. Auch besah Preußen in seinem Gesandten zu London,
dem Ritter von Bunsen, einen eifrigen und hochgeachteten Vertreter der schleswig-
holsteinischcn Sache. Freilich kam, im März 1848, auch der dänische Minister
Orla Lehmann in die englische Hauptstadt; unter den Torys diente die Gewohn¬
heit, die Schleswig-Hvlsieincr als Rebellen zu betrachten, den Dänen zum Vor¬
theil, und namentlich wußten Diese die Mittel zubinden, in der englischen Presse
den schroffsten dänischen Parteiansichten einen immer weiteren Boden zu
gewinnen.

Um aber die guten Keime, die in Alledem für die Sache Deutschlands
lagen, zu entwickeln, die üblen darnicderzuhaltcn, war durchaus Eins erforder¬
lich. Die preußische Regierung mußte Beweise von Kraft, das deutsche Gemein¬
wesen, das in der Bildung begriffen schien, mußte Beweise von Lebensfähigkeit
ablegen. Geschah dies nicht, so wuchs den Gegnern Lust und scheinbare Be¬
rechtigung zu jedem Einschüchterungsversuche; für England dagegen verlor dann
die Freundschaft, die durch Begünstigung der Schleswig-holsteinischen Sache zu
erwerben gewesen wäre, den eigentlichen Werth, und das Bedürfniß, den Frieden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/182>, abgerufen am 24.07.2024.