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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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zur Berathung einer gemeinsamen Verfassung für die Herzogthümer, mit dem
Verlangen ferner nach Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund, mit ferneren
Forderungen von Preßfreiheit, Bürgerbewaffnung u, f. w. Es war klar, daß
eine abschlägige Antwort die sofortige Erhebung der Herzogthümer nach sich
ziehen würde, und die Beobachtungen, die man auf der rendsburger Versamm¬
lung über die Stimmung der Schleswig-holsteinischen Truppen gemacht hatte,
konnten die Hoffnung auf das Gelingen einer solchen Erhebung nur bestärken.

Schon die Ankunft der Nachrichten über das in Rendsburg Geschehene ge¬
nügte aber, um in Kopenhagen den Ausbruch herbeizuführen. Keinen Augen¬
blick mehr wollten jetzt die Eiderdänen versäumen, sich in gehörige Fassung und
in den Besitz der entscheidenden Stellen zu bringen. Am 20. März große
Bürgerversammlung auf dem Casino, scharfe Resolutionen gegen die Selbständig¬
keit Schleswigs und eine Adresse an den König mit dem Schlüsse: Wir flehen
Ew. Maj. an, die Nation nicht zur Selbsthilfe der Verzweiflung zu treiben. Am
folgenden Tage Zusammenrottung einer Masse von 10--20,000 Menschen vor
dem königlichen Schlosse, in drohendster Haltung. Der König erklärte sein altes
Ministerium für entlassen; die eiderdänische Partei hatte gesiegt, ihr Führer, Orla
Lehmann, wurde die Seele der Negierung, die sich in den nächsten Tagen bildete.

In Schleswig-Holstein aber blieb man die Antwort auf das, was am
20. und 21. in Kopenhagen vollbracht war, nicht schuldig. Man wußte, daß
man sich jetzt von den Dänen des Aeußersten zu gewärtigen habe. So traten
denn zu Kiel mit dem Bruder des Herzogs von Augustenburg, dem Prinzen
Friedrich von Nver, der ehemalige Obergerichtsadvvcat Wilhelm Beseler, der
Graf Reventlow-Preetz und andere Männer zusammen; sie verständigten sich
mit einer stürmischen Versammlung von mehr bürgerlichem Charakter, die sich
auf dem Rathhause gebildet; in der Nacht auf den 24. entstand eine pro¬
visorische Regierung, zu welcher den drei Genannten ein paar Männer von der
Bürgerversammlung beigegeben wurden, und welcher kurz darauf namentlich der
wackere Demokrat Theodor Olshausen für einige Zeit zutrat. Im Namen des
Herzogs, der sich im Zustande der Unfreiheit befinde, erklärten diese Männer,
zum Schutze der Landesrechte und zur Aufrechthaltung der Ordnung die Lei¬
tung der öffentlichen Angelegenheiten zu ergreifen. Und daß nun auch die
Audienz, welche an dem nämlichen Tage zu Kopenhagen die Deputation der
Stände vor dem König hatte, nichts mehr bedeuten konnte, läßt sich denken.
Der König, der eben an diesem Tage sein eidcrdänischcs Ministerium zu Stande
brachte, bezeigte sich ganz im Sinne der herrschenden Partei zur Gewährung
großer Selbständigkeit an Holstein bereit, dagegen ebenso entschlossen, Schles¬
wig nur noch fester an Dänemark heranzuziehen. Schleswig war der Gegen¬
stand des anbrechenden Kampfes.

In diesen Kampf traten nun freilich Schleswig-Holstein und Dänemark


zur Berathung einer gemeinsamen Verfassung für die Herzogthümer, mit dem
Verlangen ferner nach Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund, mit ferneren
Forderungen von Preßfreiheit, Bürgerbewaffnung u, f. w. Es war klar, daß
eine abschlägige Antwort die sofortige Erhebung der Herzogthümer nach sich
ziehen würde, und die Beobachtungen, die man auf der rendsburger Versamm¬
lung über die Stimmung der Schleswig-holsteinischen Truppen gemacht hatte,
konnten die Hoffnung auf das Gelingen einer solchen Erhebung nur bestärken.

Schon die Ankunft der Nachrichten über das in Rendsburg Geschehene ge¬
nügte aber, um in Kopenhagen den Ausbruch herbeizuführen. Keinen Augen¬
blick mehr wollten jetzt die Eiderdänen versäumen, sich in gehörige Fassung und
in den Besitz der entscheidenden Stellen zu bringen. Am 20. März große
Bürgerversammlung auf dem Casino, scharfe Resolutionen gegen die Selbständig¬
keit Schleswigs und eine Adresse an den König mit dem Schlüsse: Wir flehen
Ew. Maj. an, die Nation nicht zur Selbsthilfe der Verzweiflung zu treiben. Am
folgenden Tage Zusammenrottung einer Masse von 10—20,000 Menschen vor
dem königlichen Schlosse, in drohendster Haltung. Der König erklärte sein altes
Ministerium für entlassen; die eiderdänische Partei hatte gesiegt, ihr Führer, Orla
Lehmann, wurde die Seele der Negierung, die sich in den nächsten Tagen bildete.

In Schleswig-Holstein aber blieb man die Antwort auf das, was am
20. und 21. in Kopenhagen vollbracht war, nicht schuldig. Man wußte, daß
man sich jetzt von den Dänen des Aeußersten zu gewärtigen habe. So traten
denn zu Kiel mit dem Bruder des Herzogs von Augustenburg, dem Prinzen
Friedrich von Nver, der ehemalige Obergerichtsadvvcat Wilhelm Beseler, der
Graf Reventlow-Preetz und andere Männer zusammen; sie verständigten sich
mit einer stürmischen Versammlung von mehr bürgerlichem Charakter, die sich
auf dem Rathhause gebildet; in der Nacht auf den 24. entstand eine pro¬
visorische Regierung, zu welcher den drei Genannten ein paar Männer von der
Bürgerversammlung beigegeben wurden, und welcher kurz darauf namentlich der
wackere Demokrat Theodor Olshausen für einige Zeit zutrat. Im Namen des
Herzogs, der sich im Zustande der Unfreiheit befinde, erklärten diese Männer,
zum Schutze der Landesrechte und zur Aufrechthaltung der Ordnung die Lei¬
tung der öffentlichen Angelegenheiten zu ergreifen. Und daß nun auch die
Audienz, welche an dem nämlichen Tage zu Kopenhagen die Deputation der
Stände vor dem König hatte, nichts mehr bedeuten konnte, läßt sich denken.
Der König, der eben an diesem Tage sein eidcrdänischcs Ministerium zu Stande
brachte, bezeigte sich ganz im Sinne der herrschenden Partei zur Gewährung
großer Selbständigkeit an Holstein bereit, dagegen ebenso entschlossen, Schles¬
wig nur noch fester an Dänemark heranzuziehen. Schleswig war der Gegen¬
stand des anbrechenden Kampfes.

In diesen Kampf traten nun freilich Schleswig-Holstein und Dänemark


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[0177] zur Berathung einer gemeinsamen Verfassung für die Herzogthümer, mit dem Verlangen ferner nach Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund, mit ferneren Forderungen von Preßfreiheit, Bürgerbewaffnung u, f. w. Es war klar, daß eine abschlägige Antwort die sofortige Erhebung der Herzogthümer nach sich ziehen würde, und die Beobachtungen, die man auf der rendsburger Versamm¬ lung über die Stimmung der Schleswig-holsteinischen Truppen gemacht hatte, konnten die Hoffnung auf das Gelingen einer solchen Erhebung nur bestärken. Schon die Ankunft der Nachrichten über das in Rendsburg Geschehene ge¬ nügte aber, um in Kopenhagen den Ausbruch herbeizuführen. Keinen Augen¬ blick mehr wollten jetzt die Eiderdänen versäumen, sich in gehörige Fassung und in den Besitz der entscheidenden Stellen zu bringen. Am 20. März große Bürgerversammlung auf dem Casino, scharfe Resolutionen gegen die Selbständig¬ keit Schleswigs und eine Adresse an den König mit dem Schlüsse: Wir flehen Ew. Maj. an, die Nation nicht zur Selbsthilfe der Verzweiflung zu treiben. Am folgenden Tage Zusammenrottung einer Masse von 10—20,000 Menschen vor dem königlichen Schlosse, in drohendster Haltung. Der König erklärte sein altes Ministerium für entlassen; die eiderdänische Partei hatte gesiegt, ihr Führer, Orla Lehmann, wurde die Seele der Negierung, die sich in den nächsten Tagen bildete. In Schleswig-Holstein aber blieb man die Antwort auf das, was am 20. und 21. in Kopenhagen vollbracht war, nicht schuldig. Man wußte, daß man sich jetzt von den Dänen des Aeußersten zu gewärtigen habe. So traten denn zu Kiel mit dem Bruder des Herzogs von Augustenburg, dem Prinzen Friedrich von Nver, der ehemalige Obergerichtsadvvcat Wilhelm Beseler, der Graf Reventlow-Preetz und andere Männer zusammen; sie verständigten sich mit einer stürmischen Versammlung von mehr bürgerlichem Charakter, die sich auf dem Rathhause gebildet; in der Nacht auf den 24. entstand eine pro¬ visorische Regierung, zu welcher den drei Genannten ein paar Männer von der Bürgerversammlung beigegeben wurden, und welcher kurz darauf namentlich der wackere Demokrat Theodor Olshausen für einige Zeit zutrat. Im Namen des Herzogs, der sich im Zustande der Unfreiheit befinde, erklärten diese Männer, zum Schutze der Landesrechte und zur Aufrechthaltung der Ordnung die Lei¬ tung der öffentlichen Angelegenheiten zu ergreifen. Und daß nun auch die Audienz, welche an dem nämlichen Tage zu Kopenhagen die Deputation der Stände vor dem König hatte, nichts mehr bedeuten konnte, läßt sich denken. Der König, der eben an diesem Tage sein eidcrdänischcs Ministerium zu Stande brachte, bezeigte sich ganz im Sinne der herrschenden Partei zur Gewährung großer Selbständigkeit an Holstein bereit, dagegen ebenso entschlossen, Schles¬ wig nur noch fester an Dänemark heranzuziehen. Schleswig war der Gegen¬ stand des anbrechenden Kampfes. In diesen Kampf traten nun freilich Schleswig-Holstein und Dänemark

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/177>, abgerufen am 24.07.2024.