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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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offenen Briefe zur Erhärtung der in demselben aufgestellten.Behauptungen bei¬
gegeben war; Samwer und Droysen erwarben sich Dank als tüchtige Ber¬
theidiger des guten Schleswig-holsteinischen Rechtes auf eigene Erbfvlgevrdnung
und gesonderte Stellung. Von größter Wichtigkeit war es dabei, daß schon
vor Erlaß des offenen Briefes die öffentliche Meinung in Deutschland bcgo>inen
hatte, die Sache der Herzogthümer als eine allgemein deutsche anzusehen; mit
Freuden hörte man, wie auf der frankfurter Germanisten-Versammlung des
Jahres 1846 die ersten Gelehrten im Gebiete deutscher Sprach- und Rechts-
sorschung die Schleswig-holsteinische Angelegenheit zum Hauptgegenstande ihrer
Verhandln"gen machten.

Der dänische König suchte durch einen zweiten offenen Brief den Eindruck
des erste" einigermaßen zu verwischen und die hervorgebrachte Erregung zu
beschwichtigen; eine Zurücknahme dessen, was der erste Brief ausgesprochen,
war in dem zweiten nicht enthalten, und in der Stille rückte man weiter vor¬
wärts. Freilich, als man die Verbindung Schleswig-Holsteins mit Dänemark
für die Zukunft dadurch zu sichern dachte, daß man dem Herzog von Augusten¬
burg, dem gesetzlichen Erben der Herzogthümer, auch auf die Succession in
Dänemark Aussicht machte, wurde dieser Versuch durch die ablehnende Antwort
des Herzogs vereitelt; zum Werkzeuge für Aufrechterhaltung der verhaßten Ver¬
bindung sich hergebend, hätte ja der Herzog seinen Boden in Schleswig-Holstein
verloren, ohne deshalb Dänemarks, wo er bereits durch seine Beziehungen zu
Schleswig-Holstein verhaßt geworden, sicher zu sein. Der Erlaß einer constitu-
tionellen Verfassung aber, so meinte man jetzt in Kopenhagen, einer Ver¬
fassung, die Dänemark und Schleswig-Holstein umfaßte, werde das beste Mittel
sein, die Herzen der Schleswig-Hvtsteiner für die Einheit, die durch die Ver¬
fassung selbst für alle Zeiten grundgesetzlich festgestellt werden sollte, zu gewinnen.

Ehe jedoch dieser Plan zur Ausführung gekommen, starb der König
Christian der Achte, den 20. Januar 1848. Sein Sohn bestieg als Friedrich
der Siebente den Thron -- eine Matrvsennatur ohne sonderliche Begabung
und, wie man leicht voraussehn konnte, nicht im Stande, den Partei-Einflüssen
die sich seiner zu bemächtigen suchen würden, zu widerstehn. Bereits hatten sich
in Kopenhagen über die Politik, die in Bezug auf Schleswig-Holstein zu be¬
obachten wäre, zwei verschiedene Ansichten ausgebildet -- beide freilich den
Wünschen der Herzogthümer selbst durchaus entgegenstehend. Während die
Einen das ganze Schleswig-Holstein für immer mit Dänemark verbunden
halten wollten, so jedoch, daß manche besondere Verhältnisse der Herzog¬
thümer einige Schonung erführen, wollten die Anderen in der Ueber¬
zeugung, daß deutsche Nationalität und deutsche Gesinnung in Schleswig, so
lange dasselbe mit Holstein zusammenhänge, allezeit von hier aus gestützt und
gestärkt werden würde bis zur Unüberwindlichkeit, vor allem jeden Zusammen-


offenen Briefe zur Erhärtung der in demselben aufgestellten.Behauptungen bei¬
gegeben war; Samwer und Droysen erwarben sich Dank als tüchtige Ber¬
theidiger des guten Schleswig-holsteinischen Rechtes auf eigene Erbfvlgevrdnung
und gesonderte Stellung. Von größter Wichtigkeit war es dabei, daß schon
vor Erlaß des offenen Briefes die öffentliche Meinung in Deutschland bcgo>inen
hatte, die Sache der Herzogthümer als eine allgemein deutsche anzusehen; mit
Freuden hörte man, wie auf der frankfurter Germanisten-Versammlung des
Jahres 1846 die ersten Gelehrten im Gebiete deutscher Sprach- und Rechts-
sorschung die Schleswig-holsteinische Angelegenheit zum Hauptgegenstande ihrer
Verhandln«gen machten.

Der dänische König suchte durch einen zweiten offenen Brief den Eindruck
des erste» einigermaßen zu verwischen und die hervorgebrachte Erregung zu
beschwichtigen; eine Zurücknahme dessen, was der erste Brief ausgesprochen,
war in dem zweiten nicht enthalten, und in der Stille rückte man weiter vor¬
wärts. Freilich, als man die Verbindung Schleswig-Holsteins mit Dänemark
für die Zukunft dadurch zu sichern dachte, daß man dem Herzog von Augusten¬
burg, dem gesetzlichen Erben der Herzogthümer, auch auf die Succession in
Dänemark Aussicht machte, wurde dieser Versuch durch die ablehnende Antwort
des Herzogs vereitelt; zum Werkzeuge für Aufrechterhaltung der verhaßten Ver¬
bindung sich hergebend, hätte ja der Herzog seinen Boden in Schleswig-Holstein
verloren, ohne deshalb Dänemarks, wo er bereits durch seine Beziehungen zu
Schleswig-Holstein verhaßt geworden, sicher zu sein. Der Erlaß einer constitu-
tionellen Verfassung aber, so meinte man jetzt in Kopenhagen, einer Ver¬
fassung, die Dänemark und Schleswig-Holstein umfaßte, werde das beste Mittel
sein, die Herzen der Schleswig-Hvtsteiner für die Einheit, die durch die Ver¬
fassung selbst für alle Zeiten grundgesetzlich festgestellt werden sollte, zu gewinnen.

Ehe jedoch dieser Plan zur Ausführung gekommen, starb der König
Christian der Achte, den 20. Januar 1848. Sein Sohn bestieg als Friedrich
der Siebente den Thron — eine Matrvsennatur ohne sonderliche Begabung
und, wie man leicht voraussehn konnte, nicht im Stande, den Partei-Einflüssen
die sich seiner zu bemächtigen suchen würden, zu widerstehn. Bereits hatten sich
in Kopenhagen über die Politik, die in Bezug auf Schleswig-Holstein zu be¬
obachten wäre, zwei verschiedene Ansichten ausgebildet — beide freilich den
Wünschen der Herzogthümer selbst durchaus entgegenstehend. Während die
Einen das ganze Schleswig-Holstein für immer mit Dänemark verbunden
halten wollten, so jedoch, daß manche besondere Verhältnisse der Herzog¬
thümer einige Schonung erführen, wollten die Anderen in der Ueber¬
zeugung, daß deutsche Nationalität und deutsche Gesinnung in Schleswig, so
lange dasselbe mit Holstein zusammenhänge, allezeit von hier aus gestützt und
gestärkt werden würde bis zur Unüberwindlichkeit, vor allem jeden Zusammen-


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[0175] offenen Briefe zur Erhärtung der in demselben aufgestellten.Behauptungen bei¬ gegeben war; Samwer und Droysen erwarben sich Dank als tüchtige Ber¬ theidiger des guten Schleswig-holsteinischen Rechtes auf eigene Erbfvlgevrdnung und gesonderte Stellung. Von größter Wichtigkeit war es dabei, daß schon vor Erlaß des offenen Briefes die öffentliche Meinung in Deutschland bcgo>inen hatte, die Sache der Herzogthümer als eine allgemein deutsche anzusehen; mit Freuden hörte man, wie auf der frankfurter Germanisten-Versammlung des Jahres 1846 die ersten Gelehrten im Gebiete deutscher Sprach- und Rechts- sorschung die Schleswig-holsteinische Angelegenheit zum Hauptgegenstande ihrer Verhandln«gen machten. Der dänische König suchte durch einen zweiten offenen Brief den Eindruck des erste» einigermaßen zu verwischen und die hervorgebrachte Erregung zu beschwichtigen; eine Zurücknahme dessen, was der erste Brief ausgesprochen, war in dem zweiten nicht enthalten, und in der Stille rückte man weiter vor¬ wärts. Freilich, als man die Verbindung Schleswig-Holsteins mit Dänemark für die Zukunft dadurch zu sichern dachte, daß man dem Herzog von Augusten¬ burg, dem gesetzlichen Erben der Herzogthümer, auch auf die Succession in Dänemark Aussicht machte, wurde dieser Versuch durch die ablehnende Antwort des Herzogs vereitelt; zum Werkzeuge für Aufrechterhaltung der verhaßten Ver¬ bindung sich hergebend, hätte ja der Herzog seinen Boden in Schleswig-Holstein verloren, ohne deshalb Dänemarks, wo er bereits durch seine Beziehungen zu Schleswig-Holstein verhaßt geworden, sicher zu sein. Der Erlaß einer constitu- tionellen Verfassung aber, so meinte man jetzt in Kopenhagen, einer Ver¬ fassung, die Dänemark und Schleswig-Holstein umfaßte, werde das beste Mittel sein, die Herzen der Schleswig-Hvtsteiner für die Einheit, die durch die Ver¬ fassung selbst für alle Zeiten grundgesetzlich festgestellt werden sollte, zu gewinnen. Ehe jedoch dieser Plan zur Ausführung gekommen, starb der König Christian der Achte, den 20. Januar 1848. Sein Sohn bestieg als Friedrich der Siebente den Thron — eine Matrvsennatur ohne sonderliche Begabung und, wie man leicht voraussehn konnte, nicht im Stande, den Partei-Einflüssen die sich seiner zu bemächtigen suchen würden, zu widerstehn. Bereits hatten sich in Kopenhagen über die Politik, die in Bezug auf Schleswig-Holstein zu be¬ obachten wäre, zwei verschiedene Ansichten ausgebildet — beide freilich den Wünschen der Herzogthümer selbst durchaus entgegenstehend. Während die Einen das ganze Schleswig-Holstein für immer mit Dänemark verbunden halten wollten, so jedoch, daß manche besondere Verhältnisse der Herzog¬ thümer einige Schonung erführen, wollten die Anderen in der Ueber¬ zeugung, daß deutsche Nationalität und deutsche Gesinnung in Schleswig, so lange dasselbe mit Holstein zusammenhänge, allezeit von hier aus gestützt und gestärkt werden würde bis zur Unüberwindlichkeit, vor allem jeden Zusammen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/175>, abgerufen am 24.07.2024.