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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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bekannt sind der "prügelsüchtige Orbilius", die Züchtigungsscene auf einem der
Herkulanischen Wandgemälde und die Schilderung der Schulzucht bei Ausonius.
Die Züchtigungsinstrumente waren die kernig, oder v"x>S^, eine Gerte von
Pfriemenkraut, mit weicher man auf die Hand schlug, die seutica, eine Peitsche
aus Riemchen, und das noch weniger gelinde gaMllum, die Geißel, mit wel¬
cher man die Sklaven züchtigte.

Der Unterricht, nunmehr in drei Stufen: den elementaren, den gram¬
matischen und den rhetorischen zerlegt, dauerte, nur von den viermonatlicher
Sommerferien und den großen Festtagen sowie wahrscheinlich auch von den
Jahrmarktstagen unterbrochen, bis zu der Zeit, wo der Knabe die Toga anlegte,
der rhetorische Unterricht mitunter auch Kber diese hinaus. Indeß irrt man.
Wenn man glaubt, - die griechische Bildung habe nunmehr in der Masse der
römischen Bevölkerung Beifall und Eingang gefunden. Sie war vielmehr
während der ganzen Zeit der Republik äußerst unbeliebt beim Volke, welches
noch immer den Grundsatz des alten Cato festhielt: "bonurri illorum litteras
iuspieers, ron xizräiseers" und "quÄinloque istg, Mus suas littei-g.8 ctabit,
oirinis, eorrumpst." Solcher Ansicht gegenüber meinten die Redner ihre
griechische Bildung nur vorsichtig geltend machen zu dürfen, was auch von
Seiten Ciceros geschah, der nicht nur in den Reden, sondern auch in den Ein¬
leitungen zu seinen philosophischen Abhandlungen dahin gehende Aeußerungen
thut. So, wenn er Inse. I., 1 den Sah aufstellt: "Immer war es meine
Ansicht, daß unsre Leute entweder alles für sich klüger als die Griechen erdacht
oder doch das von jenen Empfangn? verbessert haben." Und so, wenn er
wiederholt die Meinung seiner Zeit dahin ausspricht) daß die Wissenschaft zwar
für die Erziehung junger Menschen und die Beschäftigung in Mußestunden passe,
für den Lebensberuf des Menschen aber ungeeignet sei.

Seit dem Beginn der Kaiserzeit war solche Verläugnung des Besitzes und
des Werthes der griechischen Bildung allerdings nicht mehr nöthig. In der
Literatur kam das griechische Vorbild zur entschiedenen Anerkennung, in den
öffentlichen Bibliotheken, wie in den Büchersammlungen der Privatleute waren
die römische wie die griechische Dichtung und Wissenschaft gleichmäßig vertreten,
in Rom wurden Lehrer der artss liber-ales gesucht und geehrt, über den gan¬
zen Umfang der westlichen Provinzen verbreitete sich der Geist der hellenistischen
Schulen. Aber der Geschmack in Poesie und Beredsamkeit, nunmehr sich be¬
festigend durch die Mode gewordenen Recitationen sowie die in allen Rhetoren-
schulen eingeführten Suasorien und Controversen, und der erweiterte Kreis
der Schulbildung, die e/xi^-os 7r"este", zu der namentlich auch Musik und
Geometrie gehörten, blieb immer ein Vorzug der höheren Stände und gewann
niemals Einfluß auf die Volksmassen im Westen des römischen Reichs. In der
zweiten Periode der Kaiserzeit aber (die etwa mit Hadrian beginnt) wurden die


Grenzboten I. 1864. 20

bekannt sind der „prügelsüchtige Orbilius", die Züchtigungsscene auf einem der
Herkulanischen Wandgemälde und die Schilderung der Schulzucht bei Ausonius.
Die Züchtigungsinstrumente waren die kernig, oder v«x>S^, eine Gerte von
Pfriemenkraut, mit weicher man auf die Hand schlug, die seutica, eine Peitsche
aus Riemchen, und das noch weniger gelinde gaMllum, die Geißel, mit wel¬
cher man die Sklaven züchtigte.

Der Unterricht, nunmehr in drei Stufen: den elementaren, den gram¬
matischen und den rhetorischen zerlegt, dauerte, nur von den viermonatlicher
Sommerferien und den großen Festtagen sowie wahrscheinlich auch von den
Jahrmarktstagen unterbrochen, bis zu der Zeit, wo der Knabe die Toga anlegte,
der rhetorische Unterricht mitunter auch Kber diese hinaus. Indeß irrt man.
Wenn man glaubt, - die griechische Bildung habe nunmehr in der Masse der
römischen Bevölkerung Beifall und Eingang gefunden. Sie war vielmehr
während der ganzen Zeit der Republik äußerst unbeliebt beim Volke, welches
noch immer den Grundsatz des alten Cato festhielt: „bonurri illorum litteras
iuspieers, ron xizräiseers" und „quÄinloque istg, Mus suas littei-g.8 ctabit,
oirinis, eorrumpst." Solcher Ansicht gegenüber meinten die Redner ihre
griechische Bildung nur vorsichtig geltend machen zu dürfen, was auch von
Seiten Ciceros geschah, der nicht nur in den Reden, sondern auch in den Ein¬
leitungen zu seinen philosophischen Abhandlungen dahin gehende Aeußerungen
thut. So, wenn er Inse. I., 1 den Sah aufstellt: „Immer war es meine
Ansicht, daß unsre Leute entweder alles für sich klüger als die Griechen erdacht
oder doch das von jenen Empfangn? verbessert haben." Und so, wenn er
wiederholt die Meinung seiner Zeit dahin ausspricht) daß die Wissenschaft zwar
für die Erziehung junger Menschen und die Beschäftigung in Mußestunden passe,
für den Lebensberuf des Menschen aber ungeeignet sei.

Seit dem Beginn der Kaiserzeit war solche Verläugnung des Besitzes und
des Werthes der griechischen Bildung allerdings nicht mehr nöthig. In der
Literatur kam das griechische Vorbild zur entschiedenen Anerkennung, in den
öffentlichen Bibliotheken, wie in den Büchersammlungen der Privatleute waren
die römische wie die griechische Dichtung und Wissenschaft gleichmäßig vertreten,
in Rom wurden Lehrer der artss liber-ales gesucht und geehrt, über den gan¬
zen Umfang der westlichen Provinzen verbreitete sich der Geist der hellenistischen
Schulen. Aber der Geschmack in Poesie und Beredsamkeit, nunmehr sich be¬
festigend durch die Mode gewordenen Recitationen sowie die in allen Rhetoren-
schulen eingeführten Suasorien und Controversen, und der erweiterte Kreis
der Schulbildung, die e/xi^-os 7r«este«, zu der namentlich auch Musik und
Geometrie gehörten, blieb immer ein Vorzug der höheren Stände und gewann
niemals Einfluß auf die Volksmassen im Westen des römischen Reichs. In der
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Grenzboten I. 1864. 20
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[0163] bekannt sind der „prügelsüchtige Orbilius", die Züchtigungsscene auf einem der Herkulanischen Wandgemälde und die Schilderung der Schulzucht bei Ausonius. Die Züchtigungsinstrumente waren die kernig, oder v«x>S^, eine Gerte von Pfriemenkraut, mit weicher man auf die Hand schlug, die seutica, eine Peitsche aus Riemchen, und das noch weniger gelinde gaMllum, die Geißel, mit wel¬ cher man die Sklaven züchtigte. Der Unterricht, nunmehr in drei Stufen: den elementaren, den gram¬ matischen und den rhetorischen zerlegt, dauerte, nur von den viermonatlicher Sommerferien und den großen Festtagen sowie wahrscheinlich auch von den Jahrmarktstagen unterbrochen, bis zu der Zeit, wo der Knabe die Toga anlegte, der rhetorische Unterricht mitunter auch Kber diese hinaus. Indeß irrt man. Wenn man glaubt, - die griechische Bildung habe nunmehr in der Masse der römischen Bevölkerung Beifall und Eingang gefunden. Sie war vielmehr während der ganzen Zeit der Republik äußerst unbeliebt beim Volke, welches noch immer den Grundsatz des alten Cato festhielt: „bonurri illorum litteras iuspieers, ron xizräiseers" und „quÄinloque istg, Mus suas littei-g.8 ctabit, oirinis, eorrumpst." Solcher Ansicht gegenüber meinten die Redner ihre griechische Bildung nur vorsichtig geltend machen zu dürfen, was auch von Seiten Ciceros geschah, der nicht nur in den Reden, sondern auch in den Ein¬ leitungen zu seinen philosophischen Abhandlungen dahin gehende Aeußerungen thut. So, wenn er Inse. I., 1 den Sah aufstellt: „Immer war es meine Ansicht, daß unsre Leute entweder alles für sich klüger als die Griechen erdacht oder doch das von jenen Empfangn? verbessert haben." Und so, wenn er wiederholt die Meinung seiner Zeit dahin ausspricht) daß die Wissenschaft zwar für die Erziehung junger Menschen und die Beschäftigung in Mußestunden passe, für den Lebensberuf des Menschen aber ungeeignet sei. Seit dem Beginn der Kaiserzeit war solche Verläugnung des Besitzes und des Werthes der griechischen Bildung allerdings nicht mehr nöthig. In der Literatur kam das griechische Vorbild zur entschiedenen Anerkennung, in den öffentlichen Bibliotheken, wie in den Büchersammlungen der Privatleute waren die römische wie die griechische Dichtung und Wissenschaft gleichmäßig vertreten, in Rom wurden Lehrer der artss liber-ales gesucht und geehrt, über den gan¬ zen Umfang der westlichen Provinzen verbreitete sich der Geist der hellenistischen Schulen. Aber der Geschmack in Poesie und Beredsamkeit, nunmehr sich be¬ festigend durch die Mode gewordenen Recitationen sowie die in allen Rhetoren- schulen eingeführten Suasorien und Controversen, und der erweiterte Kreis der Schulbildung, die e/xi^-os 7r«este«, zu der namentlich auch Musik und Geometrie gehörten, blieb immer ein Vorzug der höheren Stände und gewann niemals Einfluß auf die Volksmassen im Westen des römischen Reichs. In der zweiten Periode der Kaiserzeit aber (die etwa mit Hadrian beginnt) wurden die Grenzboten I. 1864. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/163>, abgerufen am 24.07.2024.