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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Den Mittelpunkt dieses Unterrichts bildete die Erklärung eines lateinischen
Dichters oder Prosaikers. Homer wurde bei den Römern das Hauptschulbuch
wie bei den Griechen und blieb es auch, nachdem daneben des Livius Androni-
cus lateinische Odssee, und später Virgil, Horaz und andere lateinische Dichter
als Lese- und Lehrstoff verwendet werden konnten. An die Erklärung knüpfte
sich, je nach der Befähigung des Lehrers, die Behandlung mythologischer,
geschichtlicher und geographischer Dinge und eine Instruction über Metrik. Auch
Mädchen nahmen an diesem Unterricht theil. In der Kaiserzeit benutzte man
bei der Unterweisung in mythologischen und historischen Gegenständen besondere
Hilfsmittel, von denen einige noch erhalten sind, z. B. die tabula. Iliaea, eine
mythologische Bilderfibel in Relief und ein griechisches Geschichtscompendium
aus der Zeit des Tiberius. Daneben gab es ordentliche Lehrbücher für verschiedene
Zwecke, wie das des Hygin und Dositheus und die Liolloyuia, Sobolastiea.
Landkarten, die ziemlich genau gewesen zu sein scheinen, hatte man erst seit
dem Ende der Republik.

Für besonders wichtig galt bei dieser neuen Unterrichtsmethode ein gram¬
matisch-rhetorischer Cursus, welcher bis in das letzte Jahrhundert der Republik
von dem Grammaticus ertheilt wurde. Von da an erst gab es für denselben
eigne Lehrer, die Rhetoren, zu denen der Knabe überging, wenn er die Schule
des Grammaticus durchgemacht hatte. Und zwar waren dies griechische Rhe-
toren, da man jetzt auch im Interesse des Staates es für nützlicher fand, das
Studium der Beredsamkeit an den griechischen Mustern zu nähren, als durch
lateinische Rhetoren, die zuerst 92 v. Chr. auftreten, praktische Zungenfertig¬
keit zu erzielen. Der erste lateinische Rhetor war ein gewisser Plotins Gallus;
Cicero wurde noch ganz durch griechische Lehrer der Beredsamkeit gebildet und
hat erst nach der Prätur lateinisch declamirt.

Um nun für diesen griechischen Unterricht die Kinder vorzubereiten, hielt
man es für zweckmäßig, dieselben gleich von Anfang an griechisch parliren
zu lassen. Statt des Familiengliedes oder des alten Sklaven oder Freigelassenen,
den man früher dem Kinde als "euLtos", d. h. als beständigen Begleiter bei¬
gab, fungirte nun ein griechischer "MöäaMZus" als Mentor oder eine griechische
Sklavin als Bvvne. Daneben gewann die Schule bei der beträchtlichen Er¬
weiterung des Kreises der Lehrgegenstände eine wesentlich erhöhte Wichtigkeit.
Frühmorgens zog der Knabe mit der Schulmappe, der Schreibtafel und den
Büchern, begleitet von seinem Pädagogen, der den Unterrichtsstunden beiwohnte,
bisweilen auch noch von einem "eg-xzarius", der die Bücher trug, in die Schule,
in welcher, wenn sie zahlreiche" Zuspruch hatte, die Schüler ihrer Fähigkeiten
nach in verschiedene Classen gesondert lernten. Durch eine strenge Disciplin,
mitunter auch durch Belohnungen wurden sie hier zur Aufmerksamkeit und
Thätigkeit angehalten. Die gewöhnlichste Strafe war körperliche Züchtigung,


Den Mittelpunkt dieses Unterrichts bildete die Erklärung eines lateinischen
Dichters oder Prosaikers. Homer wurde bei den Römern das Hauptschulbuch
wie bei den Griechen und blieb es auch, nachdem daneben des Livius Androni-
cus lateinische Odssee, und später Virgil, Horaz und andere lateinische Dichter
als Lese- und Lehrstoff verwendet werden konnten. An die Erklärung knüpfte
sich, je nach der Befähigung des Lehrers, die Behandlung mythologischer,
geschichtlicher und geographischer Dinge und eine Instruction über Metrik. Auch
Mädchen nahmen an diesem Unterricht theil. In der Kaiserzeit benutzte man
bei der Unterweisung in mythologischen und historischen Gegenständen besondere
Hilfsmittel, von denen einige noch erhalten sind, z. B. die tabula. Iliaea, eine
mythologische Bilderfibel in Relief und ein griechisches Geschichtscompendium
aus der Zeit des Tiberius. Daneben gab es ordentliche Lehrbücher für verschiedene
Zwecke, wie das des Hygin und Dositheus und die Liolloyuia, Sobolastiea.
Landkarten, die ziemlich genau gewesen zu sein scheinen, hatte man erst seit
dem Ende der Republik.

Für besonders wichtig galt bei dieser neuen Unterrichtsmethode ein gram¬
matisch-rhetorischer Cursus, welcher bis in das letzte Jahrhundert der Republik
von dem Grammaticus ertheilt wurde. Von da an erst gab es für denselben
eigne Lehrer, die Rhetoren, zu denen der Knabe überging, wenn er die Schule
des Grammaticus durchgemacht hatte. Und zwar waren dies griechische Rhe-
toren, da man jetzt auch im Interesse des Staates es für nützlicher fand, das
Studium der Beredsamkeit an den griechischen Mustern zu nähren, als durch
lateinische Rhetoren, die zuerst 92 v. Chr. auftreten, praktische Zungenfertig¬
keit zu erzielen. Der erste lateinische Rhetor war ein gewisser Plotins Gallus;
Cicero wurde noch ganz durch griechische Lehrer der Beredsamkeit gebildet und
hat erst nach der Prätur lateinisch declamirt.

Um nun für diesen griechischen Unterricht die Kinder vorzubereiten, hielt
man es für zweckmäßig, dieselben gleich von Anfang an griechisch parliren
zu lassen. Statt des Familiengliedes oder des alten Sklaven oder Freigelassenen,
den man früher dem Kinde als „euLtos", d. h. als beständigen Begleiter bei¬
gab, fungirte nun ein griechischer „MöäaMZus" als Mentor oder eine griechische
Sklavin als Bvvne. Daneben gewann die Schule bei der beträchtlichen Er¬
weiterung des Kreises der Lehrgegenstände eine wesentlich erhöhte Wichtigkeit.
Frühmorgens zog der Knabe mit der Schulmappe, der Schreibtafel und den
Büchern, begleitet von seinem Pädagogen, der den Unterrichtsstunden beiwohnte,
bisweilen auch noch von einem „eg-xzarius", der die Bücher trug, in die Schule,
in welcher, wenn sie zahlreiche» Zuspruch hatte, die Schüler ihrer Fähigkeiten
nach in verschiedene Classen gesondert lernten. Durch eine strenge Disciplin,
mitunter auch durch Belohnungen wurden sie hier zur Aufmerksamkeit und
Thätigkeit angehalten. Die gewöhnlichste Strafe war körperliche Züchtigung,


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[0162] Den Mittelpunkt dieses Unterrichts bildete die Erklärung eines lateinischen Dichters oder Prosaikers. Homer wurde bei den Römern das Hauptschulbuch wie bei den Griechen und blieb es auch, nachdem daneben des Livius Androni- cus lateinische Odssee, und später Virgil, Horaz und andere lateinische Dichter als Lese- und Lehrstoff verwendet werden konnten. An die Erklärung knüpfte sich, je nach der Befähigung des Lehrers, die Behandlung mythologischer, geschichtlicher und geographischer Dinge und eine Instruction über Metrik. Auch Mädchen nahmen an diesem Unterricht theil. In der Kaiserzeit benutzte man bei der Unterweisung in mythologischen und historischen Gegenständen besondere Hilfsmittel, von denen einige noch erhalten sind, z. B. die tabula. Iliaea, eine mythologische Bilderfibel in Relief und ein griechisches Geschichtscompendium aus der Zeit des Tiberius. Daneben gab es ordentliche Lehrbücher für verschiedene Zwecke, wie das des Hygin und Dositheus und die Liolloyuia, Sobolastiea. Landkarten, die ziemlich genau gewesen zu sein scheinen, hatte man erst seit dem Ende der Republik. Für besonders wichtig galt bei dieser neuen Unterrichtsmethode ein gram¬ matisch-rhetorischer Cursus, welcher bis in das letzte Jahrhundert der Republik von dem Grammaticus ertheilt wurde. Von da an erst gab es für denselben eigne Lehrer, die Rhetoren, zu denen der Knabe überging, wenn er die Schule des Grammaticus durchgemacht hatte. Und zwar waren dies griechische Rhe- toren, da man jetzt auch im Interesse des Staates es für nützlicher fand, das Studium der Beredsamkeit an den griechischen Mustern zu nähren, als durch lateinische Rhetoren, die zuerst 92 v. Chr. auftreten, praktische Zungenfertig¬ keit zu erzielen. Der erste lateinische Rhetor war ein gewisser Plotins Gallus; Cicero wurde noch ganz durch griechische Lehrer der Beredsamkeit gebildet und hat erst nach der Prätur lateinisch declamirt. Um nun für diesen griechischen Unterricht die Kinder vorzubereiten, hielt man es für zweckmäßig, dieselben gleich von Anfang an griechisch parliren zu lassen. Statt des Familiengliedes oder des alten Sklaven oder Freigelassenen, den man früher dem Kinde als „euLtos", d. h. als beständigen Begleiter bei¬ gab, fungirte nun ein griechischer „MöäaMZus" als Mentor oder eine griechische Sklavin als Bvvne. Daneben gewann die Schule bei der beträchtlichen Er¬ weiterung des Kreises der Lehrgegenstände eine wesentlich erhöhte Wichtigkeit. Frühmorgens zog der Knabe mit der Schulmappe, der Schreibtafel und den Büchern, begleitet von seinem Pädagogen, der den Unterrichtsstunden beiwohnte, bisweilen auch noch von einem „eg-xzarius", der die Bücher trug, in die Schule, in welcher, wenn sie zahlreiche» Zuspruch hatte, die Schüler ihrer Fähigkeiten nach in verschiedene Classen gesondert lernten. Durch eine strenge Disciplin, mitunter auch durch Belohnungen wurden sie hier zur Aufmerksamkeit und Thätigkeit angehalten. Die gewöhnlichste Strafe war körperliche Züchtigung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/162>, abgerufen am 24.07.2024.