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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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daß sie wieder herauskommen würde. Es kamen drei Russen in Mäntel ge¬
kleidet auf mich zu, und ohne von mir als Offizier Notiz zu nehmen, was
sonst bei den Russen sehr streng beobachtet wird, sagten sie: "Altos Franzos,
Schafs Mamsell", wobei einer mich anfaßte. Ich trat einen Schritt zurück, rade-
brechte auf polnisch und russisch, ich sei Offizier, sie sollten marschiren, indem
ich mich des Ausdrucks: Stöpel bediente. Ich hatte die Hand an meinen sehr
schweren und scharf geschliffenen Säbel gelegt, die Russen wiederholten nochmals
ihr "Schafs Mamsell", und einer griff nach meinem Säbel; er hatte die Scheide
unter dem Gefäß erfaßt, ich zog mit der größten Heftigkeit den Säbel heraus
und durchschnitt ihm inwendig die ganze Hand, die er blutend in die Höhe
hielt. Wie seine Kameraden das sahen, packten sie mich, ich aber in meiner
Angst bekam Riesenkräfte, schüttelte sie von mir ab und ergriff die Flucht. In¬
deß lief ich nur hundert bis anderthalbhundert Schritt, wo ich bemerkte, daß
blos noch einer der Kerle hinter mir war. Ich blieb stehen, drehte mich
um und hieb ihm, als er herankam, eins über den Kopf, daß er sofort Kehrt
machte und davon taumelte. Auch Verändere ließ von mir ab, ich mochte den
ersten gut getroffen haben.

Nun erreichte ich wieder den Markt und ging unter den Lauben fort, die den¬
selben wie in einigen Städten Schlesiens umgeben, und unter denen es weniger hell
war. Da sprang plötzlich wieder ein Russe von einer Bank auf und warf
einen großen Stein nach mir, womit er mich jedoch glücklicher Weise nicht
traf. Ich ging auf ihn los, er auf mich, indem er die Hände vor sich hin¬
hielt, um mich zu greifen und sich gegen meinen Säbel zu decken. Ich stieß
ihm den Tschacko vom Kopf und versetzte ihm einen Hieb über letzteren. Indem
ich zu einem zweiten Hiebe ausholte, sank er zusammen. Ich entfernte mich
nun rasch, und als ich eine russische Patrouille von vier Mann auf mich zu¬
kommen sah, sing ich an zu laufen und laut um Hilfe zu rufen, und zwar
auf deutsch, was ich nur schreien konnte "zu Hilfe, Kameraden!" Da hörte ich
eine Stimme von der entgegengesetzten Seite des Marktes. "Zu mir! zu mir!
Warum laufen Sie denn so, ich bin der Commandant, kommen Sie zu mir!"
Ich sah einen Offizier stehen, den ich erreichte, die russische Patrouille mir
auf den Fersen. Der Commandant, ein Hauptmann v. Frankhen, fragte
mich nun, was es gäbe und warum ich so gelaufen sei? Ich erwiderte: "den
Russen ist nicht zu trauen, ich weiß das." Der herankommenden Patrouille
trat der Hauptmann entgegen und sagte den Leuten, er sei der Commandant,
was sie wollten? Natürlich verstanden sie ihn nicht. Zum Glück kam nun der
Hauptmann v. Noczinsky. Adjutant des Prinzen August, dazu, der sprach
russisch; zu gleicher Zeit erschien der Wachehabende, ein Fähnrich. Alles Re¬
den des Hauptmanns v. Noczinsky hals nichts, der Fähnrich arretirte uns
alle, den Commandanten, den Adjutanten des Prinzen und mich. Nach langen


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daß sie wieder herauskommen würde. Es kamen drei Russen in Mäntel ge¬
kleidet auf mich zu, und ohne von mir als Offizier Notiz zu nehmen, was
sonst bei den Russen sehr streng beobachtet wird, sagten sie: „Altos Franzos,
Schafs Mamsell", wobei einer mich anfaßte. Ich trat einen Schritt zurück, rade-
brechte auf polnisch und russisch, ich sei Offizier, sie sollten marschiren, indem
ich mich des Ausdrucks: Stöpel bediente. Ich hatte die Hand an meinen sehr
schweren und scharf geschliffenen Säbel gelegt, die Russen wiederholten nochmals
ihr „Schafs Mamsell", und einer griff nach meinem Säbel; er hatte die Scheide
unter dem Gefäß erfaßt, ich zog mit der größten Heftigkeit den Säbel heraus
und durchschnitt ihm inwendig die ganze Hand, die er blutend in die Höhe
hielt. Wie seine Kameraden das sahen, packten sie mich, ich aber in meiner
Angst bekam Riesenkräfte, schüttelte sie von mir ab und ergriff die Flucht. In¬
deß lief ich nur hundert bis anderthalbhundert Schritt, wo ich bemerkte, daß
blos noch einer der Kerle hinter mir war. Ich blieb stehen, drehte mich
um und hieb ihm, als er herankam, eins über den Kopf, daß er sofort Kehrt
machte und davon taumelte. Auch Verändere ließ von mir ab, ich mochte den
ersten gut getroffen haben.

Nun erreichte ich wieder den Markt und ging unter den Lauben fort, die den¬
selben wie in einigen Städten Schlesiens umgeben, und unter denen es weniger hell
war. Da sprang plötzlich wieder ein Russe von einer Bank auf und warf
einen großen Stein nach mir, womit er mich jedoch glücklicher Weise nicht
traf. Ich ging auf ihn los, er auf mich, indem er die Hände vor sich hin¬
hielt, um mich zu greifen und sich gegen meinen Säbel zu decken. Ich stieß
ihm den Tschacko vom Kopf und versetzte ihm einen Hieb über letzteren. Indem
ich zu einem zweiten Hiebe ausholte, sank er zusammen. Ich entfernte mich
nun rasch, und als ich eine russische Patrouille von vier Mann auf mich zu¬
kommen sah, sing ich an zu laufen und laut um Hilfe zu rufen, und zwar
auf deutsch, was ich nur schreien konnte „zu Hilfe, Kameraden!" Da hörte ich
eine Stimme von der entgegengesetzten Seite des Marktes. „Zu mir! zu mir!
Warum laufen Sie denn so, ich bin der Commandant, kommen Sie zu mir!"
Ich sah einen Offizier stehen, den ich erreichte, die russische Patrouille mir
auf den Fersen. Der Commandant, ein Hauptmann v. Frankhen, fragte
mich nun, was es gäbe und warum ich so gelaufen sei? Ich erwiderte: „den
Russen ist nicht zu trauen, ich weiß das." Der herankommenden Patrouille
trat der Hauptmann entgegen und sagte den Leuten, er sei der Commandant,
was sie wollten? Natürlich verstanden sie ihn nicht. Zum Glück kam nun der
Hauptmann v. Noczinsky. Adjutant des Prinzen August, dazu, der sprach
russisch; zu gleicher Zeit erschien der Wachehabende, ein Fähnrich. Alles Re¬
den des Hauptmanns v. Noczinsky hals nichts, der Fähnrich arretirte uns
alle, den Commandanten, den Adjutanten des Prinzen und mich. Nach langen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/13>, abgerufen am 24.07.2024.