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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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weniger patriotisch, wieder in Sorge, sich auf der einen Seite nicht mit ihren
Völkern, auf der andern nicht mit ihren großen Nachbarn zu verfeinden.

Nur Eins ist in dieser Zeit der Konfusion klar und'erfreulich, die Hal¬
tung der Holsteiner und die feste Haltung der wenigen Regierungen, welche sich
bereits für die Sache Schleswig-Holsteins offen und rücksichtslos erklärt haben.

Der nächste Erfolg beruht auf dem Grade von Festigkeit, welche die Ma¬
jorität dem Drängen Preußens und Oestreichs gegenüberstellt. Wir sind jetzt
in der Lage, daß auf dem Patriotismus der Souveräne von Bayern, Sachsen,
Würtemberg, Oldenburg, Hessen-Darmstadt, Nassau, auf den Hansestädten und
den Curien der kleinen souveraine die nächste Hoffnung der deutschen Nation
ruht. Sie sollen mit Baden, Waldeck und den sächsischen Herzogthümern,
welche zuerst voll und warm ihre nationale Pflicht erfüllt haben, unser natio¬
nales Gefühl vor einer Niederlage bewahren, welche nicht greulicher gedacht
werden kann. Wer das vor einigen Wochen gesagt hätte, es hätte ihm Nie¬
mand geglaubt.

Es ist unsern Landsleuten in Holstein nicht zu verdenken, wenn sie in
diesen Wochen besonders bitter und schmerzlich den Nachtheil empfinden, wel¬
chen die preußische Politik ihnen und uns allen zu bereiten droht. Und wenn
sie auch in der Haltung des preußischen Volkes einiges von der Wärme und
Energie vermissen, welche jetzt durch Rechtsgefühl und Ehrgefühl geboten wird,
so können wir leider wenig dagegen sagen. Aber Eines mögen unsre Freunde
in Holstein unter keinen Umständen vergessen. Wie krank der preußische Staat
auch jetzt sei, nicht in Kiel, sondern in Berlin wird ihr Schicksal entschieden,
und von Berlin haben sie zuletzt die Hilfe zu erwarten, welche ihnen entweder
Sicherheit und Freiheit bringt, oder, wenn dort die rechte Stunde versäumt
wird, zu spät und ruhmlos bemüht sein wird, aus den Trümmern einer
verdorbenen Sache zu retten, was dann noch zureiten sein wird. Denn offen¬
bar steht die Frage so. Entweder wird dem preußischen Staat und Schleswig-
Holstein jetzt das Glück, daß zu Berlin die Politik des Herrn v. Bismarck
mit einer mehr nationalen vertauscht wird. Und dann trägt Preußen die
Hauptlast, die 'Hauptkosten und die Gefahren eines Krieges für Schleswig.
Oder die unheimliche Eroberung Schleswigs wird durch preußische und östrei¬
chische Truppen für die Dänen zu Ende geführt, und die Herzogthümer werden
durch ein neues Protokoll von Neuem verkauft. Dann ist noch eine verzwei¬
felte Erhebung und ein verzweifelter Kampf der Herzogthümer in der Zukunft
nöthig, und bei solchem Kampfe liegt wieder die einzige Aussicht auf Erfolg
in den Wirkungen, welche diese schmachvolle Bewältigung der Herzogthümer
durch deutsche Truppen auf die Preußen selbst und ihr Königsgeschlecht aus¬
üben wird. Unterdeß soll man sich durch die renommirenden Artikel und un¬
wahren Nachrichten, welche die officiösen Korrespondenten über Politik und


weniger patriotisch, wieder in Sorge, sich auf der einen Seite nicht mit ihren
Völkern, auf der andern nicht mit ihren großen Nachbarn zu verfeinden.

Nur Eins ist in dieser Zeit der Konfusion klar und'erfreulich, die Hal¬
tung der Holsteiner und die feste Haltung der wenigen Regierungen, welche sich
bereits für die Sache Schleswig-Holsteins offen und rücksichtslos erklärt haben.

Der nächste Erfolg beruht auf dem Grade von Festigkeit, welche die Ma¬
jorität dem Drängen Preußens und Oestreichs gegenüberstellt. Wir sind jetzt
in der Lage, daß auf dem Patriotismus der Souveräne von Bayern, Sachsen,
Würtemberg, Oldenburg, Hessen-Darmstadt, Nassau, auf den Hansestädten und
den Curien der kleinen souveraine die nächste Hoffnung der deutschen Nation
ruht. Sie sollen mit Baden, Waldeck und den sächsischen Herzogthümern,
welche zuerst voll und warm ihre nationale Pflicht erfüllt haben, unser natio¬
nales Gefühl vor einer Niederlage bewahren, welche nicht greulicher gedacht
werden kann. Wer das vor einigen Wochen gesagt hätte, es hätte ihm Nie¬
mand geglaubt.

Es ist unsern Landsleuten in Holstein nicht zu verdenken, wenn sie in
diesen Wochen besonders bitter und schmerzlich den Nachtheil empfinden, wel¬
chen die preußische Politik ihnen und uns allen zu bereiten droht. Und wenn
sie auch in der Haltung des preußischen Volkes einiges von der Wärme und
Energie vermissen, welche jetzt durch Rechtsgefühl und Ehrgefühl geboten wird,
so können wir leider wenig dagegen sagen. Aber Eines mögen unsre Freunde
in Holstein unter keinen Umständen vergessen. Wie krank der preußische Staat
auch jetzt sei, nicht in Kiel, sondern in Berlin wird ihr Schicksal entschieden,
und von Berlin haben sie zuletzt die Hilfe zu erwarten, welche ihnen entweder
Sicherheit und Freiheit bringt, oder, wenn dort die rechte Stunde versäumt
wird, zu spät und ruhmlos bemüht sein wird, aus den Trümmern einer
verdorbenen Sache zu retten, was dann noch zureiten sein wird. Denn offen¬
bar steht die Frage so. Entweder wird dem preußischen Staat und Schleswig-
Holstein jetzt das Glück, daß zu Berlin die Politik des Herrn v. Bismarck
mit einer mehr nationalen vertauscht wird. Und dann trägt Preußen die
Hauptlast, die 'Hauptkosten und die Gefahren eines Krieges für Schleswig.
Oder die unheimliche Eroberung Schleswigs wird durch preußische und östrei¬
chische Truppen für die Dänen zu Ende geführt, und die Herzogthümer werden
durch ein neues Protokoll von Neuem verkauft. Dann ist noch eine verzwei¬
felte Erhebung und ein verzweifelter Kampf der Herzogthümer in der Zukunft
nöthig, und bei solchem Kampfe liegt wieder die einzige Aussicht auf Erfolg
in den Wirkungen, welche diese schmachvolle Bewältigung der Herzogthümer
durch deutsche Truppen auf die Preußen selbst und ihr Königsgeschlecht aus¬
üben wird. Unterdeß soll man sich durch die renommirenden Artikel und un¬
wahren Nachrichten, welche die officiösen Korrespondenten über Politik und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/127>, abgerufen am 29.06.2024.