Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mich, ob es nicht noch einen andern Weg als die große Straße nach Chau-
mont gäbe. "IIr clremw 6e tra-vörse" hieß es. und man bezeichnete mir
einen solchen nach Bvurmvnt le Bourg, den ich denn auch mit meinen beiden
Leuten einschlug und wohl zwei Stunden weit verfolgte. Der Weg war sehr
einsam und führte mich in ein von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenes
Kesselthal. Als ich eine kleine Höhe ersteigen wollte, die von hier auf ein Pla¬
teau zu führen schien, hörte ich hinter mir auf eine Entfernung von etwa
hundert Schritt rufen, und als ich mich umdrehte, erblickte ich einen Bauer in
einer blauen Blouse auf einem ungesatteltem Pferde und mit einer Doppelflinte
bewaffnet, der mir noch einmal zurief: "^rrete2 bvugis!^ Er war mir in¬
zwischen auf zwanzig Schritt nahe gekommen und legte die Flinte an. Ich trat
ihm entgegen, fragte, was er wolle, und fügte hinzu: "^ire^, s'it vou8 Mit!"
Darauf sprang er vom Pferde, kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu
und sagte: ".^K, Mi-äou, vous n'vt<Z8 pg.3 cke ees mluiäits Lo"g.ein,ö8, ^ni
irons pikiert et wÄlti'aitknt." Ich sagte ihm darauf, daß ich ein kranker
Offizier sei, der nach Chaumont wolle, um einige Tage Ruhe und durch ärzt¬
liche Behandlung Genesung zu finden. Indem Körte ich hinter mir Trommel-
schlag, und es kam ein Trupp Bauern, es konnten wohl einige achtzig sein.
Diesen trat mein Mann entgegen, führte mich zum Commandeur des Trupps
und sagte: "VoM un oKeioi- as I'^r-nec clW a>1Ile8 <mi K8t iren-Iiräv, ,j<z vou8
1ö reeommcuisls,, c'the ni> brave Komm"?.!" Der Commandeur nahm mich an
seine S.eile, examinirte mich und erklärte mir, daß sie. die Nationalgarde von
Bourmvnt le Bourg, ausgezogen waren, um in einem nahen kleinen Dorfe,
wo Kosaken plünderten, diese aufzuheben und an die Behörde zur Bestrafung
abzuliefern, wobei er mir eine vom Fürsten Schwarzenberg unterzeichnete ge¬
druckte Verfügung gab. die verordnete, daß alle Marodeurs aufgehoben und
den Behörden, die genannt waren, ausgeliefert werden sollte". Der Mann zu
Pferde, der uns angehalten, setzte er hinzu, sei von ihm zum Recognosciren
Vorausgeschickt; "denn wissen Sie," sagte er, "ich bin ein alter Soldat, ich
habe gedient, und da ich Invalide bin, bin ich verabschiedet. Bleiben Sie,"
fuhr er fort, "an meiner Seite; niemand wird Ihnen etwas thun." Ich sagte
ihm, ich habe keine Furcht; auch kennte ich die Loyautö der französischen Na¬
tion, die sich an einem Wehrlosen und Kranken nicht für die Unbill rächen
würde, die vielleicht einige Marodeurs verübt hätten.

So kamen wir denn in dem Städtchen oder vielmehr Marktflecken an, wo
die ganze Bevölkerung zusammengelaufen war. die ungeheuer jubelten, indem
sie uns drei, die wir an der Spitze marschirten, für die eingefangenen Kosaken
hielten. Alles drängte sich an mich heran; namentlich aber war ein infamer
Perrückenmachcr unausstehlich, so daß ich ihn ernstlich zurückweisen mußte. Da
das nichts hals, wandte ich mich an den Nationalgardencapitcin und ersuchte


mich, ob es nicht noch einen andern Weg als die große Straße nach Chau-
mont gäbe. „IIr clremw 6e tra-vörse" hieß es. und man bezeichnete mir
einen solchen nach Bvurmvnt le Bourg, den ich denn auch mit meinen beiden
Leuten einschlug und wohl zwei Stunden weit verfolgte. Der Weg war sehr
einsam und führte mich in ein von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenes
Kesselthal. Als ich eine kleine Höhe ersteigen wollte, die von hier auf ein Pla¬
teau zu führen schien, hörte ich hinter mir auf eine Entfernung von etwa
hundert Schritt rufen, und als ich mich umdrehte, erblickte ich einen Bauer in
einer blauen Blouse auf einem ungesatteltem Pferde und mit einer Doppelflinte
bewaffnet, der mir noch einmal zurief: „^rrete2 bvugis!^ Er war mir in¬
zwischen auf zwanzig Schritt nahe gekommen und legte die Flinte an. Ich trat
ihm entgegen, fragte, was er wolle, und fügte hinzu: „^ire^, s'it vou8 Mit!"
Darauf sprang er vom Pferde, kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu
und sagte: „.^K, Mi-äou, vous n'vt<Z8 pg.3 cke ees mluiäits Lo»g.ein,ö8, ^ni
irons pikiert et wÄlti'aitknt." Ich sagte ihm darauf, daß ich ein kranker
Offizier sei, der nach Chaumont wolle, um einige Tage Ruhe und durch ärzt¬
liche Behandlung Genesung zu finden. Indem Körte ich hinter mir Trommel-
schlag, und es kam ein Trupp Bauern, es konnten wohl einige achtzig sein.
Diesen trat mein Mann entgegen, führte mich zum Commandeur des Trupps
und sagte: „VoM un oKeioi- as I'^r-nec clW a>1Ile8 <mi K8t iren-Iiräv, ,j<z vou8
1ö reeommcuisls,, c'the ni> brave Komm«?.!" Der Commandeur nahm mich an
seine S.eile, examinirte mich und erklärte mir, daß sie. die Nationalgarde von
Bourmvnt le Bourg, ausgezogen waren, um in einem nahen kleinen Dorfe,
wo Kosaken plünderten, diese aufzuheben und an die Behörde zur Bestrafung
abzuliefern, wobei er mir eine vom Fürsten Schwarzenberg unterzeichnete ge¬
druckte Verfügung gab. die verordnete, daß alle Marodeurs aufgehoben und
den Behörden, die genannt waren, ausgeliefert werden sollte». Der Mann zu
Pferde, der uns angehalten, setzte er hinzu, sei von ihm zum Recognosciren
Vorausgeschickt; „denn wissen Sie," sagte er, „ich bin ein alter Soldat, ich
habe gedient, und da ich Invalide bin, bin ich verabschiedet. Bleiben Sie,"
fuhr er fort, „an meiner Seite; niemand wird Ihnen etwas thun." Ich sagte
ihm, ich habe keine Furcht; auch kennte ich die Loyautö der französischen Na¬
tion, die sich an einem Wehrlosen und Kranken nicht für die Unbill rächen
würde, die vielleicht einige Marodeurs verübt hätten.

So kamen wir denn in dem Städtchen oder vielmehr Marktflecken an, wo
die ganze Bevölkerung zusammengelaufen war. die ungeheuer jubelten, indem
sie uns drei, die wir an der Spitze marschirten, für die eingefangenen Kosaken
hielten. Alles drängte sich an mich heran; namentlich aber war ein infamer
Perrückenmachcr unausstehlich, so daß ich ihn ernstlich zurückweisen mußte. Da
das nichts hals, wandte ich mich an den Nationalgardencapitcin und ersuchte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116579"/>
          <p xml:id="ID_329" prev="#ID_328"> mich, ob es nicht noch einen andern Weg als die große Straße nach Chau-<lb/>
mont gäbe. &#x201E;IIr clremw 6e tra-vörse" hieß es. und man bezeichnete mir<lb/>
einen solchen nach Bvurmvnt le Bourg, den ich denn auch mit meinen beiden<lb/>
Leuten einschlug und wohl zwei Stunden weit verfolgte. Der Weg war sehr<lb/>
einsam und führte mich in ein von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenes<lb/>
Kesselthal. Als ich eine kleine Höhe ersteigen wollte, die von hier auf ein Pla¬<lb/>
teau zu führen schien, hörte ich hinter mir auf eine Entfernung von etwa<lb/>
hundert Schritt rufen, und als ich mich umdrehte, erblickte ich einen Bauer in<lb/>
einer blauen Blouse auf einem ungesatteltem Pferde und mit einer Doppelflinte<lb/>
bewaffnet, der mir noch einmal zurief: &#x201E;^rrete2 bvugis!^ Er war mir in¬<lb/>
zwischen auf zwanzig Schritt nahe gekommen und legte die Flinte an. Ich trat<lb/>
ihm entgegen, fragte, was er wolle, und fügte hinzu: &#x201E;^ire^, s'it vou8 Mit!"<lb/>
Darauf sprang er vom Pferde, kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu<lb/>
und sagte: &#x201E;.^K, Mi-äou, vous n'vt&lt;Z8 pg.3 cke ees mluiäits Lo»g.ein,ö8, ^ni<lb/>
irons pikiert et wÄlti'aitknt." Ich sagte ihm darauf, daß ich ein kranker<lb/>
Offizier sei, der nach Chaumont wolle, um einige Tage Ruhe und durch ärzt¬<lb/>
liche Behandlung Genesung zu finden. Indem Körte ich hinter mir Trommel-<lb/>
schlag, und es kam ein Trupp Bauern, es konnten wohl einige achtzig sein.<lb/>
Diesen trat mein Mann entgegen, führte mich zum Commandeur des Trupps<lb/>
und sagte: &#x201E;VoM un oKeioi- as I'^r-nec clW a&gt;1Ile8 &lt;mi K8t iren-Iiräv, ,j&lt;z vou8<lb/>
1ö reeommcuisls,, c'the ni&gt; brave Komm«?.!" Der Commandeur nahm mich an<lb/>
seine S.eile, examinirte mich und erklärte mir, daß sie. die Nationalgarde von<lb/>
Bourmvnt le Bourg, ausgezogen waren, um in einem nahen kleinen Dorfe,<lb/>
wo Kosaken plünderten, diese aufzuheben und an die Behörde zur Bestrafung<lb/>
abzuliefern, wobei er mir eine vom Fürsten Schwarzenberg unterzeichnete ge¬<lb/>
druckte Verfügung gab. die verordnete, daß alle Marodeurs aufgehoben und<lb/>
den Behörden, die genannt waren, ausgeliefert werden sollte». Der Mann zu<lb/>
Pferde, der uns angehalten, setzte er hinzu, sei von ihm zum Recognosciren<lb/>
Vorausgeschickt; &#x201E;denn wissen Sie," sagte er, &#x201E;ich bin ein alter Soldat, ich<lb/>
habe gedient, und da ich Invalide bin, bin ich verabschiedet. Bleiben Sie,"<lb/>
fuhr er fort, &#x201E;an meiner Seite; niemand wird Ihnen etwas thun." Ich sagte<lb/>
ihm, ich habe keine Furcht; auch kennte ich die Loyautö der französischen Na¬<lb/>
tion, die sich an einem Wehrlosen und Kranken nicht für die Unbill rächen<lb/>
würde, die vielleicht einige Marodeurs verübt hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_330" next="#ID_331"> So kamen wir denn in dem Städtchen oder vielmehr Marktflecken an, wo<lb/>
die ganze Bevölkerung zusammengelaufen war. die ungeheuer jubelten, indem<lb/>
sie uns drei, die wir an der Spitze marschirten, für die eingefangenen Kosaken<lb/>
hielten. Alles drängte sich an mich heran; namentlich aber war ein infamer<lb/>
Perrückenmachcr unausstehlich, so daß ich ihn ernstlich zurückweisen mußte. Da<lb/>
das nichts hals, wandte ich mich an den Nationalgardencapitcin und ersuchte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] mich, ob es nicht noch einen andern Weg als die große Straße nach Chau- mont gäbe. „IIr clremw 6e tra-vörse" hieß es. und man bezeichnete mir einen solchen nach Bvurmvnt le Bourg, den ich denn auch mit meinen beiden Leuten einschlug und wohl zwei Stunden weit verfolgte. Der Weg war sehr einsam und führte mich in ein von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenes Kesselthal. Als ich eine kleine Höhe ersteigen wollte, die von hier auf ein Pla¬ teau zu führen schien, hörte ich hinter mir auf eine Entfernung von etwa hundert Schritt rufen, und als ich mich umdrehte, erblickte ich einen Bauer in einer blauen Blouse auf einem ungesatteltem Pferde und mit einer Doppelflinte bewaffnet, der mir noch einmal zurief: „^rrete2 bvugis!^ Er war mir in¬ zwischen auf zwanzig Schritt nahe gekommen und legte die Flinte an. Ich trat ihm entgegen, fragte, was er wolle, und fügte hinzu: „^ire^, s'it vou8 Mit!" Darauf sprang er vom Pferde, kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu und sagte: „.^K, Mi-äou, vous n'vt<Z8 pg.3 cke ees mluiäits Lo»g.ein,ö8, ^ni irons pikiert et wÄlti'aitknt." Ich sagte ihm darauf, daß ich ein kranker Offizier sei, der nach Chaumont wolle, um einige Tage Ruhe und durch ärzt¬ liche Behandlung Genesung zu finden. Indem Körte ich hinter mir Trommel- schlag, und es kam ein Trupp Bauern, es konnten wohl einige achtzig sein. Diesen trat mein Mann entgegen, führte mich zum Commandeur des Trupps und sagte: „VoM un oKeioi- as I'^r-nec clW a>1Ile8 <mi K8t iren-Iiräv, ,j<z vou8 1ö reeommcuisls,, c'the ni> brave Komm«?.!" Der Commandeur nahm mich an seine S.eile, examinirte mich und erklärte mir, daß sie. die Nationalgarde von Bourmvnt le Bourg, ausgezogen waren, um in einem nahen kleinen Dorfe, wo Kosaken plünderten, diese aufzuheben und an die Behörde zur Bestrafung abzuliefern, wobei er mir eine vom Fürsten Schwarzenberg unterzeichnete ge¬ druckte Verfügung gab. die verordnete, daß alle Marodeurs aufgehoben und den Behörden, die genannt waren, ausgeliefert werden sollte». Der Mann zu Pferde, der uns angehalten, setzte er hinzu, sei von ihm zum Recognosciren Vorausgeschickt; „denn wissen Sie," sagte er, „ich bin ein alter Soldat, ich habe gedient, und da ich Invalide bin, bin ich verabschiedet. Bleiben Sie," fuhr er fort, „an meiner Seite; niemand wird Ihnen etwas thun." Ich sagte ihm, ich habe keine Furcht; auch kennte ich die Loyautö der französischen Na¬ tion, die sich an einem Wehrlosen und Kranken nicht für die Unbill rächen würde, die vielleicht einige Marodeurs verübt hätten. So kamen wir denn in dem Städtchen oder vielmehr Marktflecken an, wo die ganze Bevölkerung zusammengelaufen war. die ungeheuer jubelten, indem sie uns drei, die wir an der Spitze marschirten, für die eingefangenen Kosaken hielten. Alles drängte sich an mich heran; namentlich aber war ein infamer Perrückenmachcr unausstehlich, so daß ich ihn ernstlich zurückweisen mußte. Da das nichts hals, wandte ich mich an den Nationalgardencapitcin und ersuchte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/113>, abgerufen am 24.07.2024.