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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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um sich, warfen Steine und andere Lasten, die zu diesem Zweck bereit lagen,
hinab, und erwehrten sich der Hinansteigenden oder rangen mit ihnen, wenn
sie schon über Bord gekommen waren. Man konnte sagen, es sei gewesen,
wie wenn Mauern oder auch viele dicht neben einander gelegene Inseln erstürmt
werden sollten." Die Entscheidung wurde endlich dadurch herbeigeführt, daß
Octavians Leute mit feurigen Pfeilen die feindlichen Schiffe zu beschießen und
aus Wurfmaschinen Töpfe voll glühender Kohlen und brennenden Pechs zu
schleudern begannen, worauf nach dem letzten Verzweiflungsversuche der Antv-
niancr, die Feinde wenigstens mit in ihr Verderben zu ziehen, der größte Theil
ihrer Flotte ein Raub der Flammen ward. Den meisten Nutzen bei dieser
Schlacht hatten Octavian die Schiffe der Liburner gewahrt, einer den westlichen
Theil von Kroatien und den nördlichen von Dalmatien bewohnenden illyrischen
Völkerschaft, die seit alten Zeiten die berüchtigtsten Seerä-uber des adriatischen
Meeres geliefert hatte. Diese Fahrzeuge hatten nach Applaus und Lucans
übereinstimmender Angabe nur zwei Reihen von Rudern. Für die frühere Zeit
galten sie natürlich gar nicht als Rangschiffe, und wenn Plutarch bei Aufzählung
der Seemacht des Sextus Pompejus sagt: "Es waren nicht weniger als S00
Kampffchiffe, liburnische aber und Wachschiffe und Fahrzeuge ohne Verdeck noch
eine große Menge", so kann das nicht auffallen. Im Anfange der Kaiserzeit
wurden diese Liburner neben den noch beibehaltenen Dreidcckern fast allein zu
Kriegszwecken gebraucht, wenn auch Caligula noch Zehndecker bauen und Nerv
den Kanal vom Avernersee nach Ostia breit genug für zwei sich begegnende
Fünfdecker graben ließ. Der Byzantiner Zosimus setzt die Schnelligkeit der
Liburner unter die der Dreidecker und ungefähr jener der alten Funfzigruderer
gleich. Es erhielt sich diese Art von Kriegsschiffen auch unter den östlichen
Kaisern, wo noch zur Zeit Leo des Sechsten die Felucken zwei Reihen von
Ruderern aus je fünfundzwanzig Bänken hatten.

Das Personal anlangend befanden sich auf dem römischen Schiffe außer
dem Navarchen die Centurionen der Marinesoldatcn und deren Feldwebel, der
Steuermann, der Untersteuermann, der Rudermeister und dessen Musikus; dann
ein Waffenrevisor, ein Fähnrich, ein Hornbläser, ein Opferdiener, ein Arzt,
Schreiber und Kassenführer. Außer den Flottenstationen zu Misenum, wo be¬
kanntlich der ältere Plinius commandirte, und zu Ravenna, dessen 240 Schiffe
fassender Hafen aber bereits in der Mitte des sechsten Jahrhunderts versumpft
war, lagen noch Flottendivisionen zu Frejus, im schwarzen Meere (zu Vespa-
sians Zeit aus 40 Kriegsschiffen mit 3000 Mann Besatzung bestehend), zu
Seleucia in Syrien, in Alexandria und an der britannischen Küste. Außerdem
unterhielten die Römer auf größeren Flüssen und Seeen Flotillen. So ent¬
stand in Augustus Zeit die Rheinflotte, welche von Germanicus auf 1000
Fahrzeuge gebracht wurde, über deren eigenthümlichen Bau Tacitus schreibt:


um sich, warfen Steine und andere Lasten, die zu diesem Zweck bereit lagen,
hinab, und erwehrten sich der Hinansteigenden oder rangen mit ihnen, wenn
sie schon über Bord gekommen waren. Man konnte sagen, es sei gewesen,
wie wenn Mauern oder auch viele dicht neben einander gelegene Inseln erstürmt
werden sollten." Die Entscheidung wurde endlich dadurch herbeigeführt, daß
Octavians Leute mit feurigen Pfeilen die feindlichen Schiffe zu beschießen und
aus Wurfmaschinen Töpfe voll glühender Kohlen und brennenden Pechs zu
schleudern begannen, worauf nach dem letzten Verzweiflungsversuche der Antv-
niancr, die Feinde wenigstens mit in ihr Verderben zu ziehen, der größte Theil
ihrer Flotte ein Raub der Flammen ward. Den meisten Nutzen bei dieser
Schlacht hatten Octavian die Schiffe der Liburner gewahrt, einer den westlichen
Theil von Kroatien und den nördlichen von Dalmatien bewohnenden illyrischen
Völkerschaft, die seit alten Zeiten die berüchtigtsten Seerä-uber des adriatischen
Meeres geliefert hatte. Diese Fahrzeuge hatten nach Applaus und Lucans
übereinstimmender Angabe nur zwei Reihen von Rudern. Für die frühere Zeit
galten sie natürlich gar nicht als Rangschiffe, und wenn Plutarch bei Aufzählung
der Seemacht des Sextus Pompejus sagt: „Es waren nicht weniger als S00
Kampffchiffe, liburnische aber und Wachschiffe und Fahrzeuge ohne Verdeck noch
eine große Menge", so kann das nicht auffallen. Im Anfange der Kaiserzeit
wurden diese Liburner neben den noch beibehaltenen Dreidcckern fast allein zu
Kriegszwecken gebraucht, wenn auch Caligula noch Zehndecker bauen und Nerv
den Kanal vom Avernersee nach Ostia breit genug für zwei sich begegnende
Fünfdecker graben ließ. Der Byzantiner Zosimus setzt die Schnelligkeit der
Liburner unter die der Dreidecker und ungefähr jener der alten Funfzigruderer
gleich. Es erhielt sich diese Art von Kriegsschiffen auch unter den östlichen
Kaisern, wo noch zur Zeit Leo des Sechsten die Felucken zwei Reihen von
Ruderern aus je fünfundzwanzig Bänken hatten.

Das Personal anlangend befanden sich auf dem römischen Schiffe außer
dem Navarchen die Centurionen der Marinesoldatcn und deren Feldwebel, der
Steuermann, der Untersteuermann, der Rudermeister und dessen Musikus; dann
ein Waffenrevisor, ein Fähnrich, ein Hornbläser, ein Opferdiener, ein Arzt,
Schreiber und Kassenführer. Außer den Flottenstationen zu Misenum, wo be¬
kanntlich der ältere Plinius commandirte, und zu Ravenna, dessen 240 Schiffe
fassender Hafen aber bereits in der Mitte des sechsten Jahrhunderts versumpft
war, lagen noch Flottendivisionen zu Frejus, im schwarzen Meere (zu Vespa-
sians Zeit aus 40 Kriegsschiffen mit 3000 Mann Besatzung bestehend), zu
Seleucia in Syrien, in Alexandria und an der britannischen Küste. Außerdem
unterhielten die Römer auf größeren Flüssen und Seeen Flotillen. So ent¬
stand in Augustus Zeit die Rheinflotte, welche von Germanicus auf 1000
Fahrzeuge gebracht wurde, über deren eigenthümlichen Bau Tacitus schreibt:


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[0082] um sich, warfen Steine und andere Lasten, die zu diesem Zweck bereit lagen, hinab, und erwehrten sich der Hinansteigenden oder rangen mit ihnen, wenn sie schon über Bord gekommen waren. Man konnte sagen, es sei gewesen, wie wenn Mauern oder auch viele dicht neben einander gelegene Inseln erstürmt werden sollten." Die Entscheidung wurde endlich dadurch herbeigeführt, daß Octavians Leute mit feurigen Pfeilen die feindlichen Schiffe zu beschießen und aus Wurfmaschinen Töpfe voll glühender Kohlen und brennenden Pechs zu schleudern begannen, worauf nach dem letzten Verzweiflungsversuche der Antv- niancr, die Feinde wenigstens mit in ihr Verderben zu ziehen, der größte Theil ihrer Flotte ein Raub der Flammen ward. Den meisten Nutzen bei dieser Schlacht hatten Octavian die Schiffe der Liburner gewahrt, einer den westlichen Theil von Kroatien und den nördlichen von Dalmatien bewohnenden illyrischen Völkerschaft, die seit alten Zeiten die berüchtigtsten Seerä-uber des adriatischen Meeres geliefert hatte. Diese Fahrzeuge hatten nach Applaus und Lucans übereinstimmender Angabe nur zwei Reihen von Rudern. Für die frühere Zeit galten sie natürlich gar nicht als Rangschiffe, und wenn Plutarch bei Aufzählung der Seemacht des Sextus Pompejus sagt: „Es waren nicht weniger als S00 Kampffchiffe, liburnische aber und Wachschiffe und Fahrzeuge ohne Verdeck noch eine große Menge", so kann das nicht auffallen. Im Anfange der Kaiserzeit wurden diese Liburner neben den noch beibehaltenen Dreidcckern fast allein zu Kriegszwecken gebraucht, wenn auch Caligula noch Zehndecker bauen und Nerv den Kanal vom Avernersee nach Ostia breit genug für zwei sich begegnende Fünfdecker graben ließ. Der Byzantiner Zosimus setzt die Schnelligkeit der Liburner unter die der Dreidecker und ungefähr jener der alten Funfzigruderer gleich. Es erhielt sich diese Art von Kriegsschiffen auch unter den östlichen Kaisern, wo noch zur Zeit Leo des Sechsten die Felucken zwei Reihen von Ruderern aus je fünfundzwanzig Bänken hatten. Das Personal anlangend befanden sich auf dem römischen Schiffe außer dem Navarchen die Centurionen der Marinesoldatcn und deren Feldwebel, der Steuermann, der Untersteuermann, der Rudermeister und dessen Musikus; dann ein Waffenrevisor, ein Fähnrich, ein Hornbläser, ein Opferdiener, ein Arzt, Schreiber und Kassenführer. Außer den Flottenstationen zu Misenum, wo be¬ kanntlich der ältere Plinius commandirte, und zu Ravenna, dessen 240 Schiffe fassender Hafen aber bereits in der Mitte des sechsten Jahrhunderts versumpft war, lagen noch Flottendivisionen zu Frejus, im schwarzen Meere (zu Vespa- sians Zeit aus 40 Kriegsschiffen mit 3000 Mann Besatzung bestehend), zu Seleucia in Syrien, in Alexandria und an der britannischen Küste. Außerdem unterhielten die Römer auf größeren Flüssen und Seeen Flotillen. So ent¬ stand in Augustus Zeit die Rheinflotte, welche von Germanicus auf 1000 Fahrzeuge gebracht wurde, über deren eigenthümlichen Bau Tacitus schreibt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/82>, abgerufen am 19.10.2024.