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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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'n den außeritalischen Flottenstationen viele Ausländer unter dem Schiffsvolk,
die nach den vorhandenen Militärdiplomen sich durch sechsundzwanzigjährige
Dienstzeit das Bürgerrecht zu erwerben pflegten. Im Kriege mit Philipp liefen
viele Marinesoldaten zum Feinde über "in der Hoffnung auf einen ehrenvolle¬
ren Dienst". Auch in der Kaiserzeit war der Legionardienst das Ziel ihres
Ehrgeizes. Nero hatte in den letzten Tagen seiner Herrschaft aus Schiffssol-
daten eine Legion gebildet, und als Galba dieselbe wieder auflösen und auf die
Flotte zurückschicken wollte, weigerten sie sich, forderten ihre Legionsadler und
mühten endlich durch Reiterei zersprengt werden. Auch Vespasian nahm einen
Theil der Marinesvldaten von Ravenna unter die Linie auf. Später bildeten
die Schiffssoldaten von den Stationen Ravenna und Misenum einen Theil der
römischen Garnison, wurden aber zu allerhand unbedeutenden Diensten verwen¬
det, wie z. B., um im Amphitheater die Segeltücher zum Schutze gegen die
Sonne aufzuspannen. Im Einklang mit der Geringschätzung des Standes ist
es, daß die Flvttenpräfecten weder gewesene Consuln noch Senatoren waren,
sondern meist Ritter oder sogar Freigelassene und daß die Navarchen oder
Kapitäne unter den Legionscenturionen standen!

Die Schlacht bei Antium ist insofern epochemachend in der Geschichte der
Kriegsmarine, als sie dem länger als drei Jahrhunderte herrschenden Gebrauche
der schweren Linienschiffe ein Ende bereitete und man von nun an wieder zu
Dreideckern und noch leichteren Fahrzeugen zurückkehrte. Die Flotte des An-
tonius nämlich bestand großentheils aus Acht- bis Zehndeckern, deren Ruder¬
mannschaft aber viel zu schwach war und theilweise aus gepreßten Reisenden,
Niehtreibern und Ackerknechten bestand, während Cäsars Schiffe leicht und be¬
weglich (nach Florus waren seine größten Schiffe Drei- bis Sechsdecker), seine
Matrosen trefflich geschult waren. Beide Flotten führten die von Livius auch
bereits im Kriege gegen Antiochus erwähnten, von Agrippa verbesserten, höl¬
zernen Thürme auf den Verdecken, deren verschiedene Farben, wie aus Applaus
Beschreibung der Seeschlacht von Mylä erhellt, Unterscheidungszeichen der Par¬
tien bildeten, und die man bei beginnender Flucht über Bord zu werfen Pflegte.
Als es nun zum Kampfe kam. fuhren die Octavianer mit fliegenden Ruder¬
schlägen heran, beschädigten schnell die Kolosse und fuhren eilends wieder fort,
ohne sich in Handgemenge einzulassen, wie Dio Kasfius sagt: "Reitern gleich,
die bald heransprengen, bald sich zurückziehen, da Angriff und Abwehr von
ihrem Willen abhing." Später, als der Kampf hitziger wurde und Kleopatra
bereits ihre purpurnen Segel zur Flucht gelichtet hatte, gestaltete sich das Ge¬
fecht in anderer Weise. "Die Einen suchten ringsum die untern Theile der
Schiffe zu beschädigen, brachen die Nuder ab, stiegen auf das Verdeck, faßten
dre Gegner und zogen sie herab, stießen sie und kämpften mit Anderen. Da¬
gegen trieben die Gegner die Nahenden mit Stangen ab, hieben mit Aexten


'n den außeritalischen Flottenstationen viele Ausländer unter dem Schiffsvolk,
die nach den vorhandenen Militärdiplomen sich durch sechsundzwanzigjährige
Dienstzeit das Bürgerrecht zu erwerben pflegten. Im Kriege mit Philipp liefen
viele Marinesoldaten zum Feinde über „in der Hoffnung auf einen ehrenvolle¬
ren Dienst". Auch in der Kaiserzeit war der Legionardienst das Ziel ihres
Ehrgeizes. Nero hatte in den letzten Tagen seiner Herrschaft aus Schiffssol-
daten eine Legion gebildet, und als Galba dieselbe wieder auflösen und auf die
Flotte zurückschicken wollte, weigerten sie sich, forderten ihre Legionsadler und
mühten endlich durch Reiterei zersprengt werden. Auch Vespasian nahm einen
Theil der Marinesvldaten von Ravenna unter die Linie auf. Später bildeten
die Schiffssoldaten von den Stationen Ravenna und Misenum einen Theil der
römischen Garnison, wurden aber zu allerhand unbedeutenden Diensten verwen¬
det, wie z. B., um im Amphitheater die Segeltücher zum Schutze gegen die
Sonne aufzuspannen. Im Einklang mit der Geringschätzung des Standes ist
es, daß die Flvttenpräfecten weder gewesene Consuln noch Senatoren waren,
sondern meist Ritter oder sogar Freigelassene und daß die Navarchen oder
Kapitäne unter den Legionscenturionen standen!

Die Schlacht bei Antium ist insofern epochemachend in der Geschichte der
Kriegsmarine, als sie dem länger als drei Jahrhunderte herrschenden Gebrauche
der schweren Linienschiffe ein Ende bereitete und man von nun an wieder zu
Dreideckern und noch leichteren Fahrzeugen zurückkehrte. Die Flotte des An-
tonius nämlich bestand großentheils aus Acht- bis Zehndeckern, deren Ruder¬
mannschaft aber viel zu schwach war und theilweise aus gepreßten Reisenden,
Niehtreibern und Ackerknechten bestand, während Cäsars Schiffe leicht und be¬
weglich (nach Florus waren seine größten Schiffe Drei- bis Sechsdecker), seine
Matrosen trefflich geschult waren. Beide Flotten führten die von Livius auch
bereits im Kriege gegen Antiochus erwähnten, von Agrippa verbesserten, höl¬
zernen Thürme auf den Verdecken, deren verschiedene Farben, wie aus Applaus
Beschreibung der Seeschlacht von Mylä erhellt, Unterscheidungszeichen der Par¬
tien bildeten, und die man bei beginnender Flucht über Bord zu werfen Pflegte.
Als es nun zum Kampfe kam. fuhren die Octavianer mit fliegenden Ruder¬
schlägen heran, beschädigten schnell die Kolosse und fuhren eilends wieder fort,
ohne sich in Handgemenge einzulassen, wie Dio Kasfius sagt: „Reitern gleich,
die bald heransprengen, bald sich zurückziehen, da Angriff und Abwehr von
ihrem Willen abhing." Später, als der Kampf hitziger wurde und Kleopatra
bereits ihre purpurnen Segel zur Flucht gelichtet hatte, gestaltete sich das Ge¬
fecht in anderer Weise. „Die Einen suchten ringsum die untern Theile der
Schiffe zu beschädigen, brachen die Nuder ab, stiegen auf das Verdeck, faßten
dre Gegner und zogen sie herab, stießen sie und kämpften mit Anderen. Da¬
gegen trieben die Gegner die Nahenden mit Stangen ab, hieben mit Aexten


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[0081] 'n den außeritalischen Flottenstationen viele Ausländer unter dem Schiffsvolk, die nach den vorhandenen Militärdiplomen sich durch sechsundzwanzigjährige Dienstzeit das Bürgerrecht zu erwerben pflegten. Im Kriege mit Philipp liefen viele Marinesoldaten zum Feinde über „in der Hoffnung auf einen ehrenvolle¬ ren Dienst". Auch in der Kaiserzeit war der Legionardienst das Ziel ihres Ehrgeizes. Nero hatte in den letzten Tagen seiner Herrschaft aus Schiffssol- daten eine Legion gebildet, und als Galba dieselbe wieder auflösen und auf die Flotte zurückschicken wollte, weigerten sie sich, forderten ihre Legionsadler und mühten endlich durch Reiterei zersprengt werden. Auch Vespasian nahm einen Theil der Marinesvldaten von Ravenna unter die Linie auf. Später bildeten die Schiffssoldaten von den Stationen Ravenna und Misenum einen Theil der römischen Garnison, wurden aber zu allerhand unbedeutenden Diensten verwen¬ det, wie z. B., um im Amphitheater die Segeltücher zum Schutze gegen die Sonne aufzuspannen. Im Einklang mit der Geringschätzung des Standes ist es, daß die Flvttenpräfecten weder gewesene Consuln noch Senatoren waren, sondern meist Ritter oder sogar Freigelassene und daß die Navarchen oder Kapitäne unter den Legionscenturionen standen! Die Schlacht bei Antium ist insofern epochemachend in der Geschichte der Kriegsmarine, als sie dem länger als drei Jahrhunderte herrschenden Gebrauche der schweren Linienschiffe ein Ende bereitete und man von nun an wieder zu Dreideckern und noch leichteren Fahrzeugen zurückkehrte. Die Flotte des An- tonius nämlich bestand großentheils aus Acht- bis Zehndeckern, deren Ruder¬ mannschaft aber viel zu schwach war und theilweise aus gepreßten Reisenden, Niehtreibern und Ackerknechten bestand, während Cäsars Schiffe leicht und be¬ weglich (nach Florus waren seine größten Schiffe Drei- bis Sechsdecker), seine Matrosen trefflich geschult waren. Beide Flotten führten die von Livius auch bereits im Kriege gegen Antiochus erwähnten, von Agrippa verbesserten, höl¬ zernen Thürme auf den Verdecken, deren verschiedene Farben, wie aus Applaus Beschreibung der Seeschlacht von Mylä erhellt, Unterscheidungszeichen der Par¬ tien bildeten, und die man bei beginnender Flucht über Bord zu werfen Pflegte. Als es nun zum Kampfe kam. fuhren die Octavianer mit fliegenden Ruder¬ schlägen heran, beschädigten schnell die Kolosse und fuhren eilends wieder fort, ohne sich in Handgemenge einzulassen, wie Dio Kasfius sagt: „Reitern gleich, die bald heransprengen, bald sich zurückziehen, da Angriff und Abwehr von ihrem Willen abhing." Später, als der Kampf hitziger wurde und Kleopatra bereits ihre purpurnen Segel zur Flucht gelichtet hatte, gestaltete sich das Ge¬ fecht in anderer Weise. „Die Einen suchten ringsum die untern Theile der Schiffe zu beschädigen, brachen die Nuder ab, stiegen auf das Verdeck, faßten dre Gegner und zogen sie herab, stießen sie und kämpften mit Anderen. Da¬ gegen trieben die Gegner die Nahenden mit Stangen ab, hieben mit Aexten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/81>, abgerufen am 27.09.2024.