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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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mit Spanien über den Notka Sund mit großer Einsicht und Energie, denen
der Erfolg nicht fehlte. Bei der späteren Frage der Rüstung gegen Rußland
und für die Türkei mußte er zwar der Opposition nachgeben, war aber gewiß
im Rechte und zeigte der englischen Politik den Weg, der russischen Eroberungs'
sucht entgegenzutreten, aber von ganz anderer Tragweite war der Kampf
mit dem revolutionären Frankreich, und wir meinen, daß Pitt demselben doch
nicht gewachsen war. Es braucht nicht erst bewiesen zu werden, daß er keine
eingeborne Feindschaft gegen Frankreich, hatte, sein Handelsvertrag beweist dies
ebenso als seine ersten Aeußerungen über die Revolution. Pitt schloß sich
weder dem Enthusiasmus an. mit dem Fox die Erstürmung der Bastille begrüßte,
noch theilte er den Abscheu Burkes gegen die pariser Vorgänge. Noch 1790
meinte er im Parlament, die gegenwärtigen Zuckungen in Frankreich müßten
früher oder später in allgemeiner Harmonie und regelmäßiger Ordnung enden.
Wenn Frankreich die rechte Freiheit erhalte, werde es eine der glänzendsten
Mächte Europas werden, und er könne die Franzosen nicht um Gefühle beneiden,
die jedem britischen Unterthanen eigen seien. Noch am Ende desselben Jahres
wies er seinen officiösen Beobachter in Paris, Mr. Elliot, an, den Ministern
des Königs keinerlei directe oder indirecte Versicherungen zu geben, die über
das Versprechen strictester Neutralität hinausgingen, welche England den innern
Zerwürfnissen gegenüber beobachten werde.

Bei dem großen Streit zwischen Fox und Burke, der mit dem Bruche
beider endete, hielt Pitt sich neutral, bedauerte aber die heftigen Ausfälle des
Letztern gegen die Machthaber in Frankreich, wenngleich er sich seiner Ansicht
mehr als der von Fox zuneigte, und noch Anfang 1792 schlug er dem Parla¬
mente Steuererleichterungen von 200,000 Pfd. Se. vor; denn wenn man auch nicht
mit Sicherheit auf die Dauer der gegenwärtigen Prosperität rechnen könne,
so sei doch in der Geschichte Englands kein Beispiel, wo man nach der Lage
Europas mit mehr Recht auf einen fünfzehnjährigen Frieden rechnen könnte,
als im gegenwärtigen Augenblick. So sprach Pitt kurz vor dem Ausbruch des
größten Krieges, den England je geführt! Noch ehe ein Jahr vergangen, hatten
die Agitationen der französischen Terroristen in England, die Hinrichtung Ludwigs
des Sechzehnten und zuletzt die einseitige Kriegserklärung der Republik dem
Frieden ein Ende gemacht, am 24. Januar 1793 erhielt der französische
Gesandte ein Oräer in Louneil, das englische Gebiet binnen acht Tagen zu
verlassen.

Hiermit beginnt die zweite Periode von Pitts Ministerherrschaft, die, wie
sich schwerlich läugnen läßt, weit hinter der ersten zurücksteht. Das schärfste
Urtheil hat vielleicht Macaulay in dieser Hinsicht gefällt, der ihn einen Stüm-
per in der auswärtigen Politik nennt, welcher die englischen Armeen zum
Gegenstand des Gelächters für Europa gemacht, während er die Freiheiten der


Grenzboten II. 1863. 8

mit Spanien über den Notka Sund mit großer Einsicht und Energie, denen
der Erfolg nicht fehlte. Bei der späteren Frage der Rüstung gegen Rußland
und für die Türkei mußte er zwar der Opposition nachgeben, war aber gewiß
im Rechte und zeigte der englischen Politik den Weg, der russischen Eroberungs'
sucht entgegenzutreten, aber von ganz anderer Tragweite war der Kampf
mit dem revolutionären Frankreich, und wir meinen, daß Pitt demselben doch
nicht gewachsen war. Es braucht nicht erst bewiesen zu werden, daß er keine
eingeborne Feindschaft gegen Frankreich, hatte, sein Handelsvertrag beweist dies
ebenso als seine ersten Aeußerungen über die Revolution. Pitt schloß sich
weder dem Enthusiasmus an. mit dem Fox die Erstürmung der Bastille begrüßte,
noch theilte er den Abscheu Burkes gegen die pariser Vorgänge. Noch 1790
meinte er im Parlament, die gegenwärtigen Zuckungen in Frankreich müßten
früher oder später in allgemeiner Harmonie und regelmäßiger Ordnung enden.
Wenn Frankreich die rechte Freiheit erhalte, werde es eine der glänzendsten
Mächte Europas werden, und er könne die Franzosen nicht um Gefühle beneiden,
die jedem britischen Unterthanen eigen seien. Noch am Ende desselben Jahres
wies er seinen officiösen Beobachter in Paris, Mr. Elliot, an, den Ministern
des Königs keinerlei directe oder indirecte Versicherungen zu geben, die über
das Versprechen strictester Neutralität hinausgingen, welche England den innern
Zerwürfnissen gegenüber beobachten werde.

Bei dem großen Streit zwischen Fox und Burke, der mit dem Bruche
beider endete, hielt Pitt sich neutral, bedauerte aber die heftigen Ausfälle des
Letztern gegen die Machthaber in Frankreich, wenngleich er sich seiner Ansicht
mehr als der von Fox zuneigte, und noch Anfang 1792 schlug er dem Parla¬
mente Steuererleichterungen von 200,000 Pfd. Se. vor; denn wenn man auch nicht
mit Sicherheit auf die Dauer der gegenwärtigen Prosperität rechnen könne,
so sei doch in der Geschichte Englands kein Beispiel, wo man nach der Lage
Europas mit mehr Recht auf einen fünfzehnjährigen Frieden rechnen könnte,
als im gegenwärtigen Augenblick. So sprach Pitt kurz vor dem Ausbruch des
größten Krieges, den England je geführt! Noch ehe ein Jahr vergangen, hatten
die Agitationen der französischen Terroristen in England, die Hinrichtung Ludwigs
des Sechzehnten und zuletzt die einseitige Kriegserklärung der Republik dem
Frieden ein Ende gemacht, am 24. Januar 1793 erhielt der französische
Gesandte ein Oräer in Louneil, das englische Gebiet binnen acht Tagen zu
verlassen.

Hiermit beginnt die zweite Periode von Pitts Ministerherrschaft, die, wie
sich schwerlich läugnen läßt, weit hinter der ersten zurücksteht. Das schärfste
Urtheil hat vielleicht Macaulay in dieser Hinsicht gefällt, der ihn einen Stüm-
per in der auswärtigen Politik nennt, welcher die englischen Armeen zum
Gegenstand des Gelächters für Europa gemacht, während er die Freiheiten der


Grenzboten II. 1863. 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/61>, abgerufen am 28.09.2024.