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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Widerte derselbe stolz, die Idee einer natürlichen Feindschaft sei an sich lin"
disch. der Vertrag ward mit 236 gegen 116 Stimmen angenommen. Die Re-
volutionskriege unterbrachen die praktische Beweisführung für seine großen
Wahrheiten, und erst in unsern Tagen sind beide Länder aus dem verbitterten
Tanskriegc.'der die Kontinentalsperre um mehr als funfzig Jahre überdauerte, zu
einem gesunden Verkehrssystem übergegangen, so wenig aber sind noch die
schutzzöllncrischen Trugschlüsse verschwunden, daß man dieselben widersinnigen
Gründe, mit denen die Opposition Pitts Vertrag bekämpfte, noch heute täglich
von der Augsburger Allgemeinen Zeitung gegen den französisch-preußischen Ver¬
trag wiederholen hört.

Pitt stand jetzt mit sechsundzwanzig Jahren auf einer Höhe der Macht, wie
sie kaum jemals ein englischer Minister besessen, da drohte einer der beiden
Pfeiler zu wanken, auf die er sein stolzes Gebäude gegründet, beim König
zeigten sich plötzlich Spuren einer Geistesstörung, er ward unfähig die Negie¬
rung weiter zu führen. Ein heftiger Streit erhob sich über die Regcntschafts-
sragc, Fox behauptete, daß der Prinz von Wales aus eignem Recht und
ohne jede Beschränkung sofort als Regent einzutreten habe, Pitt bestritt das
Persönliche Recht des Thronfolgers nicht, aber erklärte das Parlament für
competent, demselben in der Ausübung der königlichen Prärogative gewisse
Beschränkungen aufzuerlegen. Es war ein wunderbarer Wechsel der Rollen;
Fox der Mann des Volkes stützte sich auf das Princip von Gottes Gnaden,
Pitt der Konservative vertheidigte den Satz, daß das königliche Recht nur mit
Zustimmung des Parlaments geübt werden könne. Aber während bei Fox die
persönlichen Motive offen zu Tage lagen, da er als Freund des Prinzen dar¬
auf rechnen durfte sein Minister zu werden, war die Politik Pitts im hohen
Grade uninteressirt. Man hielt die Genesung des Königs für unmöglich und
Pitts Freunde wurden wankend, ja sein eigner College, der Lordkanzler Thur-
low, suchte durch geheime Verhandlungen mit Fox sich unter dem Regenten mög¬
lich zu erhalten, Pitt aber schwankte keinen Augenblick, er wußte, daß er nicht
""t Würde unter dem Prinzen Minister bleiben könne, und entgegnete auf alle
Angriffe ruhig: "Ich habe gesucht meine Pflicht gegen König und Land zu er-
Mien. habe ich dabei das Vertrauen Sr. Königl. Hoheit verloren, so ist mir
das sehr schmerzlich. aber ich werde mein Verfahren niemals bereuen." -- Der
Kampf, in dem Pitt vorläufig wenigstens, d. h. für die Beschränkungen, die er
dem Regenten auferlegen wollte, jedenfalls Sieger geblieben wäre, schwankte
noch unentschieden, als der König wieder genas. Das allgemeine Dankfest,
welches dafür im ganzen Lande mit großer Begeisterung gefeiert ward, bezeich¬
net Macaulay als den Höhepunkt von Pitts Macht, von da an, meint er, sei
die Ebbe eingetreten. Man könnte die Vorboten derselben schon früher suchen;
^um bereits in dem Augenblick, wo sich seine großen Pläne glänzend bewährten.


Widerte derselbe stolz, die Idee einer natürlichen Feindschaft sei an sich lin»
disch. der Vertrag ward mit 236 gegen 116 Stimmen angenommen. Die Re-
volutionskriege unterbrachen die praktische Beweisführung für seine großen
Wahrheiten, und erst in unsern Tagen sind beide Länder aus dem verbitterten
Tanskriegc.'der die Kontinentalsperre um mehr als funfzig Jahre überdauerte, zu
einem gesunden Verkehrssystem übergegangen, so wenig aber sind noch die
schutzzöllncrischen Trugschlüsse verschwunden, daß man dieselben widersinnigen
Gründe, mit denen die Opposition Pitts Vertrag bekämpfte, noch heute täglich
von der Augsburger Allgemeinen Zeitung gegen den französisch-preußischen Ver¬
trag wiederholen hört.

Pitt stand jetzt mit sechsundzwanzig Jahren auf einer Höhe der Macht, wie
sie kaum jemals ein englischer Minister besessen, da drohte einer der beiden
Pfeiler zu wanken, auf die er sein stolzes Gebäude gegründet, beim König
zeigten sich plötzlich Spuren einer Geistesstörung, er ward unfähig die Negie¬
rung weiter zu führen. Ein heftiger Streit erhob sich über die Regcntschafts-
sragc, Fox behauptete, daß der Prinz von Wales aus eignem Recht und
ohne jede Beschränkung sofort als Regent einzutreten habe, Pitt bestritt das
Persönliche Recht des Thronfolgers nicht, aber erklärte das Parlament für
competent, demselben in der Ausübung der königlichen Prärogative gewisse
Beschränkungen aufzuerlegen. Es war ein wunderbarer Wechsel der Rollen;
Fox der Mann des Volkes stützte sich auf das Princip von Gottes Gnaden,
Pitt der Konservative vertheidigte den Satz, daß das königliche Recht nur mit
Zustimmung des Parlaments geübt werden könne. Aber während bei Fox die
persönlichen Motive offen zu Tage lagen, da er als Freund des Prinzen dar¬
auf rechnen durfte sein Minister zu werden, war die Politik Pitts im hohen
Grade uninteressirt. Man hielt die Genesung des Königs für unmöglich und
Pitts Freunde wurden wankend, ja sein eigner College, der Lordkanzler Thur-
low, suchte durch geheime Verhandlungen mit Fox sich unter dem Regenten mög¬
lich zu erhalten, Pitt aber schwankte keinen Augenblick, er wußte, daß er nicht
""t Würde unter dem Prinzen Minister bleiben könne, und entgegnete auf alle
Angriffe ruhig: „Ich habe gesucht meine Pflicht gegen König und Land zu er-
Mien. habe ich dabei das Vertrauen Sr. Königl. Hoheit verloren, so ist mir
das sehr schmerzlich. aber ich werde mein Verfahren niemals bereuen." — Der
Kampf, in dem Pitt vorläufig wenigstens, d. h. für die Beschränkungen, die er
dem Regenten auferlegen wollte, jedenfalls Sieger geblieben wäre, schwankte
noch unentschieden, als der König wieder genas. Das allgemeine Dankfest,
welches dafür im ganzen Lande mit großer Begeisterung gefeiert ward, bezeich¬
net Macaulay als den Höhepunkt von Pitts Macht, von da an, meint er, sei
die Ebbe eingetreten. Man könnte die Vorboten derselben schon früher suchen;
^um bereits in dem Augenblick, wo sich seine großen Pläne glänzend bewährten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/57>, abgerufen am 28.09.2024.