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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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humanen Tendenzen und Partciabsichten. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die
schreienden Mißbräuche in Indien der Beweggrund für ihn waren, die Sache
anzufassen; man möchte ihn fast einer edlen UnVorsicht zeihen, ein so gewaltiges-
Werk mit den ungenügenden Kräften des Coalitionscabinets unternommen zu
haben. Aber die Gestalt der Maßregel, die er vorschlug, war rein den Partei-
zwccken unterworfen. Wenn die Krone später das Necht haben sollte, die Direk¬
toren zu ernennen, warum es ihr nicht gleich geben? Die Ernennung durch
das Parlament warf die ganze Patronage von Indien auf eine Generation
in die Hände der Whigs. Fox wußte, daß der König ihn und seine Freunde
nur gezwungen zu Münstern genommen, er wollte sich daher eine sichere Cita¬
delle bauen, wohin sie sich unbekümmert um die königliche Gnade zurückziehen
konnten, und gedachte so eine Patronage in sichere Hände zu spielen, mit der
sie jedem Ministerium einen schweren Stand bereiten konnten. Je tiefgehender
diese Reform war, desto einschneidender verletzte sie die Jnteressirten, und mit
ihnen verbanden sich Foxs politische Gegner, vor allen der König zu seinein
Sturze. Georg der Dritte, obwohl beschränkt, hatte doch jenen gewissen Blick,
den der Besitz der Macht gibt; er glaubte, daß das Gelingen des soxschen
Planes seiner eigenen moralischen Abdankung gleich käme, und er, der sein
ganzes Leben dafür gearbeitet, sich von der Suprematie der Whigs frei zu machen,
war nicht gesonnen, ihnen jetzt freies Spiel zu lassen. Nachdem die Bill im
Unterhaus gesiegt, siel sie bei den Lords, als Georg der Dritte jeden Peer,
der dafür stimme, für seinen persönlichen Feind erklärt hatte. Nunmehr ward
Pitt, der bei diesem Schritt des Königs ganz unbetheiligt gewesen, mit der
Bildung eines neuen Cabinets beauftragt, und von hier an beginnt seine Re-
gierung, die er mit einer zweijährigen Unterbrechung bis an den Tod führte-
Er fand sich, als er mit vierundzwanzig Jahren zum höchsten Posten des
Staates berufen ward, von großen Schwierigkeiten umgeben. Die Finanzen
waren nach einem langen unglücklichen Kriege tief zerrüttet, England stand
ohne einen Alliirten in Europa der kaum anerkannten amerikanischen Union
zweifelhaft gegenüber; vor Allem aber hatte er im Unterhause eine geschlossene
Mehrheit gegen sich, welche von den glänzendsten Führern geleitet war. Als
eine Neuwahl für Appleby beantragt ward, weil der Ehrenwerthe William Pitt
den Posten des ersten Lords der Schatzkammer angenommen, entstand ein
schallendes Gelächter. Der junge Premier schwieg stolz und wies nur den
Vorwurf zurück, auf einer Hintertreppe zur Macht gekommen zu sein. "3^
bin ins Cabinet des Königs getreten, als Se. Majestät mich rufen ließ und
werde niemals so feig sein, unter dem versteckten Einfluß Andrer zu handeln,
was ich der Krone rathe, werde ich hier vertreten." Als die Opposition merkte,
daß es Ernst sei, protestirte sie gegen ldas Ministerium sowie gegen eine Auf¬
lösung des Hauses und beschloß eine Adresse, daß die gegenwärtige Verwaltung


humanen Tendenzen und Partciabsichten. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die
schreienden Mißbräuche in Indien der Beweggrund für ihn waren, die Sache
anzufassen; man möchte ihn fast einer edlen UnVorsicht zeihen, ein so gewaltiges-
Werk mit den ungenügenden Kräften des Coalitionscabinets unternommen zu
haben. Aber die Gestalt der Maßregel, die er vorschlug, war rein den Partei-
zwccken unterworfen. Wenn die Krone später das Necht haben sollte, die Direk¬
toren zu ernennen, warum es ihr nicht gleich geben? Die Ernennung durch
das Parlament warf die ganze Patronage von Indien auf eine Generation
in die Hände der Whigs. Fox wußte, daß der König ihn und seine Freunde
nur gezwungen zu Münstern genommen, er wollte sich daher eine sichere Cita¬
delle bauen, wohin sie sich unbekümmert um die königliche Gnade zurückziehen
konnten, und gedachte so eine Patronage in sichere Hände zu spielen, mit der
sie jedem Ministerium einen schweren Stand bereiten konnten. Je tiefgehender
diese Reform war, desto einschneidender verletzte sie die Jnteressirten, und mit
ihnen verbanden sich Foxs politische Gegner, vor allen der König zu seinein
Sturze. Georg der Dritte, obwohl beschränkt, hatte doch jenen gewissen Blick,
den der Besitz der Macht gibt; er glaubte, daß das Gelingen des soxschen
Planes seiner eigenen moralischen Abdankung gleich käme, und er, der sein
ganzes Leben dafür gearbeitet, sich von der Suprematie der Whigs frei zu machen,
war nicht gesonnen, ihnen jetzt freies Spiel zu lassen. Nachdem die Bill im
Unterhaus gesiegt, siel sie bei den Lords, als Georg der Dritte jeden Peer,
der dafür stimme, für seinen persönlichen Feind erklärt hatte. Nunmehr ward
Pitt, der bei diesem Schritt des Königs ganz unbetheiligt gewesen, mit der
Bildung eines neuen Cabinets beauftragt, und von hier an beginnt seine Re-
gierung, die er mit einer zweijährigen Unterbrechung bis an den Tod führte-
Er fand sich, als er mit vierundzwanzig Jahren zum höchsten Posten des
Staates berufen ward, von großen Schwierigkeiten umgeben. Die Finanzen
waren nach einem langen unglücklichen Kriege tief zerrüttet, England stand
ohne einen Alliirten in Europa der kaum anerkannten amerikanischen Union
zweifelhaft gegenüber; vor Allem aber hatte er im Unterhause eine geschlossene
Mehrheit gegen sich, welche von den glänzendsten Führern geleitet war. Als
eine Neuwahl für Appleby beantragt ward, weil der Ehrenwerthe William Pitt
den Posten des ersten Lords der Schatzkammer angenommen, entstand ein
schallendes Gelächter. Der junge Premier schwieg stolz und wies nur den
Vorwurf zurück, auf einer Hintertreppe zur Macht gekommen zu sein. „3^
bin ins Cabinet des Königs getreten, als Se. Majestät mich rufen ließ und
werde niemals so feig sein, unter dem versteckten Einfluß Andrer zu handeln,
was ich der Krone rathe, werde ich hier vertreten." Als die Opposition merkte,
daß es Ernst sei, protestirte sie gegen ldas Ministerium sowie gegen eine Auf¬
lösung des Hauses und beschloß eine Adresse, daß die gegenwärtige Verwaltung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/54>, abgerufen am 28.09.2024.